Stand-Up

»Comedy ist Tragödie plus Zeit«

Yohay Sponder hat in jungen Jahren angefangen, Comedy zu machen. Beeinflusst wurde er von Jerry Seinfeld, Chris Rock und seinem Vater. Foto: privat

Herr Sponder, wie gefallen Sie sich heute?
Ich mag mich sehr, ich liebe mich – ich habe ja auch keine Wahl. Wir sind ja die Letzten, die uns lieben, weil alle anderen uns im Stich gelassen haben. Das beweisen sie uns ja immer wieder. Wir sind auf uns allein gestellt, aber wissen Sie was? Das ist in Ordnung. Wir müssen uns nur einig sein und zusammenhalten. Nur dann können wir es schaffen.

Warum haben Sie sich entschieden, Ihr Stand-up-Programm »Self-Loving Jew« zu nennen?
Weil niemand an unserer Seite steht als wir selbst. Und damit gelingt es den Leuten, die uns hassen, ihrem Ziel, uns alle zu eliminieren, ein Stück näherzukommen. Das ist in der Vergangenheit schon so oft passiert. Und wenn wir nicht aufpassen und uns gegenseitig schützen, wird es wieder passieren. Wenn man uns nicht unterstützen möchte: Bitte, aber niemand soll ankommen und den Leuten sagen, dass wir die Bösen sind. Das Ding ist: Es geht doch bei der ganzen Sache nicht um Land oder Territorium oder so, sie wollen uns einfach umbringen. Es wird doch gar nicht über das Leben verhandelt.

Selbsthassende Juden, dieses Motiv wurde in den 30er-Jahren propagiert, helfen dabei nicht.
Wenn man ein sich selbst hassender Jude ist, dann unterstützt man im Grunde genommen die Ziele der ganzen Hater. Daher: Man muss sich selbst lieben. Glücklicherweise bin ich kein Politiker, sondern Stand-up-Comedian. Ich möchte die Menschen dazu inspirieren, sich selbst zu lieben, egal wer sie sind.

Ohne zu viel zu verraten: Worum geht es in Ihrem Programm?
Die Show ist meine jüdische Geschichte. Ich erzähle, wie ich dazu gekommen bin, das zu tun, was ich jetzt gerade mache. Ich spreche darüber, wie oft ich in den vergangenen 20 Jahren fast mit der Comedy aufgehört hätte und warum.

Sie posten einige Ihrer Shows auch ausschnittsweise in sozialen Medien. Erst kürzlich haben Sie einen Witz über den fast beendeten Krieg gegen Terroristen und die Huthis gemacht. Sie sagten sinngemäß: Es sei wie mit dem Hausputz, wenn man denkt, man sei fertig, und dann bemerkt man, dass man die Toilette noch putzen muss.
Und so viele haben den Satz falsch verstanden. Sie unterstellten mir, ich würde eine Art ethnische Säuberung meinen. Was ich nicht tat. Mann, es war ein Witz! Aber einige begreifen es nicht, rissen meinen Vergleich aus dem Zusammenhang und drehten einfach die Fakten um. Heutzutage ist es so leicht, jemandem Völkermord und Kolonialisierung zu unterstellen, aber was diese Leute komplett außer Acht lassen, ist, dass es auf dieser Welt wirkliche Völkermorde gibt, die sie null interessieren und über die sie kein Wort verlieren. Ich jedenfalls konzentriere mich darauf, Liebe zu verbreiten. Antisemiten kommen mit ihren eigenen Plänen. Das geht ja schon seit Tausenden von Jahren so. Wir sind leider sehr geübt darin, Antisemiten zu erkennen, noch bevor sie selbst es wissen.

Ihre Show Anfang Februar in Amsterdam wurde abgesagt. Passiert Ihnen das öfter?
Es ist das zweite Mal, seitdem der Krieg begonnen hat, dass eine Show gecancelt wurde.

Was genau war in Amsterdam los?
Wir haben den Flyer mit der israelischen Flagge und einem Bild darauf verteilt. Es zeigte mich, wie ich aus einer Kanone schieße – es war eine Karikatur, meine Güte. Komik ist unsere Waffe! Aber mehr Anstoß wurde an der israelischen Fahne genommen. Es hieß: »Wir können das nicht tun.« Aber ganz ehrlich: Das ist nichts, was mich aufhält. Das Ding ist: Es sind junge, teils auch gebildete Studenten, die sich als Teil einer Bewegung verstehen. Nur wissen sie viel zu wenig über den Nahen Osten. Sie haben einfach keine Ahnung. Das ist auch irgendwie lustig, denn wenn sie mal hier herkommen würden, würden sie erfahren, worüber sie nur reden. Und eines weiß ich jetzt schon: Sie werden sich so dumm fühlen. Sie gehen davon aus, dass nur sie die Palästinenser unterstützen, wissen aber nicht, dass es auch in Israel Menschen gibt, denen das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung nicht egal ist. Die jungen Leute wissen nicht, dass wir das iranische Volk – nicht das Regime! – unterstützen. Sie glauben lieber der Propaganda. Deshalb bin ich mir auch sehr sicher, dass sie nie zu einer unserer Shows kommen würden.

Schade eigentlich.
Sie könnten so viel mitnehmen! Ich spreche zum Beispiel davon, dass das jüdische Volk immer Frieden haben wollte – egal, wo es lebte, egal, wie oft wir aus unserer Heimat vertrieben wurden. Wir haben immer nach Lösungen gesucht und nach einem Leben in Koexistenz. Das ist in unserer Kultur seit Tausenden Jahren tief verankert. Das erste Wort, was Besucher meiner Show von mir hören, ist »Schalom« – »Frieden«. So begrüßen wir uns in Israel, so sagen wir Hallo. Und am heiligsten Tag der Woche sagen wir … na? Schabbat …?

… Schalom
Exakt.

Sie haben vorhin kurz über Iraner gesprochen. Bekommen Sie auch Kommentare von iranischen Fans?
Das iranische Volk – und ich sagte ja schon, dass ich damit nicht die Ajatollahs oder den radikalen Islam meine –, für mich sind das Perser und sie sind unsere Verbündeten. Ich erhalte viele persönliche Nachrichten in den sozialen Medien; ich folge ihnen, sie mir – und ich würde meine iranischen Fans gerne eines Tages treffen. Es passieren ja auch gute Sachen im Nahen Osten: Ich habe Bekannte im Libanon, in Jordanien, in Ägypten. Die Leute schreiben mir einfach und sagen, dass sie verstehen, was los ist. Denn eines ist klar: Es geht nicht um den Kampf zwischen Juden und Arabern. Und das dürfen wir auch nicht zulassen. Ich meine: Wir haben Religionsfreiheit in Israel, Redefreiheit, sexuelle Freiheit – jeder kann so sein, wie er ist. Es ist ein Kampf zwischen freien Menschen und Menschen, die nicht wollen, dass sie frei sind. Schaut euch mal um: In Palästina gibt es keine Frauenrechte, Homosexuelle haben dort keine Rechte. Klingelt es da nicht bei den jungen Leuten, verstehen sie, wer wofür steht? Klar kritisiere ich auch meine Regierung, ich sage nicht, dass alles, was wir machen, ganz großartig ist. Aber ich sage, dass man sich informieren muss, wenn es um Vorwürfe wie Völkermord geht.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das hören?
Es ist sehr beleidigend, wenn Leute das zu uns sagen. Ich gehöre zur dritten Generation von Schoa-Überlebenden. Wir haben bei jedem Pogrom, das bis zum Holocaust und währenddessen stattfand, so viele Menschen verloren. Am 7. Oktober 2023 kamen sie mit der Absicht, Menschen zu töten – egal wen. Es war ihnen egal, solange es Israelis auf der anderen Seite der Grenze waren. Sie haben einfach alle abgeschlachtet und niemand hat sie des Völkermordes beschuldigt. Wir müssen uns verteidigen. Wie kommt es, dass wir so viele Soldaten verlieren und so viele Menschen, die kämpfen? Wenn es ein Völkermord und ein Genozid ist, verliert man nicht das Leben eines Soldaten, richtig? Wir versuchen unser Bestes, um zu vermeiden, dass Unschuldige auf beiden Seiten ihr Leben verlieren. So sieht es aus. Mann, dieses Gespräch ist ja echt nicht lustig – leider.

Hm, da haben Sie recht. Okay, dann lassen Sie uns über Humor sprechen. Ganz platt gefragt: Haben Sie einen Lieblingswitz?
O ja, jede Menge! Ich will ja hier nicht allzu viel von meiner Show verraten. Comedy ist Tragöde plus Zeit – es kommt halt eben immer darauf an, wie viel Zeit man hat, gerade auch bei Witzen, die ein Tabu ansprechen. Witze über den Holocaust sind zum Beispiel ein Tabu. Es ist ein sehr großes Thema, ein sehr persönliches. Manchen Menschen hat Humor in den dunkelsten Zeiten geholfen. Er hat ihnen geholfen, den Kopf oben zu halten im Angesicht des Todes. Zu lachen ist wahrscheinlich das Jüdischste, was man überhaupt tun kann. Ich werde keine Witze über solche Dinge machen, aber besonders in Israel ist Humor absolut lebenswichtig. Wir verlieren unsere Freunde im Alter von 20 Jahren. So traurig ist das. Jeder kennt jemanden, der jung gestorben ist. Das gehört zu unserer Gesellschaft. Und unser Humor kommt daher, er ist schneller, direkter, vielleicht auch treffender.

Haben Sie humoristische Vorbilder?
Klar, Jerry Seinfeld, Chris Rock, Eddie Murphy, aber eigentlich besonders meinen Vater seligen Angedenkens. Er war Pole, meine Mutter ist Marokkanerin. Mein Vater gehörte zur zweiten Generation von Schoa-Überlebenden, und er hat früh beschlossen, dass sein Zuhause eines mit Humor und Spaß sein soll. Er selbst wuchs in einem tristen und abgeschotteten Zuhause auf. Das wollte er für seine Kinder nicht. Also wenn ich gefragt werde, ist es schon mein Vater – oder meine Frau.

Was ist an Ihrer Frau witzig?
Sie macht sich über alles Mögliche an mir lustig – sie bringt mich immer zum Lachen, und das macht mich glücklich. Übrigens empfehle ich das für eine gelungene Beziehung: das gemeinsame Lachen. Es ist gesund, es ist sexy – es ist alles, was man braucht.

Mit dem Tel Aviver Comedian sprach Katrin Richter.

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