Sie dösen in der flirrenden Sonne, die Ärmel haben sie hochgekrempelt, manchmal nicken sie ganz ein. Sie wissen, dass hier in der nächsten Zeit nichts geht, also immer mit der Ruhe. Die Fahrer der acht schweren Lkw schauen unbeteiligt gen Horizont. Sie warten. Und warten. Und warten. Geladen haben sie Hilfsgüter aus den Bäuchen der »Flottille«, die eigentlich in den Gazastreifen sollen. Und zwar sofort. Mittlerweile aber stecken die Brummis schon seit vorletztem Dienstag am Grenzübergang Keren Schalom fest. Denn die Hamas lässt die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung nicht in den Gazastreifen. Aus Prinzip.
Mehr als zwei Schiffe sind nach Angaben der israelischen Behörden entladen, 45 Laster bepackt worden. »Doch die meisten Güter gehen jetzt gleich in die Lagerhäuser in der Nähe der Stadt Ramla. Weil wir wissen, dass die Hamas nichts reinlässt«, erklärt Militärsprecher Guy Inbar. Die acht wartenden Lkw seien voll mit Nahrungsmitteln, Medizin, Rollstühlen und Kinderspielzeug. »Alles, was die Bevölkerung angeblich so dringend braucht«, so der Sprecher. »Doch bislang wird überhaupt nichts angenommen, was mit den Schiffen gekommen ist.« Der Grund sei nach Inbars Auskunft vage. »Sie sagen, sie wollen alles oder nichts.« Was wahrscheinlich so viel heißen soll wie ein Ende der Blockade. Nach Meinung Inbars sei dieses Verhalten unsinnig, wenn es um humanitäre Hilfe gehe. »Immer wieder wird betont, wie sehr die Menschen dort leiden. Wie kann es dann sein, dass Dinge, die ihnen helfen würden, abgelehnt werden? Dafür waren die Waren in den Schiffen doch gedacht. Es hat einfach keinen Sinn.«
Baumaterial Die Schiffe hatten auch Tonnen von Zement geladen. Israel erlaubt Zement- und Stahllieferungen in den von der Hamas kontrollierten schmalen Streifen am Mittelmeer nur unter bestimmten Umständen, »weil diese für militärische Bauten benutzt werden könnten«, so die offizielle Erklärung. Inbar erläutert jedoch, dass Baumaterialien und auch Zement sehr wohl in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft und der Palästinensischen Autonomiebehörde für spezielle humanitäre Projekte hineingelassen werden. »Zum Beispiel für 151 Wohnungseinheiten in Rafah im vergangenen Monat.« Derzeit gäbe es zehn internationale Projekte, an denen gearbeitet wird. »Wenn wir wissen, dass Zement für Projekte benutzt wird, die genehmigt sind, werden wir sofort hinschicken.«
Blockade Nach dem blutigen Zusammenstoß auf der »Mavi Marmara« ist Israel unter internationalen Druck geraten, die seit drei Jahren bestehende Blockade zu lockern oder ganz aufzuheben. Langsam scheint die Regierung in Jerusalem nachzugeben: Seit vergangener Woche wird nun eine größere Auswahl an Lebensmitteln nach Gaza gelassen, darunter Kartoffelchips, Kekse, Obst in Dosen, Marmelade und abgepackter Hummus. Außerdem sind mehr Softdrinks und Säfte dabei. »Sie schicken die Vorspeise. Wir warten aber auf den Hauptgang«, sagte der palästinensische Wirtschaftsminister Hassan Abu Libdeh in Ramallah. »Wir wollen, dass diese ungerechte Belagerung endet.« Bislang ist nicht klar, ob die Hamas die umfassenderen Lieferungen der Lebensmittel erlauben wird. Ein Sprecher sagte, dass sie stattdessen Rohstoffe verlangten, mit denen sie ihre eigenen Waren produzieren können. Sie wollten keine israelischen.
Die Liste der erlaubten Waren ist nach wie vor nicht besonders umfangreich. Viele Dinge des täglichen Lebens erhalten die Palästinenser aus Ägypten, das sie durch unterirdische Tunnel erreichen. Doch Woche für Woche rollt ein riesiger Tross aus Hunderten von israelischen Lastwagen voller humanitärer Güter über die Grenzübergänge Karni und Keren Schalom. Rund 15.000 Tonnen schickt Jerusalem damit wöchentlich an die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen. In der letzten Woche waren 994.000 Liter Benzin für das Kraftwerk dabei, 748 Tonnen Kochöl, acht Lkw-Ladungen Medizin und medizinisches Gerät, 41 Lkw-Ladungen mit frischem Obst und Gemüse, 35 mit Milchprodukten sowie 31 mit Fleisch und Fisch, 26 Ladungen Zucker, 39 Ladungen Kleidung sowie Schuhe und anderes.
Verbote Immer wieder wird Israel dafür kritisiert, dass es gewisse Dinge, wie Papier oder Spielwaren, nicht zu palästinensischen Kindern lässt. Die Behörden jedoch haben nie eine Liste mit verbannten Gütern veröffentlicht. Offiziell heißt die Begründung, dass es nicht darauf ankomme, um was für eine Ware es sich handle – so sie nicht eindeutig militärischen Zwe-cken dient, sondern woher sie stammt. Wenn also Lieferungen aus Ländern kommen, zu denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält, könnte die Weiterleitung verweigert werden.
Die Güter der Gaza-Flottille sollen alle rein. Doch aus Inbars Stimme klingt Frus-tration: »Wir haben bislang von keiner internationalen Organisation gehört, was mit den Gütern aus den Schiffen geschehen soll, obwohl wir diverse Male angefragt haben. Alles lagert in den Lagenhäusern: Lebensmittel, Spielzeug, Kleidung, Medikamente, medizinisches Gerät, Rollstühle.« Die Organisationen sagen, sie warten auf eine Antwort aus der Türkei, doch die wiederum betont, die Flotille sei eine private Veranstaltung und keine Regierungsaktion gewesen. Der türkische Botschafter hat klargemacht, dass die Regierung nichts damit zu tun habe. »Einer wartet auf den anderen, und es passiert gar nichts.«