Nachruf

Der Mann, der den »Zorn Gottes« umsetzte

Zvi Zamir sel. A. (1925–2024)

Schon lange vor dem 6. September 1972 war Zvi Zamir ein viel beschäftigter Mann. Als jedoch an diesem schrecklichen Tag acht Mitglieder der zur PLO gehörenden palästinensischen Terrororganisation »Schwarzer September« fast die gesamte israelische Olympiamannschaft in München ermordeten, galt dies umso mehr.

Als Chef des Mossad startete Zamir, der am Dienstag im Alter von 98 Jahren in Tel Aviv starb, damals die Operation »Wrath of God« (»Zorn Gottes«).

Vor Beginn des Einsatzes, dessen Ziel es war, die an dem Massaker beteiligten Täter zu finden und nacheinander zu töten, eilte er zunächst nach München – zu einem Zeitpunkt, als die meisten israelischen Athleten noch am Leben waren. Die bundesdeutschen Behörden bat er, Sayeret Matkal, einem Eliteteam der israelischen Streitkräfte, zu gestatten, die Sportler zu retten. Der Antrag wurde aus gesetzlichen Gründen abgelehnt.

Schlechte Nachrichten aus Fürstenfeldbruck

Die Tatsache, dass die westdeutsche Polizei unvorbereitet war und Fehler machte, führte dazu, dass alle neun von den Palästinensern festgehaltenen Geiseln umkamen. Jahrzehnte später erinnerte sich Zvi Zamir an diese Zeit. Sein Kommentar: »Die Deutschen waren komplett nutzlos.«

Nach dem tödlichen Drama am Flughafen von Fürstenfeldbruck war es Zamir, der die damalige Premierministerin Golda Meir anrufen musste: »Golda, ich habe schlechte Nachrichten«, sagte ihr der Mann, der die Geiseln möglicherweise hätte retten können, wenn man ihn gelassen hätte. »All dies auf deutschem Boden zu beobachten, war schrecklich«, erklärte er später in einem Interview.

Dann kam der »Zorn Gottes«. Laut Zamir wollte Golda Meir die Täter von München vor Gericht stellen, sah aber ein, dass dies nicht möglich war. Er selbst bat sie daher um Erlaubnis, die Terroristen auszuschalten. Eine Liste mit Namen wurde erstellt und abgearbeitet. Tragischerweise kam dabei auch ein unschuldiger Mann ums Leben.

In Steven Spielbergs Film Munich (»München«) von 2005 wurde die Operation »Zorn Gottes« beleuchtet. Ami Weinberg spielte darin Zvi Zamir.

Vom Zugführer zum Aufklärungspiloten

Als Zwicka Zarzewski wurde Zvi Zamir am 3. März 1925 in Polen geboren. Er war noch ein Baby, als er mit seiner Familie nach Palästina kam – und noch keine 18, als sich bereits andeutete, dass er Mut hatte. 1942 wurde er Teil der Palmach, einer Eliteeinheit der Hagana. Die Briten verhafteten ihn, da er »illegale« jüdische Flüchtlinge nach Palästina brachte.

Im Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte Zvi Zamir als einer der ersten Soldaten der Streitkräfte (IDF) des gerade gegründeten jüdischen Staates. Es dauerte nicht lange, bis er seine Aufgaben als Zugführer durch die eines Aufklärungspiloten ersetzen konnte. Später war Zamir IDF-Befehlshaber im Süden Israels und dann Militärattaché an der Botschaft in London. Zwei Jahrzehnte lang diente er bei den Streitkräften.

Von 1968 an war Zamir schließlich Mossad-Chef. Nicht nur das Massaker von München fiel in seine Amtszeit, sondern auch der Jom-Kippur-Krieg 1973. Efraim Halevy, ein alter Weggefährte, der Jahrzehnte später sein Nachfolger beim Geheimdienst wurde, erinnerte sich unlängst daran, dass Zamir seine Meinung durchaus kundtat, in aller Deutlichkeit - und zwar auch gegenüber den Amerikanern.

Streit mit der CIA

Als CIA-Vizechef Vernon Walters den Israelis klarmachte, dass die USA abwarten wollten, wer als Sieger aus dem Krieg hervorgehen würde, um ihn daraufhin zu unterstützen, kam es zum Eklat. Im Jahr 2019 sagte Halevy dem Online-Medium ynet, Zvi Zamir habe Walters damals eine Nachricht ausrichten lassen. Ihr Wortlaut: »Leck mich am Arsch.«

Zamir soll auch als Mossad-Chef selbstkritisch gewesen sein. Erfolge bauten ihn auf, aber Misserfolge zu verarbeiten, scheint nicht seine Stärke gewesen zu sein. Zeitzeugen zufolge musste ihn Golda Meir manchmal trösten.

Am Ende seines Lebens musste Zamir ein weiteres Massaker miterleben: den Angriff der Hamas auf Kibbuzim und ein Festival im Süden mit 1200 ermordeten Israelis.

Im Jahr 2011 schrieb Zvi Zamir seine Memoiren unter dem Titel Mit offenen Augen. Mit seiner Frau Rina hatte er drei Kinder.

Geiselbefreiung

Omer, Tal, Eliya, Omer, Avera und Hisham sind frei!

Sechs israelische Männer wurden am Samstagmorgen aus der Gefangenschaft der Hamas in Gaza freigelassen

von Sabine Brandes  22.02.2025

Abkommen

Dies sind die sechs freigelassenen Geiseln

Tal Shoham, Omer Wenkert, Omer Shem Tov, Eliya Cohen, Avera Mengistu und Hisham al-Sayed sind in Freiheit

von Sabine Brandes  22.02.2025

Geiseldeal

Leichnam von Shiri Bibas nach Israel überstellt

Nachdem die Hamas erst einen anderen Leichnam übergeben hatte, überstellte sie am Freitag die Leiche von Shiri Bibas. Ihre Identität wurde von Forensikern bestätigt

 22.02.2025

Gaza

Hoffnung nur ohne Hamas

Der Friedensaktivist Hamza Howidy ist im August 2023 aus dem Gazastreifen geflohen. Er fürchtet, dass das aktuelle Abkommen nichts an den dortigen Zuständen ändern wird

von Hamza Howidy  21.02.2025

Zynische Show

Wo ist Shiri Bibas? Hamas spricht von einem möglichen »Irrtum«

Für Samstag ist die Freilassung der sechs weiteren Geiseln angekündigt

 21.02.2025

Israel

Internationale Reaktionen: Fassungslosigkeit angesichts Grausamkeit der Hamas

Das grausame Verhalten der Hamas im Fall von Shiri Bibas und bei der Übergabe der Leichen sorgt weltweit für Empörung

von Sophie Albers Ben Chamo  21.02.2025 Aktualisiert

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Israel

In der grausamen Wirklichkeit gibt es keine Wunder

Yarden Bibas wurde aus der Geiselhaft entlassen – seine Kinder Ariel und Kfir kamen in Särgen zurück, von seiner Frau Shiri fehlt noch immer jede Spur

von Sabine Brandes  21.02.2025