Es dürfte kaum jemanden im Land geben, der ihn nicht mag. Bei sämtlichen Beliebtheitsumfragen schießt er stets an die Spitze, lässt die hinterher hinkenden Politiker ziemlich alt aussehen. Yair Lapid, der Smarte. Der Sympathische. Der Tausendsassa. Bei den Wahlen zur 19. Knesset überholte er alle Prognosen und verdoppelte seine Mandate im Vergleich zur vorausgesagten Anzahl nahezu. 19 Sitze wird seine Fraktion Jesch Atid zukünftig im Parlament belegen. Yair Lapid, der Gewinner.
Dabei war die Partei »Es gibt eine Zukunft« zum ersten Mal dabei. Vom Fernstehstudio in die Knesset: Denn erst vor weniger als einem Jahr hatte der Journalist Lapid endgültig seinen Abschied aus der Medienwelt bekannt gegeben. Gemunkelt aber hatte die israelische Öffentlichkeit schon lange. Zusehends waren seine Abwiegelungen zu einem Wechsel in die Politik mehrdeutiger ausgefallen. Wenn er darüber sprach, umspielte ein schelmisches Lächeln seine Lippen.
Schinui Schließlich hat er es in die Wiege gelegt bekommen. Lapids Großvater mütterlicherseits gründete die Tageszeitung Maariv, Vater Josef »Tommy« Lapid war einer der bekanntesten Journalisten Israels, bewahrte die strauchelnde Säkularen-Partei Schinui vor dem Untergang, wurde später Justizminister und stellvertretender Premier.
Der junge Lapid hat eine mittlerweile nicht minder erfolgreiche Karriere vorzuweisen: Fast drei Jahrzehnte lang arbeitete er als Journalist und Buchautor. Vor fünf Jahren übernahm er neben seinen regelmäßigen Kolumnen den Posten als Moderator der beliebten Nachrichtensendung »Ulpan Schischi« auf Kanal 2. Er eröffnete seine erste Sendung mit den Worten: »Ich bin Yair Lapid, und ich trage einen Schlips.«
Man sagt ihm das Macher-Gen nach, das für das Durchstarten im israelischen Haifischbecken der Politik unabdingbar ist. Lapid sieht dazu unverschämt gut aus – Typ Schwiegermutters Liebling mit einem Hauch Coolness. Privat trägt er übrigens lieber Lederjacke als Krawatte. Mehrfach wurde er zum »sexiest man« des Landes gewählt. Gleichzeitig ist er bodenständig, verheiratet und Vater von drei Kindern.
mainstream Politisch sieht sich der 49-Jährige in der »Mitte mit gesundem Menschenverstand«. Lapid hütet sich, in Extreme zu verfallen. Er ist Mainstream auf ganzer Linie. Mit den Palästinensern will er eine Verständigung, verdammt jedoch auch die Siedlerbewegung nicht. Wie er es in seinem Elternhaus vorgelebt bekam, ist er mit ganzem Herzen säkular, scheut sich aber nicht, hin und wieder Tora-Zitate zu bemühen.
Schon 2010 hatte er erklärt, man müsse »die Leute zurückholen, die uns verlassen haben«. Wie er das machen wolle, sagte er auch: »Wir werden eine Verfassung schreiben, das Wahlsystem ändern und uns euch zuwenden, weil wir es ohne euch nicht schaffen können.« Er wurde noch konkreter. Jeschiwa-Studenten müssten in die Armee eingezogen werden, im charedischen Schulsystem wären die säkularen Basisfächer Pflicht, ein Viertel des Verteidigungshaushalts ginge in die Bildung, die Golanhöhen zurück an Syrien. Außerdem würde er sich für einen großflächigen Rückzug aus der Westbank einsetzen und überlegt bereits, wie man in diesem Falle mit den rebellierenden Siedlern umgehen muss.
agenda Ob er das auch heute noch so sieht, wird sich zeigen. Ob er auch nur Teile seiner Agenda umsetzen kann, ebenfalls. Viele bezeichnen ihn dennoch als »neuen Israeli« und beziehen sich möglicherweise darauf, was einst Lapid senior über ihn sagte. Als Yair seinen Vater in einem Interview fragte, was in seinen Augen israelisch sei, antwortete der ganz emotional: »Du«.
Den Schlips wird Lapid ab sofort sicher jeden Tag tragen. Es ist klar, dass er in der nächsten Zeit – ob in einer Regierungskoalition oder der Opposition – noch öfter vor der Kamera stehen wird als bisher. Denn obwohl Benjamin Netanjahu mit ziemlicher Gewissheit wieder den Regierungsposten übernehmen wird, sieht ein Sieger anders aus. So wie Yair Lapid.