Es wäre ein Tag ganz nach David Ben Gurions Geschmack gewesen: politisch hochaktuelle Reden mit viel Zündstoff, die Eröffnung seines renovierten Wohnhauses und als Krönung auch noch ein ordentlicher Regenschauer – ein seltenes Ereignis im Wüstendorf Sde Boker, das zur Wahlheimat von Ben Gurion und seiner Ehefrau Paula geworden war. In dieser Woche jährt sich sein Todestag zum 41. Mal.
Für das Berliner Geschwisterpaar Sruel Prajs und Norma Drimmer markierte dieser Gedenktag zudem den glanzvollen Abschluss eines großen Projekts: Dank ihrer Spende konnten das Wohnhaus von David und Paula Ben Gurion renoviert und mehrere Ausstellungsräume technisch auf den neuesten Stand gebracht werden.
Interaktive, virtuelle Touchscreens auf Tischen und Wänden lassen Besucher jetzt beispielsweise in die Post an Israels ersten Ministerpräsidenten blicken, und ein animierter Film beschreibt den Lebenslauf von Ben Gurion und erklärt, welche Charaktereigenschaften eine Führungspersönlichkeit braucht, um standhaft auch vom Volk kritisierte Entscheidungen zu treffen, sofern sie gut für das Land sind.
Fortschritt Das Beispiel im Film sind die Reparationszahlungen aus Deutschland, gegen die viele Israelis protestierten, die von Ben Gurion aber befürwortet wurden. Allgemeiner Konsens in der deutschen Besuchergruppe, die für Sruel Prajs und Norma Drimmer von der Organisation Keren Hayesod zusammengestellt wurde: Ben Gurion wäre begeistert. Technischer Fortschritt in Sde Boker und ein florierendes Leben in der Negevwüste waren stets im Sinne des charismatischen Politikers.
»Die Finanzierung war eine sehr spontane Entscheidung, die mein Bruder und ich gerne getroffen haben«, erklärte Norma Drimmer. Das Ergebnis gefalle ihr außerordentlich gut. Dabei ist der Name der beiden Spender nicht zum ersten Mal in Sde Boker verewigt. Bereits vor 15 Jahren unterstützten die Berliner das Wüstendorf mit einer Geldsumme. »Wir haben den gleichen Hintergrund, sowohl die Eltern von David Ben Gurion als auch unsere Eltern sind polnische Juden«, erklärte Sruel Prajs in seiner Rede vor Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinen deutschen Gästen.
reden Netanjahu verknüpfte seine kurze, private Rede mit einem aktuellen Dank an die Sicherheitsleute, die geplante Anschläge auf das Jerusalemer Teddy-Stadion verhindern konnten. Die vereitelte Tat war am Morgen bekannt geworden.
Anschließend hob Netanjahu die Bedeutung der Spende von Drimmer und Prajs hervor. »Da, wo wir jetzt sitzen, saß Ben Gurion vor seiner Hütte«, sagte er und fügte hinzu: »Ben Gurion hat den Weg gepflastert, und wir gehen ihn weiter.« Auch die positive wirtschaftliche Entwicklung der Wüstenstädte Beer Sheva und Dimona sei ganz im Sinne des ersten Ministerpräsidenten.
Schlagabtausch So entspannt wie beim Auftakt zum Jahrestag ging es für Netanjahu anschließend allerdings nicht weiter: Der offizielle Teil der Gedenkveranstaltung, an der auch Staatspräsident Reuven Rivlin, sein Vorgänger Schimon Peres und mehrere Familienmitglieder Ben Gurions teilnahmen, wurde zur Bühne für einen verbalen Schlagabtausch rund um den heiß diskutierten Entwurf zum jüdischen Nationalstaatsgesetz.
Schimon Peres, nunmehr weitgehend befreit von diplomatischen Zwängen, machte seine Meinung unmissverständlich klar: »Das Gesetz hat nichts mit Frieden und Demokratie zu tun und wird die Spannungen weiter anheizen.« Man könne sich jetzt entscheiden, ob ein kleineres jüdisches Land oder ein größeres, nicht rein jüdisches Land gewünscht werde.
Damit stach der ehemalige Staatschef in ein Wespennest: Der Gesetzesentwurf soll Israels Charakter als jüdischer Staat stärken, und Netanjahu ist auf Unterstützung rechter Parteien in der Knesset angewiesen. Präsident Reuven Rivlin hatte nur zwei Tage zuvor in Eilat gesagt: »Die Unabhängigkeitserklärung zielte von Anfang an darauf ab, dass sich die arabische Bevölkerung in Israel nicht wie Diasporajuden fühlt.«
In Sde Boker betonte Rivlin die untrennbare Verknüpfung zwischen den Komponenten »jüdisch« und »demokratisch«. »Diese beiden Begriffe dürfen nicht getrennt werden, und ein solches Nationalstaatsgesetz könnte eine Spaltung zwischen dem jüdischen und demokratischen Staatscharakter provozieren.« Netanjahu hingegen hob die Parallelen zu David Ben Gurions Vision hervor: »Ben Gurion wollte einen starken Staat, der sich selbst verteidigen kann, ohne auf andere angewiesen zu sein«, so der Ministerpräsident vor der Kranzniederlegung.
Wüstenboden So wurde die Gedenkveranstaltung zu Ben Gurions 41. Todestag zur politischen Schaubühne auf dem Wüstenboden, während sich der Himmel auf spektakuläre Weise zuzog und so manchen Blick nach oben lenkte.
Doch das seltene Naturschauspiel wartete bis zum Ende des offiziellen Reden und der Abreise der geladenen Gäste. Dann begann es, in der Wüste zu regnen, und man konnte sich den Gedanken kaum verkneifen, dass David Ben Gurion verschmitzt mit verschränkten Armen nach oben gesehen, sich dann ein Buch aus den vielen Regalen in seinem Haus genommen und gedacht hätte, dass er in der Wüste genau am richtigen Ort ist.