Spionage

Der Geheimdienst-Gigolo

Wie sich ein iranischer Agent als Jude ausgab und Kontakt zu persischstämmigen Israelinnen suchte

von Sabine Brandes  22.01.2022 22:56 Uhr

Spion im Netz: Der Schin Bet fordert, »jeden virtuellen ungewöhnlichen Kontaktversuch zu melden«. Foto: Getty Images

Wie sich ein iranischer Agent als Jude ausgab und Kontakt zu persischstämmigen Israelinnen suchte

von Sabine Brandes  22.01.2022 22:56 Uhr

Eine Zeichnung der Stadtverwaltung von Beit Schemesch, Fotos von Politikern in kompromittierenden Situationen, Sicherheitsmaßnahmen im Einkaufszentrum von Holon und Nacktfotos von einer der Damen, die er anheuerte. Diese und ähnlich »strategisch wichtige« Informationen soll ein iranischer Agent von persischstämmigen Jüdinnen in Israel verlangt haben. Das gab der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet bekannt.

Vier Frauen, eine von ihnen bereits eine Großmutter, und einem der Ehemänner wird vorgeworfen, zu einem israelischen Spionagering zu gehören, der dem Regime in Teheran Informationen zuspielte. An dessen Spitze: Rambod Namdar. So nannte er sich zumindest auf Facebook, wo er die Frauen kontaktierte. Er sieht nicht unsympathisch aus auf seinem Profilbild, dieser Rambod, der von sich behauptete, ein jüdischer Mann mit Wohnsitz im Iran zu sein.

Auf Rambods Wunsch wurden die Interaktionen nach der Kontaktaufnahme auf WhatsApp fortgesetzt. In Videochats vermied er es stets, sein Gesicht zu zeigen, und behauptete, seine Kamera funktioniere nicht. Dafür gab es genaue Anweisungen. Die Frauen hätten vermutetet, dass es sich bei dem Mann eigentlich um einen Geheimdienstagenten handelte, meint der Schin Bet. Einige von ihnen hielten den Kontakt dennoch aufrecht, übernahmen Aufgaben und wurden dafür bezahlt.

Anklage Mittlerweile sind die fünf festgenommen und angeklagt, unter anderem wegen des »Kontakts zu einem ausländischen Agenten«. Ihre Namen sind durch eine Nachrichtensperre von der Veröffentlichung ausgeschlossen. Da jedoch niemand der Verdächtigen Zugang zu bedeutendem Geheimmaterial hatte, gab es keinen Hinweis darauf, dass dieser Spionagering die nationale Sicherheit ernsthaft gefährdete, erklärten die Behörden. Der Fall offenbart jedoch eine potenzielle Schwachstelle, die der Iran in Zukunft nutzen könnte.

»Der Staat Israel befindet sich in einer laufenden Kampagne mit dem Iran. Es ist klar: Wir sehen endlose Bemühungen des Korps der iranischen Revolutionsgarden, israelische Bürger zu rekrutieren«, sagte Premierminister Naftali Bennett. »Diese Versuche gehen über Sicherheit und Geheimdienst heraus. Sie erweitern ihre Bemühungen, die israelische Gesellschaft zu beeinflussen, Zwietracht und Polarisierung zu säen und die Regierung zu schwächen.«

Er forderte die Bürger auf, diesen Versuchen gegenüber wachsam zu sein. »Und es darf keinen Zweifel darüber geben – der lange Arm des Verteidigungsapparates wird jeden erreichen, der versucht, Israels Sicherheit zu schaden.«

Verdächtige Zwei der Verdächtigen sind ein Ehepaar in den Vierzigern, die in Holon leben. Laut Schin Bet hatte die Frau, die als Radiomoderatorin arbeitete, mehrere Jahre lang Kontakt zu Namdar. Auf seine Anweisung hin habe sie unter anderem Fotos vom US-Konsulat in Tel Aviv und den Büros des Innenministeriums in Holon gemacht. Außerdem sandte sie Details über Sicherheitsvorkehrungen im Shopping-Mall ihrer Stadt. Ob Rambod dort einkaufen wollte, ist nicht bekannt.

Der Agent schickte nicht nur Geld, sondern versprach auch Liebe.

Andere Aufträge lehnte sie ab, darunter das Weiterleiten der E-Mail-Adresse des damaligen Premierministers Benjamin Netanjahu. Außerdem weigerte sie sich, Militärstützpunkte und andere bedeutende Orte zu fotografieren. Sie habe allerdings versucht, ihren Sohn davon zu überzeugen, sich beim Geheimdienst der Armee zu bewerben.

Während dieser Zeit habe Namdar sie angeblich mehrfach gebeten, Nacktfotos von sich selbst zu schicken. Das aber wollte sie nicht und sperrte stattdessen seine Nummer auf ihrem Telefon.

Ihr Mann wird beschuldigt, von der Verbindung gewusst und selbst mit dem iranischen Agenten gesprochen zu haben, obwohl er »vermutete, dass er eine Geheimdienstperson war«, schreibt der Schin Bet.

Massagesalon Eine andere Frau sollte Kunden in einem Massagesalon ausspionieren. Nachdem sie tatsächlich jemanden auf Video aufgenommen hatte, löschte sie die Aufnahme jedoch wieder. Laut Anklageschrift »wusste die Frau, dass Rambod für die iranischen Behörden arbeitete«, erklärte sich aber dennoch bereit, ihm zu helfen. Dafür erhielt sie angeblich 5000 Dollar durch einen Boten in der Türkei, wo sie hinreiste.

Die Untersuchung wirft zudem Licht auf das seltene und wenig diskutierte Phänomen, dass Juden aus dem Iran nach Israel reisen, um ihre Familienangehörigen zu besuchen. In einem Fall wurde eine solche Reise genutzt, um Gelder aus dem Iran nach Israel zu transportieren. Auf diese Weise seien die für Namdar arbeitenden Israelis bezahlen worden.

Denn eine weitere Verdächtige aus Kfar Saba bekam 1000 Dollar und Schmuck durch eine Angehörige, die aus Teheran zu Besuch war. Die Nichte warnte ihre Tante jedoch, »dass die betreffende Person der jüdischen Gemeinde in Teheran unbekannt sei«. Trotz ihrer Zweifel habe auch diese Angeklagte den Kontakt mit Rambod gehalten, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht nur Geld schickte, sondern auch Liebe versprach.

Treffen Die fünfte Verdächtige wollte der iranische Geheimdienst-Gigolo sogar persönlich treffen. Entweder in der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder dem Iran. Das jedoch sei ihr zu gefährlich gewesen. Der Schin Bet warnt, dass »der iranische Geheimdienst ständig versucht, Israelis über das Internet zu rekrutieren, um Informationen über das Land zu sammeln und sie ins Ausland zu ›locken‹, um ihnen Schaden zuzufügen«.

Wenn man über die stümperhaft scheinenden Spionage-Versuche auch schmunzeln mag, sind Rambod und Co. für den israelischen Geheimdienst alles andere als ein Witz. Der Schin Bet fordert, »jeden virtuellen ungewöhnlichen Kontaktversuch zu melden, insbesondere mit Personen, die sich als Iraner identifizieren«.

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