Schon lange vor dem 6. September 1972 war Zvi Zamir ein viel beschäftigter Mann. Als jedoch an diesem schrecklichen Tag acht Mitglieder der zur PLO gehörenden palästinensischen Terrororganisation »Schwarzer September« fast die gesamte israelische Olympiamannschaft in München ermordeten, galt dies umso mehr.
Als Chef des Mossad startete Zamir, der am Dienstag im Alter von 98 Jahren in Tel Aviv starb, damals die Operation »Wrath of God« (»Zorn Gottes«).
Vor Beginn des Einsatzes, dessen Ziel es war, die an dem Massaker beteiligten Täter zu finden und nacheinander zu töten, eilte er zunächst nach München – zu einem Zeitpunkt, als die meisten israelischen Athleten noch am Leben waren. Die bundesdeutschen Behörden bat er, Sayeret Matkal, einem Eliteteam der israelischen Streitkräfte, zu gestatten, die Sportler zu retten. Der Antrag wurde aus gesetzlichen Gründen abgelehnt.
Schlechte Nachrichten aus Fürstenfeldbruck
Die Tatsache, dass die westdeutsche Polizei unvorbereitet war und Fehler machte, führte dazu, dass alle neun von den Palästinensern festgehaltenen Geiseln umkamen. Jahrzehnte später erinnerte sich Zvi Zamir an diese Zeit. Sein Kommentar: »Die Deutschen waren komplett nutzlos.«
Nach dem tödlichen Drama am Flughafen von Fürstenfeldbruck war es Zamir, der die damalige Premierministerin Golda Meir anrufen musste: »Golda, ich habe schlechte Nachrichten«, sagte ihr der Mann, der die Geiseln möglicherweise hätte retten können, wenn man ihn gelassen hätte. »All dies auf deutschem Boden zu beobachten, war schrecklich«, erklärte er später in einem Interview.
Dann kam der »Zorn Gottes«. Laut Zamir wollte Golda Meir die Täter von München vor Gericht stellen, sah aber ein, dass dies nicht möglich war. Er selbst bat sie daher um Erlaubnis, die Terroristen auszuschalten. Eine Liste mit Namen wurde erstellt und abgearbeitet. Tragischerweise kam dabei auch ein unschuldiger Mann ums Leben.
In Steven Spielbergs Film Munich (»München«) von 2005 wurde die Operation »Zorn Gottes« beleuchtet. Ami Weinberg spielte darin Zvi Zamir.
Vom Zugführer zum Aufklärungspiloten
Als Zwicka Zarzewski wurde Zvi Zamir am 3. März 1925 in Polen geboren. Er war noch ein Baby, als er mit seiner Familie nach Palästina kam – und noch keine 18, als sich bereits andeutete, dass er Mut hatte. 1942 wurde er Teil der Palmach, einer Eliteeinheit der Hagana. Die Briten verhafteten ihn, da er »illegale« jüdische Flüchtlinge nach Palästina brachte.
Im Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 kämpfte Zvi Zamir als einer der ersten Soldaten der Streitkräfte (IDF) des gerade gegründeten jüdischen Staates. Es dauerte nicht lange, bis er seine Aufgaben als Zugführer durch die eines Aufklärungspiloten ersetzen konnte. Später war Zamir IDF-Befehlshaber im Süden Israels und dann Militärattaché an der Botschaft in London. Zwei Jahrzehnte lang diente er bei den Streitkräften.
Von 1968 an war Zamir schließlich Mossad-Chef. Nicht nur das Massaker von München fiel in seine Amtszeit, sondern auch der Jom-Kippur-Krieg 1973. Efraim Halevy, ein alter Weggefährte, der Jahrzehnte später sein Nachfolger beim Geheimdienst wurde, erinnerte sich unlängst daran, dass Zamir seine Meinung durchaus kundtat, in aller Deutlichkeit - und zwar auch gegenüber den Amerikanern.
Streit mit der CIA
Als CIA-Vizechef Vernon Walters den Israelis klarmachte, dass die USA abwarten wollten, wer als Sieger aus dem Krieg hervorgehen würde, um ihn daraufhin zu unterstützen, kam es zum Eklat. Im Jahr 2019 sagte Halevy dem Online-Medium ynet, Zvi Zamir habe Walters damals eine Nachricht ausrichten lassen. Ihr Wortlaut: »Leck mich am Arsch.«
Zamir soll auch als Mossad-Chef selbstkritisch gewesen sein. Erfolge bauten ihn auf, aber Misserfolge zu verarbeiten, scheint nicht seine Stärke gewesen zu sein. Zeitzeugen zufolge musste ihn Golda Meir manchmal trösten.
Am Ende seines Lebens musste Zamir ein weiteres Massaker miterleben: den Angriff der Hamas auf Kibbuzim und ein Festival im Süden mit 1200 ermordeten Israelis.
Im Jahr 2011 schrieb Zvi Zamir seine Memoiren unter dem Titel Mit offenen Augen. Mit seiner Frau Rina hatte er drei Kinder.