Hunderttausende von ultraorthodoxen Demonstranten brachten am Sonntag den Verkehr in Jerusalem vollständig zum Erliegen. Weder Busse noch Züge verkehrten, der zentrale Busbahnhof war geschlossen, die Straße Nummer eins, eine der Hauptverkehrsadern des Landes, gesperrt. Die Charedim brachten mit dem Massenauflauf ihren Unmut gegen die Einberufung von Jeschiwastudenten zum Ausdruck.
Der Beschluss, dass auch streng religiöse junge Männer in die Armee müssen und bei Verweigerung sogar kriminell verfolgt werden können, hatte die Wut der verschiedenen Gruppen zum Überkochen gebracht. Mit ihrer scharfen Kritik an der Regierung zeigten sich sogar die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft ungewöhnlich einig.
Spaltung Die Organisatoren sprechen von mehr als einer halben Million Demonstrierenden und betitelten den Protest als »Million Men Protest«, die Polizei jedoch zählte um die 300.000. In jedem Fall war die Demo eine der größten in der Geschichte Israels. Sprecher forderten die Protestierenden immer wieder auf, nicht zur Armee zu gehen, sondern die Einberufung zu ignorieren.
Knessetsprecher Juli Edelstein hatte vor Protestbeginn seine Sorge geäußert, dass das Gesetz zur gleichberechtigten Einberufung aller Israelis »eine Spaltung oder sogar einen Bürgerkrieg« heraufbeschwören könne. »Es gibt massive Spannungen zwischen den unterschiedlichen Segmenten der Gesellschaft, und ich sorge mich um die Einheit der Nation«, warnte Edelstein in der Knesset.
Friedlich Die Rabbiner, die zum Massenprotest aufriefen, hatten jedoch betont, dass er gewaltfrei bleiben würde. Und so war es tatsächlich. Zwar mussten die Einsatzkräfte zwei brennende Reifenbarrikaden löschen, doch sonst beließen es die Charedim bei der Verteilung von Flugblättern und beteten für eine Lösung.
3500 Polizisten hatten den ganzen Tag über für Ruhe gesorgt. Am frühen Abend schließlich lösten die Sicherheitskräfte die Demonstration auf und zerstreuten die Teilnehmer. Um 20 Uhr wurde der zentrale Busbahnhof geöffnet, und langsam begann der Verkehr wieder zu fließen.
Viele israelische Politiker hatten sich zuvor gegen die Demonstration ausgesprochen. Allen voran Finanzminister Yair Lapid, einer der vehementesten Verfechter der Gleichberechtigung beim Militärdienst. Doch auch der nationalreligiöse Wirtschaftsminister Naftali Bennett meinte, dass der Armeedienst keine bloße »Anordnung« sei, wie viele charedische Anführer es immer formulierten, »sondern eine große Mizwa«.