Die Regierungsbildung für die 25. Knesset hat offiziell begonnen. Präsident Isaac Herzog beginnt am Mittwoch die Gespräche mit Mitgliedern aller Fraktionen in seiner Residenz in Jerusalem. Jede Partei schlägt dabei dem Präsidenten vor, welchen Parteivorsitzenden sie für die Regierungsbildung empfiehlt - oder enthält sich.
BLOCK Stärkste Partei ist der konservative Likud von Ex-Premier Benjamin Netanjahu. Sein rechts-religiöser Block hat mit 64 Mandaten die Mehrheit in der Knesset. Dazu gehören das rechtsextreme Bündnis Religiöser Zionismus sowie die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum.
Die Zentrumspartei Jesch Atid von Noch-Premier Yair Lapid wurde zweitstärkste Kraft mit 24 Sitzen. Unter den Mitte-Links-Parteien wird erwartet, dass die Vorsitzende der Awoda, Meirav Michaeli, Lapid für den Posten des Premierministers vorschlägt. Angeblich wollen die Chefs der Nationalen Einheit, Benny Gantz, und Israel Beiteinu, Avigdor Lieberman, davon absehen, einen Kandidaten zu nennen. Auch die arabischen Parteien Raam und Hadash-Taal haben nicht vor, jemanden vorzuschlagen, heißt es.
Der rechtsradikale Bezalel Smotrich will das Finanz- oder Verteidigungsministerium übernehmen.
Gleichzeitig hat das Geschacher um die Posten in einer potenziellen Koalition begonnen. Die Vertreter des rechts-religiösen Blocks treffen sich schon seit Tagen und diskutieren mögliche Besetzungen. Israelischen Medienberichten zufolge würden derzeit sowohl der rechtsextreme Bezalel Smotrich als auch der Schas-Vorsitzende Arieh Deri das Ressort Finanzen beanspruchen.
Angeblich habe Smotrich gesagt, er sei bereit, von seinem Wunsch abzusehen, wenn er stattdessen das Verteidigungsministerium erhält. Netanjahu hatte aber bereits vor der Wahl angekündigt, dass der Likud diese Ministerien besetzen werde.
ZUGESTÄNDNISSE Präsident Herzog appellierte unterdessen an die Mandatsträger: »Trotz einer lebendigen politischen Debatte, trotz Siegen und Entscheidungen, trotz der Weigerung, weltanschauliche Zugeständnisse zu machen, ist es absolut untersagt, auf unser Miteinander zu verzichten.«
Er sprach auch den Versuch an, ihn in politische Kämpfe um die Regierungsbildung hineinzuziehen. Israelische Medien hatten am Vortag berichtet, dass der Präsident angeblich eine Einheitsregierung zwischen Netanjahu, Lapid und Gantz empfohlen habe. »Das Wahlergebnis ist eindeutig, und wir alle müssen es respektieren. Es ist kein Geheimnis, dass ich immer an die Einheit geglaubt habe und noch immer daran glaube. Aber im Gegensatz zu Berichten habe ich nicht daran gearbeitet, die Bildung einer bestimmten Regierung voranzutreiben.«
»Jetzt, am ›Tag danach‹, ist es Zeit für gemeinsame Verantwortung.«
Präsident isaac Herzog
Er beabsichtige, den Konsultationsprozess bis Freitag abzuschließen, und will am kommenden Sonntag die Aufgabe übertragen, eine Regierung zu bilden. Derjenige, der diese Aufgabe erhält, hat dann 28 Tage Zeit, um eine regierungsfähige Koalition in Jerusalem auf die Beine zu stellen.
GESELLSCHAFT Herzog dankte dem Wahlausschuss für die Übergabe der Endergebnisse. »Bei den Wahlen zur 25. Knesset am 1. November haben fast fünf Millionen Bürger ihre Stimme abgegeben. Das ist eine sehr beeindruckende Zahl! Über 70 Prozent der Wahlberechtigten aus allen Bereichen der Gesellschaft und der Gemeinschaften, Araber und Juden, Drusen, Christen, Tscherkessen, im Inland geborene Israelis und Immigranten, Säkulare, Charedim und Traditionalisten haben Verantwortung übernommen und sich an dem demokratischen Prozess beteiligt.«
Dann wandte er sich an die Bürger Israels: »Jetzt, am ›Tag danach‹, mit dem Erhalt der endgültigen Ergebnisse der Wahl, ist es Zeit für gemeinsame Verantwortung. Die Verantwortung, aufeinander achtzugeben, einen respektvollen Dialog zu führen – und für den Zusammenhalt.«