Herr Shinan, Matkot gehört seit jeher zum Strandleben von Tel Aviv. Ihr Film »Matkot – The End« widmet sich allerdings den Gefahren dieses Sports. Wie kam es dazu?
Ich wohne sehr nah am Strand, aber ehrlich gesagt: Ich gehe gar nicht so gerne dorthin. An einem Schabbat vor einigen Wochen hatte ich das Gefühl, ich müsse das Haus verlassen und wollte zum Meer, um aus der Enge Tel Avivs herauszukommen – aber es war unmöglich. Der Strand war wie ein Schießplatz: überall Matkot-Spieler, kleine, harte Bälle und das ständige Klack-klack. Am selben Tag traf ich einen Freund, meinen Co-Regisseur Liran Goldberg, und klagte ihm mein Leid. Aber Liran meinte bloß: Das wäre ein super Film.
Zwei Wochen, nachdem Sie die hebräische Version Ihres Films auf YouTube geladen haben, hatten ihn schon über 70.000 Menschen gesehen. Hatten Sie damit gerechnet?
Kein Stück! Rückblickend denke ich, dass wir großes Glück mit dem Timing hatten – es war der Anfang des Sommers, und es gab gerade mal wenig schlechte Neuigkeiten in Israel. Außerdem war es eine gute Entscheidung, den Film viral über das Internet in Umlauf zu bringen. Wir hatten zwar keinen Schimmer, wie man das genau anstellt, haben aber bald herausgefunden: Damit das klappt, braucht man eine Kontroverse. Die Menschen müssen über das, was sie sehen, diskutieren können. Deswegen bin ich auch ziemlich glücklich, dass wir den Tonfall des Films mehrdeutig gehalten haben. Man weiß ja nicht so genau, ob wir das alles ernst meinen. Und selbst wenn man Matkot mag und spielt, würde man seinen Freunden den Streifen empfehlen.
Wenn man den Film sieht, könnte man fast glauben, Sie meinten es vollkommen ernst mit Ihrem Feldzug gegen das Strandtennis!
Jedenfalls haben uns manche sehr ernst genommen. Vor Kurzem kam ein Mann auf der Straße auf mich zu und meinte: Hör’ mal, ich will endlich etwas gegen Matkot unternehmen, ich will Teil der Bewegung gegen Matkot werden. Wann ist die nächste Demo? Und ich musste ihm sagen, dass es keinen Kampf gegen Matkot und keine Bewegung gibt, bloß eine Facebook-Gruppe, die Liran und ich für den Film gegründet hatten und die zu diesem Zeitpunkt exakt zwei Mitglieder hatte: Liran und mich. Mittlerweile hat sie über 1.000 Mitglieder!
»Matkot – The End« ist aber nicht nur ein Film über Sport am Strand, es geht auch um die israelische Gesellschaft und um den eher harschen Umgangston untereinander.
Der Film ist jedenfalls kein Witz. Wir haben bei der Vorbereitung bald gemerkt, dass das Thema eine zweite Ebene hat, dass Matkot ein ganz gutes Symbol für das Zusammenleben in Israel ist. Uns war schon auch wichtig, dass das Ganze einen gewissen Tiefgang hat, aber wir wollten unsere Moral nicht herausschreien, wir wollten unsere Zuschauer ja vor allem amüsieren. Ich finde Humor auch den wesentlich eleganteren Weg: Man kann über den Film lachen, aber auch darüber nachdenken. Wenn man mag.
Was sollen die Zuschauer denn mit nach Hause nehmen, außer den Lachern?
Eigentlich sollte ich das gar nicht verraten, weil es ja denjenigen den Spaß verdirbt, die »Matkot – The End« noch nicht gesehen haben, oder? Aber ich denke, wir behandeln neben Matkot auch die typisch israelische Chuzpe, die immer ein bisschen die Gefahr birgt, in Egoismus umzuschlagen. Andererseits halte ich niemanden für grundsätzlich böse und schlecht, und ich weiß ja, dass die Matkot-Spieler den anderen den Spaß am Strand eigentlich gar nicht verderben wollen. Aber wenn es in dem Film so etwas wie eine Moral gibt, dann eine recht simple: Versucht einfach mal, netter zueinander zu sein.
War es so gedacht, dass der Film auch ein wenig wie ein Kommentar zu den anhaltenden sozialen Protesten in Israel wirkt?
Nein, gar nicht! Als wir den Film gemacht haben, hatten die Proteste noch nicht einmal wieder angefangen. Und ich bin nicht sonderlich glücklich, dass es jetzt so wirkt, als würden wir uns über die Demonstranten belustigen. Liran und ich kamen uns auch ein bisschen seltsam vor, weil plötzlich wieder so viele Menschen für Veränderungen auf die Straße gingen. Und wir hatten das Gefühl, dass wir diesen Leuten ihre Mission verderben würden, weil wir in dem Film ja letztlich behaupten, dass sich niemand um andere kümmert.
Was haben Sie persönlich aus dem Erfolg gelernt?
Dass ich in Zukunft häufiger dokumentarisch arbeiten will. Derzeit plane ich zum Beispiel ein Musikvideo für eine junge Band aus Tel Aviv. Der Song ist ein Liebeslied, und wir überlegen, ob wir die Bandmitglieder einfach dabei filmen, wie sie durch die Stadt gehen und unterschiedliche Menschen umarmen. Wir wollen sehen, was passiert, wenn man Menschen mit Liebe attackiert! Auf eine Art könnte dies das Gegenstück zum Matkot-Film werden. Weil ich gerne etwas machen würde, was nicht zynisch ist.
Mit dem Regisseur sprach Daniel Erk.
Tom Shinan, 34, lebt als freier Filmproduzent in Tel Aviv. Er arbeitet für das israelische Fernsehen, aber auch als Regisseur von Kurzfilmen und Musikvideos für diverse israelische Bands.
Hier sehen Sie die Englisch untertitelte Variante:
www.youtube.com/watch?v=pPZO3XX0kJs
Hier sehen Sie die hebräische Version:
www.youtube.com/watch?v=X66Z6cHNvhU