In Israel kannte ihn jeder Journalist, an Israel interessierte deutsche Zeitungsleser sowieso: Von 1970 bis 2022 war Ulrich Sahm Israel-Korrespondent für Blätter, Radio- und Fernsehsender. Doch nach 52 Jahren begannen sich vor einiger Zeit gesundheitliche Probleme bemerkbar zu machen. Gerade als es wieder besser aussah, verletzte sich Sahm bei einem Treppensturz. Er kam in die Bundesrepublik zurück. Ein Jahr später, am Mittwochabend, ist Ulrich Sahm nun in seiner letzten Heimat Bremen gestorben. Er war 73 Jahre alt.
Als Diplomatensohn sah und erlebte Ulrich Sahm bereits im Kindesalter viel. Mit vier Jahren fand er sich in London wieder, mit zwölf in Paris. Freundschaften, die er in einem französischen Lycée mit israelischen Klassenkameraden schloss, brachten ihn mit einer Kultur und einer Sprache in Berührung, die sein Leben stark beeinflussen würde.
»Heute ist es vielleicht unvorstellbar, aber damals wurde dem einzigen Deutschen von den Franzosen dort immer wieder eine Hand ins Gesicht gestreckt, mit einem lauten Heil Hitler!«, schrieb Sahm einst in dieser Zeitung. »Der Hass auf alles Deutsche war groß und teilweise unerträglich.«
Beste Freunde
»Interessanterweise wurden ausgerechnet die Israelis, ebenfalls Diplomatenkinder oder Kinder von Geheimdienstleuten, schnell meine besten Freunde«, erinnerte er sich im Jahr 2000. »Die gluckten in den Schulpausen immer zusammen und redeten miteinander nur Hebräisch. Weil ich aber eben zu ihrer Clique gehörte, blieb mir nichts anderes übrig, als umgehend in den Schulpausen Hebräisch zu lernen.«
Zunächst ging es für Ulrich Sahm zurück in die Bundesrepublik. Nach einigen Jahren an der Odenwaldschule, begann er, Theologie, Judaistik und Linguistik zu studieren. Sein Plan: In Israel wollte er sein Studium abschließen, als er im Jahr 1970 auf dem Ben Gurion-Flughafen in Tel Aviv landete.
Überall zu hören
Aus einem Aufenthalt, der ursprünglich lediglich für sein Studium der Hebräischen Literatur - also ein paar Jahre lang - andauern sollte, wurde weitaus mehr. Gut ein halbes Jahrhundert verbrachte Sahm im jüdischen Staat.
Ulrich Sahm, der Mann mit dem ansteckenden Lachen, der als Nicht-Jude in gewisser Hinsicht israelischer war, als so mancher Israeli, wurde durch einen Zufall Korrespondent. Er hielt Vorträge vor deutschen Journalisten, die Israel besuchten. Sie inspirierten ihn. Aus den Vorträgen wurden Zeitungsartikel. Eins kam zum Anderen.
Während seiner Zeit in Israel arbeitete Sahm für etwa so viele Medien wie er Jahre dort verbrachte, darunter auch n-tv und den früheren Berliner Radiosender Hundert,6. Sahms tiefe Stimme, mit der er sein Wissen und aktuelle Entwicklungen transportierte, war überall zu hören. Über viele Jahre hinweg schrieb er auch für die Jüdische Allgemeine.
Unvollendete Pläne
Als Israel-Korrespondent war er nicht nur Experte für Politik und die jüngere Geschichte, die er dort zum Teil selbst mitbekam, sondern auch für das Altertum und Archäologie. Letztere lag ihm besonders am Herzen.
Zurück in der Bundesrepublik wohnte Ulrich Sahm zunächst bei seinem »kleinen Bruder« in seiner Geburtsstadt Bonn. Dann wollte er in der Nähe seiner Freundin sein, weshalb er Wahl-Bremer wurde. Er wollte dort noch schriftstellerisch tätig sein. Einige seiner Pläne blieben unvollendet.
Ulrich Sahm wird bereits jetzt vermisst. Er wird unvergessen bleiben - bei seinen Liebsten, aber auch bei seinen Kollegen, Hörern, Lesern und Zuschauern.