Die israelischen Einhörner galoppieren schon lange wie kaum andere durch die Hightech-Welt. Doch jetzt ist eines ganz weit nach vorn geprescht, und zwar das Cybersicherheits-Start-up Wiz. Es wurde in der vergangenen Woche für satte 32 Milliarden Dollar von Google gekauft.
Für kein anderes israelisches Unternehmen wurde jemals so viel Geld bezahlt – bis dato war die Übernahme von Mobileye, einem Pionier des autonomen Fahrens, für 15,3 Milliarden Dollar durch den Chiphersteller Intel im Jahr 2017 der Rekordhalter. Zugleich ist es der teuerste Einkauf des Tech-Giganten Google aller Zeiten und mehr als doppelt so viel, wie man 2012 für Motorola Mobility auf den Tisch gelegt hatte.
Bei den sogenannten Einhörnern handelt es sich nicht um magische Fabelwesen, sondern um Start-up-Firmen, die eine Milliarde oder mehr Dollar wert sind. Und die sind weltweit so selten, dass man sie eben mit Einhörnern vergleicht. Wiz wurde schnell zu einem. Dabei wurde das Unternehmen erst vor fünf Jahren von vier Israelis gegründet: Assaf Rappaport, 40, Yinon Costica, 41, Ami Luttwak, 40, und Roy Reznik, 35, allesamt ehemalige Angehörige der Eliteeinheit 8200 des israelischen Militärgeheimdienstes.
Ein Rekord nach dem anderen gebrochen
In dieser kurzen Zeit brach die Firma einen Rekord nach dem anderen: Innerhalb nur eines Jahres wurde es zum besagten Einhorn mit Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar. Innerhalb von 18 Monaten nach seiner Gründung verzeichnete das Unternehmen bereits einen Umsatz von 100 Millionen Dollar. Mittlerweile hat dieser die Halbe-Milliarde-Schranke übersprungen. Noch nie ist ein israelisches Unternehmen so schnell gewachsen.
Der Kauf wird in Israel als Zeichen der technologischen Leistungsfähigkeit und Resilienz während der schwierigen Kriegszeit gefeiert. »Sie erfüllen den Staat Israel mit großem Stolz«, gratulierte Staatspräsident Isaac Herzog den Gründern von Wiz. »Das ist eine unfassbare Leistung, die die israelische Kreativität, das enorme Potenzial unserer Hightech-Industrie sowie die Stärke der israelischen Wirtschaft und unsere Widerstandsfähigkeit als Nation unter Beweis stellt, und das in einem Jahr wie diesem.«
»Das sind unglaubliche Neuigkeiten für das Land, die weltweit für Aufsehen sorgen«, so Herzog weiter. »Ich bin Ihnen, Ihrem Team und natürlich den Investoren, Unternehmern und Entwicklern zutiefst dankbar und ziehe meinen Hut vor Ihnen.«
Anlass zu Stolz
Mitbegründer Rappaport antwortete, dass der Deal in der Tat Anlass zu Stolz liefere. Auch sei dies Ausdruck des Vertrauens von Google in die israelischen Fähigkeiten und das selbst in schwierigen Zeiten. Nun beginne aber auch ein neues und aufregendes Kapitel. »Es ist ein Meilenstein auf dem Weg zu etwas viel Größerem. Israel hat so definitiv die Chance, sich als ein globales Zentrum für Cybersicherheit zu etablieren.«
Schon einmal hatten Google und Wiz Schlagzeilen gemacht. Damals allerdings wegen eines gescheiterten Deals. Im vergangenen Juli hatte das israelische Start-up eine 23-Milliarden-Dollar-Offerte von Googles Muttergesellschaft Alphabet in den Wind geschlagen. Die Übernahmeverhandlungen seien aber auch aufgrund kartellrechtlicher Hürden abgebrochen worden, hieß es seinerzeit. Damals hatte Wiz erklärt, es wolle ein unabhängiges Cybersicherheits-Unicorn bleiben und nicht von einem Tech-Giganten geschluckt werden.
»Das sind unglaubliche Neuigkeiten für das Land, die weltweit für Aufsehen sorgen.«
Präsident Isaac Herzog
Wenn die Kartellbehörden den Deal dann diesmal abgesegnet haben werden, soll Wiz dem Cloud-Geschäft von Google beitreten, aber unabhängig bleiben, heißt es. Das Unternehmen, dessen Cyber-Plattform darauf zugeschnitten ist, alle Anwendungen zu schützen, die Entwickler in der Cloud erstellen und betreiben, beschäftigt rund 1800 Mitarbeiter.
»Wiz und Google Cloud wollen beide, dass Sicherheit in der Cloud einfacher, smarter und zugänglicher wird, damit mehr Unternehmen Cloud und KI sicher nutzen können«, erklärt Rappaport. »Die Zugehörigkeit zu Google Cloud ist für uns ein echter Impulsgeber. So können wir unser Innovationstempo auf eine Art und Weise steigern, wie wir es als eigenständiges Unternehmen nie schaffen würden.«
Der erste Geldgeber, der in Wiz investierte, ist Shardul Shah. Auch er ist durch diese Entscheidung zum Superreichen geworden. Elf Prozent des Technologieunternehmens kaufte er damals. Heute ist seine Investition 3,5 Milliarden Dollar wert. Dabei ist Shah von dem unvorstellbaren Erfolg gar nicht einmal so überrascht, wie er in einem Interview mit »Yediot Acharonot« wissen ließ: »Eigentlich waren die Weichen schon von Anfang an gestellt. Über 23 Jahre hinweg haben die Gründer ihre Expertise aufgebaut und so auch viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gezeigt. So groß das Erstaunen über den Deal nun auch ist, in gewisser Weise war der Rekord vorhersehbar.«
»Unmögliches wird möglich«
Auch hätte Shah kein Geld lockergemacht, wenn die Gründer nicht auch von Anfang an großen Ehrgeiz gezeigt hätten. »Ich bin überzeugt, dass wir Ambitionen und den Glauben an uns selbst fördern müssen. Dann wird auch Unmögliches möglich.«
Selbst am Tag nach dem Deal wirkten die vier Gründer alles andere als abgehoben. So mietete Wiz tags darauf eine riesige elektrische Anzeigetafel an der viel befahrenen Kreuzung nahe der Azrieli-Türme in Tel Aviv. Darauf stand in hebräischen Buchstaben: »Es gibt nur einen wirklich wichtigen Deal« – und dazu auf Englisch der Slogan, der zur Befreiung der Geiseln aufruft: »Bring them home now!«