Covid-19

Der lange Weg zur Immunität

Unterwegs zur Impfung in Jerusalem Foto: Flash 90

Die Impfkampagne gegen das Coronavirus läuft in Israel weiter auf Hochtouren. Rund 1,5 Millionen Israelis wurde bis Dienstag der Impfstoff verabreicht. Das kleine Land im Nahen Osten steht damit bei der Geschwindigkeit der Immunisierung der Bevölkerung weiterhin an erster Stelle weltweit.

Zu Wochenbeginn jedoch kam die Nachricht aus dem Gesundheitsministerium, dass das Mittel des US-Pharmakonzerns Pfizer, mit dem bislang geimpft wurde, in den Gesundheitszentren langsam zur Neige geht und Erstimpfungen vorläufig ausgesetzt werden könnten. Der stellvertretende Gesundheitsminister Yoav Kish (Likud) erläuterte, dass es im Land noch ausreichend Impfstoff gebe, um Menschen mit Risikofaktoren zu impfen. Die Regierung arbeite »pausenlos daran, weitere Impfdosen zu sichern«. Die nächste Lieferung von Pfizer werde Anfang Februar erwartet.

Gefrierschrank Mehr als 19 Prozent der neun Millionen Israelis haben das Mittel bereits erhalten. Im Vergleich dazu waren nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bis Dienstag 12 Uhr 316.962 Menschen in Deutschland immunisiert worden. Der Direktor des Meuhedet-Gesundheitsdienstes in Israel, David Mosinson, machte deutlich, dass in jedem Fall die zweite Impfung verabreicht werden solle. »In unseren Gefrierschränken wartet die zweite Dosis für jeden, der die erste Spritze erhalten hat. Es ist wichtig, dass sie gegeben wird, denn nur so sind die Menschen korrekt vor dem Virus geschützt.«

Sollte es bis zur nächsten Woche keine neuen Mittel geben, werde man vor allem die Zweit-Impfungen vornehmen. »Die Nachfrage war sehr groß und die Geschwindigkeit des Impfens sehr hoch.«

Sollte es bis zur nächsten Woche keine neuen Mittel geben, werde man vor allem die Zweit-Impfungen vornehmen.

Gleichzeitig gibt sich Gesundheitsminister Yuli Edelstein optimistisch, dass »Ende März oder April all jene, die eine Impfung wollen, voraussichtlich eine erhalten werden«. Diese Aussage wurde am Dienstag von der Meldung, dass der Impfstoff des US-Unternehmens Moderna vom Gesundheitsministerium genehmigt wurde, untermauert. Moderna bestätigte die Entscheidung. Es ist die erste Genehmigung außerhalb Nordamerikas. Impfstoff-Lieferungen sollen noch im Januar eintreffen, hieß es aus Jerusalem.

Der Corona-Beauftragte Nachman Ash erläuterte, dass es sogar möglich sei, die Zweitimpfung mit dem Stoff von Moderna durchzuführen, auch wenn zuvor das Mittel von Pfizer verabreicht worden war. »Das Impfkomitee hat dies bestätigt.«

Schutz Doch auch nach einer Impfung ist man nicht sofort geschützt. Der Knessetabgeordnete Yisrael Eichler (Vereinigtes Tora-Judentum) ließ wissen, dass er sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, nachdem er mit dem Mittel des US-Konzerns Pfizer geimpft worden war. Nach Angaben der Überwachungsbehörde für Lebens- und Arzneimittel FDA braucht der Impfstoff zehn Tage, bis er einen »starken Schutz vor Covid-19« aufbaut. Erst nach dieser Zeit könne das Immunsystem das Virus erkennen und Antikörper entwickeln.

Derweil steigen die Zahlen der Infektionen mit dem Coronavirus weiter dramatisch an. Am Montag waren mehr als 8300 Fälle gemeldet worden, am Dienstag weitere 8164. Die Positivrate fiel von Montag (7,4 Prozent) auf 6,8 Prozent am Dienstag. Bis dahin waren 3495 Menschen an einer Erkrankung mit dem Virus gestorben.

Mutation Auch die Mutation des Coronavirus, die ursprünglich aus Großbritannien stammt, taucht zusehends in Israel auf. Zahlreiche Fälle sind identifiziert. Nur wenige der betreffenden Personen waren ins Ausland gereist, die restlichen haben sich offensichtlich im Inland angesteckt.

Wegen der steigenden Zahlen einigte sich das Corona-Kabinett in Jerusalem am Dienstagnachmittag auf einen vollständigen, zunächst zehntägigen Lockdown ab Donnerstagnacht – inklusive der kompletten Schließung der Schulen. Nur Sonderschulen sollen von dieser Regelung ausgenommen werden.

Zuvor befand sich das Land seit eineinhalb Wochen in einem dritten nationalen Teil-Lockdown. Während der Handel mit Ausnahme von Supermärkten und wenigen Fachgeschäften geschlossen ist, lernten die Schüler aller Jahrgangsstufen noch im Präsenzunterricht.

Geimpfte und Genesene könnten einen »grünen Gesundheitspass« erhalten.

Gesundheitsexperte Nachman Ash rät Eltern, unabhängig davon, was die Regierung beschließt, ihre Kinder in sogenannten roten oder orangen Gebieten derzeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen zu lassen. »Ein Kind, das die Krankheit nach Hause bringt, steckt andere an. Das haben wir in den vergangenen Tagen häufig erlebt.«

»Wir sehen jeden Tag eine Steigerung der Zahlen, auch die der Patienten in Krankenhäusern in ernstem Zustand.« Die kritische Marke von 800 sei bereits überschritten. »Und das ist die Grenze.« Auch Krankenhausdirektoren warnen, dass diese dritte Welle des Coronavirus in Israel »die schlimmste« sei. Corona-Patienten würden die Hospitäler im ganzen Land momentan praktisch überrennen.

Charedim Besonders in charedischen Gegenden seien die Zahlen laut Gesundheitsministerium extrem hoch. Ein Viertel aller Neuinfektionen stammt aus Orten mit überwiegend streng religiösen Einwohnern. Die Charedim machen rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Der Verantwortliche für die Beratung und Organisation während der Corona-Pandemie innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinde, Roni Numa, sagte auf einer Pressekonferenz, dass »in den charedischen Schulen aufgrund politischer Erwägungen keinerlei Restriktionen durchgesetzt werden«.

Bildungsministerium wie Polizei seien sich dessen bewusst. »Natürlich geht es um die politische Macht der Charedim. Wir leben doch nicht auf dem Mond.« Man müsse auch bedenken, dass sich die politischen Parteien derzeit wieder im Wahlkampf befinden. Wer das nicht bedenke, sei nicht ehrlich, so Numa.

abriegelung Die Leiterin der Abteilung für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Sharon Alroy-Preis, betonte anschließend, dass auch streng religiöse Schulen geschlossen werden, wenn die Regierung sich auf eine komplette Abriegelung einige.

Nach Plänen der Regierung sollen Israelis, die geimpft oder genesen sind, demnächst einen »grünen Gesundheitspass« erhalten, der für sechs Monate gültig ist. Damit soll zukünftig der Zutritt zu Großveranstaltungen wie Konferenzen, Flügen oder Sportevents möglich sein. Außerdem könnten bestimmte Einrichtungen, etwa Museen, Einkaufszentren oder Schwimmbäder dadurch wieder Kunden empfangen dürfen.

Für den Besuch von Schulen, Arbeitsplätzen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Gotteshäusern werde der Pass nicht nötig sein.

Für den Besuch von Schulen, Arbeitsplätzen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Gotteshäusern werde der Pass nicht nötig sein. Negativ-Getesteten soll in diesem Plan ein »temporärer Gesundheitspass« ausgestellt werden, der für 72 Stunden gilt. Die Pässe sollen über das Mobiltelefon zugänglich sein.

Immunität »Wir sprechen von einer Herdenimmunität im Land, wenn etwa 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind«, erläuterte Corona-Berater Ash in der Knesset. Der Pass sei dafür da, die Menschen zur Impfung zu ermutigen.

Außerdem erlaube er die Wiedereröffnung bestimmter Bereiche der Wirtschaft, die derzeit durch die Restriktionen der Regierung geschlossen sind. »Der Gesundheitspass ist ein Mittel zum Zweck, damit wir das tägliche Leben wieder in den Griff bekommen, während die Zahl der Genesenen oder Geimpften stetig wächst.«

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