Am Freitag kocht bei Vicky Madmon die Luft. Während es aus den Kochtöpfen und Pfannen auf dem Herd verführerisch duftet, tönen orientalische Klänge durch das Haus. Vicky rührt in den Speisen, würzt, probiert und wiegt gleichzeitig die Hüften im Rhythmus. Voller Vorfreude bereitet sich die Gastgeberin auf den Abend vor. Doch es ist kein gewöhnliches Schabbatessen für die Familie. Die Frau aus Ein Karem kredenzt ein Mahl für Fremde, die heute zu ihr nach Hause kommen. Eine neue israelische Website macht es möglich.
»EatWith« lädt Israel-Touristen ein, bei und mit Einheimischen zu speisen. Dem Initiator der Seite, Guy Michlin, kam die Idee dazu nach einem (fast) misslungenen Urlaub. Während der Ferien vor zwei Jahren auf der griechischen Insel Kreta sei er zunächst auf jeden erdenklichen Touristen-Nepp hereingefallen, erzählt er. »Wir aßen in schlechten überteuerten Restaurants und waren nach einer Weile völlig frustriert.«
Eines Tages erinnerte er sich an einen Bekannten aus Kreta, den er eine Weile zuvor während einer Konferenz kennengelernt hatte. »Ich rief ihn an, und er schickte uns prompt zum Abendessen zu seiner Familie. Damit fing unser Urlaub richtig an. Wir saßen stundenlang mit den Einheimischen beisammen, sprachen über Gott und die Welt und genossen köstlichstes hausgemachtes Essen. Dieser Abend war wie ein Fenster zur Welt der Insulaner – und das schönste Erlebnis des gesamten Urlaubs.«
Start-up Zurück in Israel wollte Michlin, der eigentlich Rechtsanwalt ist, gleich Tatsachen schaffen. Gemeinsam mit seinem Partner Shemer Schwartz rief er eine Plattform ins Leben, auf der sich Israelbesucher mit Einheimischen treffen können. Dann traten die beiden dem Start-up-Förderungszentrum Genesis bei und schlossen den Lehrgang mit Bravour ab.
»Anschließend ging es Schlag auf Schlag«, so der Gründer. Anfangs traten sie lediglich bei Facebook auf, um Feedback zu sammeln, seit Februar ist die Website www.eatwith.com aktiv und bietet neben Abendessen in Israel auch Schlemmen in Barcelona, Paris, London, Brasilien und New York an. Neuerdings öffnen auch Gastgeber aus Berlin ihre Türen für hungrige Urlauber. Bis Ende August sollen zehn Städte weltweit angeboten werden.
Innerhalb weniger Monate nach der Gründung trudelten Hunderte von Anfragen bei den Machern ein. Menschen aus dem ganzen Land wollten ihre Gastfreundschaft unter Beweis stellen und Fremde an ihre Tafel locken. Für Israel ist das Angebot heute so vielfältig wie die kunterbunte Bevölkerung des Nahoststaates: David, ein Neueinwanderer aus Spanien, verwöhnt seine Gäste regelmäßig mit einer riesigen Paella. Eine ultraorthodoxe Hausfrau aus Jerusalem bietet Challa-Workshops in ihrer 40 Quadratmeter kleinen Wohnung an, während ein Dutzend Kinder um sie herumtobt. Veganer zeigen in Galiläa, wie vielfältig die Küche ohne tierische Produkte sein kann.
Verwöhnen »Wir bekommen fast ausschließlich positive Resonanz – von beiden Gruppen« sagt Michlin. »Den Reisenden gefällt die Möglichkeit, ihren Urlaub mit einer besonderen Note zu versehen und etwas Unbekanntes zu wagen. Den Gastgebern macht es Spaß, ihre Künste unter Beweis zu stellen und Menschen zu verwöhnen.« Der Gründer ist von seinem Konzept überzeugt: »Essen verbindet einfach auf ganz besondere Weise.«
Dabei darf sich nicht jeder, der sich bewirbt, die »EatWith«-Schürze anziehen. »Wir treffen jeden Einzelnen persönlich, bevor wir ihn in unsere Seite aufnehmen, testen den Ort, das Essen und die Gastfreundschaft.« So werde sichergestellt, dass das kulinarische Erlebnis auf lokaler Ebene nicht nur ein schmackhaftes, sondern auch ein sicheres, vertrauenswürdiges und faires Angebot sei.
Die Anmeldung ist denkbar einfach. Ähnlich einer Hotel- oder Flugbuchung im Internet sucht man sich das Passende aus dem Angebot von EatWith aus und bucht es direkt online. Ganz nach Terminplan, Geschmacksvorlieben, Lust und Laune. Gleichzeitig sieht man, wer sonst noch am Essen teilnimmt und wie bereits Dagewesene den Gastgeber beurteilen. Auf einer Skala von eins bis fünf liegt die durchschnittliche Bewertung bei 4,7. Die Preise rangieren von etwa 14 Euro für einen »lockeren Abend in Tel Aviv bei Freunden« bis zu mehr als 80 für ein Gourmetessen von einem japanischen Chefkoch.
aufgeschlossen David hatte kürzlich eine Gruppe von deutschen Studenten bei sich zu Hause. »Wir haben geschlemmt, uns bis ein Uhr morgens über alle möglichen Sachen unterhalten und viel gelacht. Es war ein Abend wie mit guten Freunden. Einfach klasse.«
Michlin weiß: »Was wir veranstalten, ist mehr als nur ein bloßes Essen. Sowohl Besucher als auch Teilnehmer sind meist aufgeschlossene Leute, begierig, etwas Neues zu erleben und zu lernen. Wirklich viele sagen: ›Das war der schönste Tag meines Urlaubs.‹ Keine Frage, dass beide Seiten jede Menge von so einem Abend mitnehmen.«
Das findet auch Vicky. Sie ist begeistert von der Initiative: Auf diese Weise könnten Israelis ihre gastfreundliche Seite zeigen, kulinarisches Talent beweisen und Menschen aus aller Welt begeistern, findet sie. Gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Sharon Madmon tischt sie original jemenitische Küche auf. »Und es ist immer wieder wundervoll, in die Gesichter meiner Gäste zu blicken, wenn sie zum ersten Mal etwas völlig Neues probieren.«
www.eatwith.com