Wetter

Der Jahrhundertschnee

Der schlimmste Wintersturm in fünf Jahrzehnten hält Israel noch immer in Schach. Schneefälle, wie sie das Land fast noch nie gesehen hat, verursachten massenhafte Stromausfälle im ganzen Land, Tausende Menschen mussten bei Minustemperaturen tagelang ohne Strom ausharren. Jerusalem und andere Städte waren das gesamte Wochenende von der Außenwelt abgeschnitten. Vier Menschen sind infolge der Unwetter ums Leben gekommen.

Am Schabbat wurde in Jerusalem sogar das Fahrverbot für den öffentlichen Verkehr aufgehoben, um die Menschen aus der eingeschneiten Stadt zu transportieren. Extra eingesetzte Züge fuhren in kurzen Abständen, um Jerusalemer Richtung Zentrum zu bringen. Sämtliche Zufahrstraßen in die Stadt waren bereits am Freitag gesperrt worden, nachdem Dutzende von Fahrzeugen im Schnee stecken geblieben waren und die Armee anrücken musste, um sie zu befreien.

Menschenleben Bürgermeister Nir Barkat erklärte am Samstagabend, dass sich die Stadt noch immer im Ausnahmezustand befände und man alles täte, um mit den Auswirkungen des Unwetters klarzukommen. Premierminister bezeichnete den extremen Wintereinbruch als »Jahrhundertsturm«. Oberste Priorität sei es, Menschenleben zu retten.

Dafür waren am Wochenende Sicherheitskräfte und Militär ohne Unterlass im Einsatz. Sie brachten unterkühlte Menschen mit Armeeraupen oder Hubschraubern in die Krankenhäuser, versorgten Familien mit kleinen Kindern mit warmen Decken und Getränken. Öffentliche Gebäude, etwa das Kongresszentrum in der Stadt, wurden für jene geöffnet, die keine Bleibe haben oder in ihren Wohnungen nicht für ausreichend Wärme sorgen konnten. Verschiedene Notrufnummern wurden eingerichtet.

Obwohl es viele Familien tagsüber mit ihrem Nachwuchs in den Schnee zog, konnten die meisten Jerusalemer die weiße Pracht kaum genießen. Zwar machten sich am Sonntag auch viele Israelis von außerhalb auf den Weg, um das hügelige Winter-Wunderland zu betrachten, doch dem Schnee-Tourismus wurde von den Behörden Einhalt geboten. Noch vor der Einfahrt in die Stadt wurden die Fahrzeuge zurückgeschickt. Die Polizei bittet im Radio immer wieder darum, von privaten Fahrten nach Jerusalem abzusehen.

Licht Sarah Hadari lebt in der Stadt und fror tageslang. »Ich war über zwei Tage lang komplett ohne Strom«, erzählt sie am Sonntag. »Das hieß: keine Heizung, kein warmes Wasser, kein Kochen, kein Licht und vieles andere mehr. Es war der absolute Horror. Ich habe praktisch die gesamte Zeit unter mehreren Decken im Bett gelegen und gebibbert. Rausgehen und durch den Schnee tollen kam für mich wirklich nicht infrage – es gab ja keinen angenehmen Ort, an dem man sich anschließend hätte aufwärmen können.«

Auch die Stadt Safed in Obergaliläa war hart getroffen. Noch nie dagewesene Schneemassen paralysierten den gesamten Ort. Auf dem Berg Hermon blieb ebenfalls ein Meter liegen, es wird damit gerechnet, dass Anfang der Woche der Skibetrieb beginnt.

Im Zentrum des Landes schneite es zwar nicht, doch extreme Wolkenbrüche mit Regengüssen und Hagelschauern machten auch hier den Bewohnern das Leben schwer. In manchen Teilen Tel Avivs, wie in dem südlichen Viertel Neve Zedek beispielsweise, gab es ebenfalls bis zu 30 Stunden keine Elektrizität.

Bodenfrost Auch ein anderes Winterphänomen, das Israelis so gut wie nicht kennen, trat ein: vereiste Straßen. Immer wieder rief die Polizei dazu auf, langsam zu fahren und Straßen in der Nähe von Gewässern zu meiden. Bodenfrost hatte in der Nacht zum Samstag sogar große Teile der Stadtautobahn Ayalon mit einer dünnen Eisschicht überzogen.

Auch wenn der Sturm am Sonntagmorgen vorüber war, befinden sich nach wie vor ganze Gemeinden ohne elektrische Versorgung. Die Elektrizitätswerke arbeiten rund um die Uhr, damit die Versorgung im Land wieder hergestellt wird. Die Schulen blieben am Wochenbeginn in und um Jerusalem, dem Etzion-Block, der Westbank, Safed und den Golanhöhen geschlossen.

Einige Straßen nach Jerusalem und in Richtung Norden waren am Sonntagmorgen zunächst freigegeben worden, schon am Mittag aber wegen extremer Eisglätte wieder gesperrt worden. Die Polizei betont, dass die Schneemassen und die ungewöhnlich kalten Temperaturen noch immer große Gefahren bergen.

Nahost

Der Drei-Stufen-Plan für einen Geisel-Deal

Laut israelischen Medien hängt eine Einigung nur noch von der Zustimmung der Hamas ab

 13.01.2025

Nahost

Ringen um Geisel-Deal vor Trumps Vereidigung

Vermittler bemühen sich um eine Waffenruhe in Gaza sowie die Freilassung von Geiseln des palästinensischen Terrors. Gelingt vor dem 20. Januar ein Durchbruch?

 13.01.2025

»Israelphobie«

Elefant im diskursiven Raum

In seinem Buch analysiert Jake Wallis Simon, Herausgeber des »Jewish Chronicle«, den Hass auf den jüdischen Staat

von Ralf Balke  12.01.2025

Anti-Terror Kampf

20 israelische Jets gegen Huthi-Stellungen

Mit dem Angriff auf zwei Häfen und ein Kraftwerk reagiert Israel auf die permanenten Attacken aus dem Jemen

von Sabine Brandes  12.01.2025

Jerusalem

»Es bringt Israel zurück zum 6. Oktober«

Opposition kritisiert Wiedereinführung der höchst umstrittenen Justizreform / Charedische Parteien stellen Ultimatum

von Sabine Brandes  12.01.2025

Missbrauch

»Ich habe ein Monster vergöttert«

Eyal Golan soll systematisch junge Mädchen ausgebeutet haben. Jetzt gibt es erneut Vorwürfe

von Sabine Brandes  12.01.2025

Steffen Seibert

Geiseln sind unsere höchste Priorität

Der deutsche Botschafter in Israel sprach auf der Kundgebung in Tel Aviv

 12.01.2025

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nahost

Katz fordert Plan für Hamas-Niederlage

Sollten die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen werden, will der israelische Verteidigungsminister eine komplette Zerschlagung der Terrorgruppe

 10.01.2025