Tieforange ist die Glut und 1.000 Grad heiß. Aus der Öffnung steigt steter Dampf nach oben. Mit ein wenig Fantasie spürt man den magischen Geist von Chanukka durch die Lüfte schweben. Genau hier ist es vor etwa 2.000 Jahren geschehen. Hier schlugen die jüdischen Kämpfer ihre Belagerer, die Hellenisten, in die Flucht. Das Wunder von Chanukka war geboren. Und noch heute herrscht an diesem Ort eine wundersame Atmosphäre: In der traditionsreichen Silberschmiede Hazorfim in Kfar Daniel bei Modi’in wird tagein, tagaus an glänzenden Chanukkiot, Dreideln und anderen Kunstwerken gehämmert und poliert.
Schon lange vor dem jüdischen Lichterfest herrscht hier Hochkonjunktur. »Manche Stücke brauchen vom Design bis zum Versand fast ein Jahr Produktionszeit. Da muss früh bestellt werden«, erklärt Werbe- und Pressemanagerin Noa Kanarik. Order an den weltbekannten Hersteller von Judaika trudeln aus aller Herren Länder ein. Etwa die Hälfte aller Bestellungen kommt aus den USA, aber auch aus den jüdischen Gemeinden in Europa, Südamerika und Australien. Israeltouristen kaufen die wertvollen Mitbringsel aus 925er Sterlingsilber in den zehn Geschäften im ganzen Land.
perfektion »Der Geist des Silbers« ist das Motto der Firma. Um die Traditionskunst dieses Schmiedens am Leben zu halten, braucht es äußerste Präzision und Liebe zum Detail. »Alles ist reine Handarbeit«, macht Kanarik deutlich, »vom gezeichneten Entwurf bis zum Polieren der fertigen Gegenstände.« Im Grunde sei die Arbeit fast genauso geblieben wie vor Hunderten von Jahren. »Auf andere Art und Weise könnte man diese Präzision nie erreichen.«
Immer wieder schlägt das Hämmerchen auf den Meißel. Die Augen der Silberschmiedin sind fokussiert, der Körper ist angespannt, während sie das Stück in Händen hält, vorsichtig dreht, nach einigen Schlägen immer wieder inspiziert. Jeder Klopfer muss genau treffen, nur dann entsteht eine akkurate Verzierung. So sah die Arbeit am Fuß eines Chanukkaleuchters lange vor der industriellen Revolution aus – und genauso ist es noch heute.
Handarbeit 200 Leute sind bei Hazorfim beschäftigt, darunter viele Silberschmiede und Künstler. Drei Designer – mit Firmeneigentümer Jakov Merdinger als Chefdesigner in Person – entwerfen die Chanukkiot, Menorot, Becher, Schalen, Dreidl und Dekorationen. Sie werden per Hand auf Papier gezeichnet und vom Computer eingescannt. Ein 3D-Drucker erstellt anschließend ein Modell aus Kunststoff, um zu sehen, ob es auch plastisch den ästhetischen Ansprüchen der Firma genügt. Ist der Prototyp genehmigt, geht er in Produktion.
Dafür wird zunächst das Silber aus Nuggets geschmolzen und in Bahnen gepresst. Jedes Stück benötigt eine andere Dicke des Materials, ob Leuchter oder Besteck. Mit einer mechanischen Stanze werden Blütenverzierungen in die geschnittenen Silberstreifen gepresst. Im großen Raum nebenan arbeiten 25 Frauen und Männer daran, die Einzelteile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Ein großer Leuchter könne aus bis zu 200 Stücken bestehen, erklärt Kanarik, »und an jedem Stück arbeiten ungefähr 30 Händepaare«.
Mit einem Bunsenbrenner werden die Übergänge verschmolzen, kleine Unebenheiten mit verflüssigtem Silber ausgeglichen. Jetzt ist das Kunstwerk komplett – fertig ist es jedoch noch nicht. Es fehlt die ausgiebige Politur, um das Edelmetall zum Strahlen zu bringen. Auch das erfolgt gänzlich in Handarbeit. Zum Schluss wird noch einmal gewogen und nachgeprüft, ob alles hundertprozentig stimmt. »Bei uns verlassen nur perfekte Dinge das Haus«, so die Pressesprecherin, »Hazorfim steht für die ultimative Vollkommenheit.«
czernowitz Die Geschichte von Hazorfim begann in den 40er-Jahren in Osteuropa. In seiner Heimatstadt Czernowitz erlernte Josef Merdinger die Silberschmiedekunst gemeinsam mit Wilhelm Kerner und Michael Steinmetz. Nach dem Krieg ging Merdinger nach Palästina. Kurze Zeit später folgten die anderen. 1952 gründeten die Partner Hazorfim. Josefs Sohn Jakov begann bereits mit acht Jahren, Firmenluft zu schnuppern. Seine ersten Entwürfe gab er mit 13 ab, die Stücke werden noch heute hergestellt und gelten als Klassiker. 1983 übernahmen die Merdingers die Anteile der Partner, ein Jahr darauf starb der Gründer. Heute leitet Jakov Merdinger die Geschäfte.
Noa Kanarik liebt es, hier zu arbeiten. »Man ist ständig von Schönheit und Kunst umgeben. Ich habe Silber zu Hause, das noch von meiner Großmutter stammt. Es ist wunderschön.« Im Katalog der Firma gibt es Tausende unterschiedlicher Judaika-Artikel. Und fast jeden Tag kommt ein weiterer hinzu. Etwa 300 neue Stücke werden pro Jahr bei Hazorfim entworfen.
Herzblut In den meisten Teilen der Welt sind Silberschmieden längst von der Bildfläche verschwunden. »Umso mehr Bedeutung erhält Hazorfim, wo die alten Traditionen gepflegt und hochgehalten werden«, erklärt Kanarik. »Hier in Kfar Daniel werden die Dinge mit Herzblut und Seele hergestellt.«
Die Ewigkeit hat ihren Preis: Ein großer Chanukkaleuchter – manche messen bis zu anderthalb Meter – kann schnell einige 10.000 Euro kosten, in Einzelfällen sogar bis zu 100.000. Doch auch die erschwinglicheren kleinen bergen den besonderen Geist in sich. »Es ist wirklich außerordentlich«, findet Kanarik und streicht sanft über einen blinkenden achtarmigen Leuchter auf dem Regal, »dass genau an diesem historisch so bedeutenden Ort das Wunder von Chanukka noch heute weiterlebt.«