Als Martin Schulz 2014 als Präsident des Europäischen Parlaments vor der Knesset sprach, löste er einen Eklat aus. »Ich bin sicher, dass militärische Macht Ruhe erzwingen kann, aber sie schafft keinen Frieden«, hatte Schulz den israelischen Parlamentariern zugerufen – und sich damit in Brüssel verbreitete Kritik an der Blockade des Gazastreifens sowie an der Wasserversorgung der Palästinenser durch Israel zu eigen gemacht. Er lobte vor den israelischen Abgeordneten noch die angeblich »beeindruckende Politik der Gewaltfreiheit« von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Mit seinen Aussagen löste Schulz Tumulte aus, einige rechtsgerichtete Knesset-Abgeordnete verließen während seiner auf Deutsch gehaltenen Rede aus Protest den Plenarsaal.
BAND Acht Jahre später trat mit der Christdemokratin Roberta Metsola nun erneut eine Präsidentin der direkt gewählten EU-Volksvertretung vor die Knesset. Und auch während ihrer Rede wurden wütende Zwischenrufe im Protokoll festgehalten. Einen größeren »Walkout« provozierte Metsola aber nicht.
Und die Malteserin ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Dies ist mein erster Besuch [in Israel] - es wird nicht mein letzter sein«, sagte Metsola gleich zu Beginn ihrer Ansprache. Europa und Israel verbinde »ein Band, dessen Stärke in der Offenheit, der Ehrlichkeit, der Geradlinigkeit - auch der Kritik – liegt.« Es handele sich um »ein Band, das den Test der Zeit überdauert hat und überdauern wird«, fügte sie hinzu.
Die erst im Januar gewählte Parlamentspräsidentin betonte: »Antisemitisch zu sein, heißt, antieuropäisch zu sein«. Das Europäische Parlament sei sich seiner Verantwortung im Kampf gegen den Antisemitismus und auch im Hinblick auf die Schoa bewusst.
»Die erste Präsidentin unseres Parlaments, Simone Veil - mit der [eintätowierten] Nummer 7-8-6-5-1 - hatte das Grauen und das Böse von Auschwitz überlebt und das Gesicht Europas verändert. Unsere Verpflichtung ist daher nicht nur institutionell, sondern persönlich«, sagte Metsola.
Das gelte auch für Israel. »Lassen Sie es mich klar sagen: Europa wird immer hinter dem Existenzrecht Israels stehen.« Sie zitierte den ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy mit den Worten: »Israel wurde nicht geschaffen, um zu verschwinden - Israel wird fortbestehen und gedeihen. Es ist das Kind der Hoffnung und die Heimat der Tapferen«.
ZWEISTAATENLÖSUNG Frieden in Nahost sei möglich, betonte Metsola, Europa sei dafür das Beispiel. »Frieden ist nicht einfach. Er muss bedeuten, mit den Unterschieden in gegenseitiger Achtung zu leben, die das Zusammenleben erfordert. Er muss Gerechtigkeit bedeuten. Er muss Chancengleichheit bedeuten. Er muss Eltern bedeuten, die eine Zukunft für ihre Kinder sehen können«, fügte sie hinzu. Diejenigen, die Gewalt predigten, hätten keine Antworten.
Wie Martin Schulz 2014 setzte sich Roberta Metsola in der Knesset auch für einen Nahostfrieden auf Basis der Zweistaatenlösung ein. Sie schlug dabei jedoch einen etwas diplomatischeren Ton an als ihr Vorgänger. »Ich weiß, dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind. Und ich weiß, dass es in diesem Prozess mehrere Fehlstarts gegeben hat. Ich weiß, dass nicht jeder den Frieden als Ziel ansieht. Und ich weiß, wie schwer es sein muss, einer Mutter, deren Kind getötet wurde, zu sagen, dass Frieden die Antwort ist. Und es gibt zu viele solcher Mütter. Viel zu viele. Aber Frieden ist der einzige Weg nach vorn, der einzige Weg für Israelis und Palästinenser, in Sicherheit und Wohlstand zu leben.«
WIDERSPRUCH Gerade die Abraham-Abkommen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten hätten bewiesen, dass »sich Geschichte nicht immer wiederholen muss und dass der Kreislauf tatsächlich durchbrochen werden kann.« Man könne »das Unmögliche gemeinsam schaffen«, das habe die Geschichte Europas ebenso gezeigt wie das »Beharrungsvermögen Israels«.
Metsola ging auch auf den russischen Krieg in der Ukraine und die Maßnahmen der Europäischen Union gegen Moskau ein. »Die internationale Gemeinschaft muss standhaft und geschlossen dafür sorgen, dass die Sanktionen gegen Russland wirksam sind und keine Schlupflöcher ausgenutzt werden«, sagte sie – und provozierte damit den lautstarken Widerspruch einiger Abgeordneter.
Knesset-Präsident Mickey Levy forderte seine Amtskollegin auf, doch bitte fortzufahren. Mit ausgebreiteten Armen fügte er, halb als Entschuldigung, hinzu: »Das ist das israelische Parlament…« Metsola antwortete spontan: »Das ist Demokratie«. Am Ende erhoben sich die meisten Knesset-Abgeordneten dann doch von ihren Plätzen und spendeten Metsola reichlich Applaus.
EINREISEVERBOT Überschattet wurde ihr Besuch in Israel jedoch von einem Streit über die abgesagte Reise einer Gruppe von Euro-Parlamentariern. Die israelischen Behörden hatten am Sonntag dem spanischen Linken-Abgeordneten Manu Pineda, der mit einer Delegation von Abgeordneten die Palästinensergebiete besuchen wollte, die Einreise nach Israel verweigert. Daraufhin sagte die gesamte 18-köpfige Delegation des Europaparlaments die Mission ab. Auf Twitter warf Pineda der Regierung in Jerusalem vor, die Arbeit der Europaabgeordneten zu blockieren.
Laut »Jerusalem Post« hatte der Spanier in der Vergangenheit im Gazastreifen für eine Organisation gearbeitet, die sich für einen Boykott Israels einsetzte. Außerdem habe er den Chef der Hamas, Ismail Hanija, getroffen. Die Europäische Union stuft die islamistische Gruppe, die seit 2007 die Macht in der Küstenenklave hat, als Terrororganisation ein.
Metsola hatte angekündigt, bei den zuständigen Behörden das Einreiseverbot gegen Pineda zu thematisieren. Vor der Knesset sprach sie den Vorfall aber nicht an.