Lange haben sie geschwiegen. Jetzt aber machen sie ihrem Unmut Luft. Zehntausende Afrikaner gehen in diesen Tagen in Israel auf die Straße, um gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung zu protestieren. Am Sonntag und Montag erschienen die meisten von ihnen nicht bei der Arbeit, um sich an den Demonstrationen zu beteiligen. Auf dem Rabinplatz in Tel Aviv skandierten 20.000 Menschen »Ja zur Freiheit – Nein zum Gefängnis«.
Israel hatte vor Kurzem ein Gesetz geändert, das die Flüchtlinge betrifft. Nach der neuen Regelung können die Menschen nun für unbegrenzte Zeit ins Gefängnis gesteckt werden – ohne Angabe von Gründen oder ein Verfahren. Zusehends wurden Männer auf den Straßen von der Polizei aufgegriffen und in die Haftanstalten gebracht. Das offene Gefängnis Holot in der Negevwüste war eigens für Menschen aus den afrikanischen Ländern gebaut worden.
Gefängnisse Auf dem Podium rief Muatsam, einer der Protestanführer, am Sonntag: »Die Regierung gibt uns zwei Möglichkeiten: in unsere Heimat zurückzukehren oder ins offene Gefängnis zu gehen. Das ist aber nicht akzeptabel. Wir wollen, dass die Anstalten geschlossen, alle Afrikaner freigelassen werden und dass die Polizei aufhört, Leute festzunehmen. Prüft unsere Asylanträge ernsthaft!«
Am Montag versammelten sich vor dem Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks und mehreren Botschaften in Tel Aviv Tausende von Männern, Frauen und Kindern. Den Großteil der Demonstranten bilden Menschen aus Eritrea, dem Sudan und Äthiopien, die über die einst löchrige Grenze zu Ägypten nach Israel kamen. Mittlerweile ist der Flüchtlingsstrom fast gänzlich versiegt, nachdem die Regierung die Verstärkung des Zauns zum Nachbarland im Süden veranlasst hatte. Doch Zehntausende Flüchtlinge leben noch in Israel.
Legal »To be black is not a crime« ist auf vielen Plakaten zu lesen: »Schwarz zu sein ist keine Straftat«. Mit Slogans wie diesem wollen sie vor allem auf die Ungerechtigkeit aufmerksam machen, dass viele sofort nach ihrer Ankunft in Gefängnisse gesteckt wurden und dort noch immer ihr Dasein fristen. Ihr einziges Vergehen war die illegale Einwanderung. Auch das Verbot zu arbeiten, stößt vielen übel auf. »Wir wollen nicht kriminell werden«, heißt es immer wieder, »doch wovon sollen wir leben, wenn wir unser Geld nicht legal verdienen dürfen?«
Die Regierung in Jerusalem verfolgt seit Jahren eine Politik der Passivität in Bezug auf die Flüchtlinge. Ihre Anerkennung als Verfolgte wurde stets unter dem Vorwand abgelehnt, »dass dann bald ganz Afrika an unsere Türen klopft«. Die im Land lebenden Menschen fordern nun aber ihr Recht darauf, dass ihre Asylanträge ordnungsgemäß geprüft werden.
Demonstrationen finden vor allem in Tel Aviv und Eilat statt, wo der Großteil der Afrikaner in Cafés, Restaurants und Hotels arbeitet. Der Betrieb vieler Lokale wurde durch das Fernbleiben der Arbeiter empfindlich gestört. Doch statt Ärger drückten die meisten Betreiber Solidarität aus. Viele schlossen ihre Läden am Sonntag sogar gänzlich und hingen Schilder an ihre Türen und Fenster: »Wir protestieren gemeinsam mit unseren afrikanischen Angestellten gegen die Politik der Regierung«.