Die Rede des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz am Mittwoch vor der Knesset und das Herausstürmen von Mitgliedern der Partei Jüdisches Haus rufen in Israel heftige Reaktionen hervor.
Der Stein des Anstoßes war eine Anmerkung des deutschen Politikers zum Wasserverbrauch in der Region gewesen. Er berichtete, ein Jugendlicher in Ramallah habe ihm erzählt, Israelis hätten pro Kopf 70 Liter Wasser am Tag zur Verfügung, Palästinenser hingegen nur 17. Obwohl Schulz betonte, er habe die Daten nicht überprüft, platzte einigen Parlamentariern daraufhin der Kragen. Motti Jogew vom Jüdischen Haus beschuldigte Schulz gar, dass er jemanden unterstütze, der gegen Juden aufwiegelt, und rief: »Schämen Sie sich!«
Auch Regierungschef Benjamin Netanjahu äußerte seine Meinung im Anschluss. Offenbar verfüge Schulz über ein »selektives Hören«, so der Premier. Auch sagte er, dass für manche Gruppen in Europa Äußerungen wie diese leider bereits Tradition seien. »Es wäre besser für ihn gewesen, er hätte die Daten geprüft.« Netanjahu versicherte, dass die Statistik der Palästinensischen Autonomiebehörde eine wesentlich geringere Differenz beim Wasserverbrauch bescheinige. Wie groß diese Differenz tatsächlich sei, ließ er allerdings offen.
proisraelisch Zur Verteidigung des EU-Parlamentspräsidenten betonte Netanjahu aber auch, dass sich Schulz »gegen einen Boykott« Israels einsetze, was ein bedeutender Punkt sei. Schulz selbst bezeichnete seine Knesset-Rede in einem Interview mit der Tageszeitung »Die Welt« als »proisraelisch«. »Ich war in der Knesset verpflichtet, die Position des Europäischen Parlaments darzulegen. Ich kann natürlich nicht nur die Dinge sagen, die allen gefallen. Ich muss auch die konfliktträchtigen Dinge vortragen«, rechtfertigte sich Schulz.
Dass der Parteichef des Jüdischen Hauses, Naftali Bennett, mit seinen Äußerungen zu weit gegangen ist, darüber sind sich linksgerichtete Parteien und Medien in Israel einig. Bennett schrieb auf seiner Facebook-Seite, dass man nicht stillhalten werde, wenn es um Unwahrheiten gehe, die vor dem jüdischen Volk geäußert werden – »besonders auf Deutsch«. Für die »Lügen und falschen Moralpredigten« verlangte Bennett eine Entschuldigung von Schulz.
Schaden Sahava Gal-On, Vorsitzende der linken Meretz-Partei, sagte, der Zwischenfall habe der Institution Knesset großen Schaden zugefügt. Und Itzik Schmuli von der Arbeitspartei wandte sich an das Ethikkomitee, um sich über das »Herausstürmen« zu beschweren, welches »der Knesset unwürdig« sei.
Die linksgerichtete Tageszeitung »Haaretz« bezeichnete das Benehmen der Politiker des Jüdischen Hauses als »hinterwäldlerisch und ein neues Tief in der Knesset«. Auch die Online-Zeitung »Times of Israel« schrieb, dass Schulz sich zwar mit dem Wasser-Zitat einen kleinen diplomatischen Fauxpas geleistet habe, man einen Freund und Verbündeten allerdings nicht so behandeln dürfe. Statt Schulz, schlug der Autor vor, solle sich »Bennett beim gesamten jüdischen Volk dafür entschuldigen«.
Formulierungen In Deutschland fallen die Reaktionen auf Schulz’ Äußerungen verhaltener aus. Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), sagte dem Berliner Tagesspiegel: »Es geht überhaupt nicht darum, irgendetwas schönzureden. Aber wenn man heikle Themen anspricht – und das auch noch vor dem israelischen Parlament –, dann braucht es kluge Formulierungen.« Das hätte der EU-Parlamentspräsident wissen müssen. »Hier wurde eine große Chance vertan, das ramponierte Verhältnis zwischen Israel und der Europäischen Union zumindest etwas zu kitten. Das ist sehr schade«, so Robbe.
Dieter Graumann, Präsident des Zentralrat der Juden in Deutschland, plädiert indessen dafür, Schulz’ Äußerungen nicht überzubewerten. »Ich werbe für Gelassenheit und Besonnenheit in dieser Situation. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind geprägt von Vertrauen und Freundschaft. Ich bin überzeugt davon, dass alle israelischen Politiker und auch Martin Schulz von diesem Gedanken getragen sind«, sagte Graumann.
Martin Schulz selbst stand für ein Interview mit der Jüdischen Allgemeinen nicht zur Verfügung. »Leider ist Herr Schulz völlig ausgebucht«, hieß es aus seinem Büro.