Gräber

Comeback der Katakomben

Zu voll und zu teuer: der traditionelle Friedhof auf dem Ölberg Foto: Flash 90

Die Israelis können ein Lied davon singen: Die Immobilienpreise steigen und steigen. Wer in Tel Aviv oder Jerusalem eine Bleibe sucht, bekommt angesichts astronomischer Preise schnell die Krise. Zudem ist Wohnraum in den Ballungszentren äußerst knapp geworden. Rund 38 Prozent ihres Gehalts müssen die Bürger deshalb inzwischen für ein Dach über den Kopf im Durchschnitt aufbringen – Tendenz weiter steigend.

Aber nicht nur die Lebenden im jüdischen Staat werden mit diesen Problemen konfrontiert, auch die Toten leiden zunehmend unter Platzmangel und hohen Kosten für den Ort, an dem sie die Ewigkeit zu verbringen hoffen. Vor allem, wenn man in Jerusalem begraben werden möchte.

Wer nicht außerhalb der Heiligen Stadt beerdigt werden will, hat wenige Optionen. Der Sheikh-Badr-Friedhof nahe dem Sitz des Obersten Gerichts ist schon lange für »Neuaufnahmen« geschlossen. Ebenso der kleine Shaare-Zedek-Friedhof nahe dem gleichnamigen Krankenhaus. Und die Grabplätze auf dem Herzlberg sind ausschließlich für prominente Staatsmänner oder hochrangige Militärs reserviert.

Nekropole Bleiben also nur der bereits völlig überfüllte Sanhedria-Friedhof im Zentrum, was aber mit 20.000 Euro und mehr zu Buche schlagen kann. Oder der 3000 Jahre alte Friedhof auf dem Ölberg, wo es angesichts von schätzungsweise 150.000 bestatteten Personen ebenfalls reichlich eng zugeht und eine Beerdigung noch teurer ist. Für Normalsterbliche kommt daher allein der 1951 eröffnete und im Westen der Stadt gelegene Har Hamenuchot infrage – aber auch dort wird der Platz langsam knapp.

Genau deshalb kam die Kehilat Jeruschalajim, die größte auf dem Har Hamenuchot aktive Beerdigungsgesellschaft, auf eine Idee: Warum nicht eine unterirdische Nekropole bauen? »Dort gibt es unbegrenzt Platz. Das Land oben brauchen wir ja für die Lebenden und nicht für die Toten«, bringt es Hananya Schachar, ihr Direktor, auf den Punkt. Bereits seit über 25 Jahren rührt er die Werbetrommel für ein solches Projekt. »Schließlich gibt es die Probleme mit überfüllten Friedhöfen und explodierenden Bestattungskosten nicht erst seit gestern.«

Auch waren Katakomben in Jerusalem bereits einmal vor über 2000 Jahren üblich. In der Zeit des Zweiten Tempels ließen sich dort vor allem Angehörige der gesellschaftlichen Eliten eine Grabstätte errichten. Nun erlebt dieses Konzept ein Comeback. »Weil nur auf diese Weise auch in Zukunft die schwierige Balance zwischen Wirtschaftlichkeit, Platzbedarf und Pietät gewährleistet werden kann«, glaubt Schachar. »Außerdem besitzen wir heute das richtige Equipment zum Bohren der Tunnel und das Know-how, um einen unterirdischen Friedhof zu einem vernünftigen Preis bauen zu können.«

baubeginn Knapp 50 Millionen Euro soll der erste seiner Art in der Neuzeit kosten. Baubeginn war im vergangenen Jahr. Finanziert wird das Ganze ausschließlich aus privaten Mitteln. Und zwar mehrheitlich von Juden aus dem Ausland, die sich bereits zu Lebzeiten eine Grabstätte in Eretz Israel sichern wollen.

Für Israelis kommt im Regelfall Bituach Leumi, die staatliche Versicherung, für die Kosten der Beerdigung auf. »Aber der Grabstein, die rituelle Waschung und der Rabbi müssen aus eigener Tasche bezahlt werden.« Wer aus dem Ausland stammt, muss dagegen den vollen Preis aufbringen. Im Durchschnitt sind das für den Transport und alles weitere rund 10.000 Euro.

50 Meter unter der Erdoberfläche wurden erste Tunnel in das Gestein gefräst. Alles ist Hightech vom Feinsten; die aus Österreich stammenden Bohrer arbeiten elektrisch und mithilfe von Lasern auf den Zentimeter genau. »Die Zukunft liegt unter der Erde«, erklärt denn auch Schachar. »Wenn der erste Bauabschnitt fertiggestellt ist, werden wir Platz für 22.000 Gräber haben.« Knapp 5,8 Hektar Fläche werden dafür benötigt. Auf 1000 Quadratmeter kommen etwa 1250 Grabstätten. Auf konventionellen Friedhöfen sind nur 320 möglich. In sechs Jahren soll alles fertig sein.

Ebenen »Wir schaffen diese Zahl, weil wir die Fläche optimal ausnutzen.« Konkret heißt das: Es wird in die Höhe gebaut, sodass die Toten auf mehreren Ebenen bestattet werden. »Und wer die letzte Ruhestätte seiner Angehörigen besuchen will, kann das über einen der drei Aufzüge machen, die bis zu 90 Personen gleichzeitig transportieren können.«

Fünf Zugänge soll die Anlage haben, damit kein Gedränge herrscht. Für die richtige Atmosphäre sorgt dann gedämpftes Licht. Zudem werden die Steine der Außenwände aufwendig aufgearbeitet. Ein weiterer Vorteil der unterirdischen Anlage: Alles ist schön trocken und kühl. Der Gang auf den Friedhof muss nicht, wie so oft in Israel, aufgrund der Hitze eine schweißtreibende Angelegenheit werden. Und wenn alle Plätze belegt sind? »Dann erschließen wir darunter eben ein weiteres Gräberfeld.«

Geiselbefreiung

Omer, Tal, Eliya, Omer, Avera und Hisham sind frei!

Sechs israelische Männer wurden am Samstagmorgen aus der Gefangenschaft der Hamas in Gaza freigelassen

von Sabine Brandes  22.02.2025

Abkommen

Dies sind die sechs freigelassenen Geiseln

Tal Shoham, Omer Wenkert, Omer Shem Tov, Eliya Cohen, Avera Mengistu und Hisham al-Sayed sind in Freiheit

von Sabine Brandes  22.02.2025

Geiseldeal

Leichnam von Shiri Bibas nach Israel überstellt

Nachdem die Hamas erst einen anderen Leichnam übergeben hatte, überstellte sie am Freitag die Leiche von Shiri Bibas. Ihre Identität wurde von Forensikern bestätigt

 22.02.2025

Gaza

Hoffnung nur ohne Hamas

Der Friedensaktivist Hamza Howidy ist im August 2023 aus dem Gazastreifen geflohen. Er fürchtet, dass das aktuelle Abkommen nichts an den dortigen Zuständen ändern wird

von Hamza Howidy  21.02.2025

Zynische Show

Wo ist Shiri Bibas? Hamas spricht von einem möglichen »Irrtum«

Für Samstag ist die Freilassung der sechs weiteren Geiseln angekündigt

 21.02.2025

Israel

Internationale Reaktionen: Fassungslosigkeit angesichts Grausamkeit der Hamas

Das grausame Verhalten der Hamas im Fall von Shiri Bibas und bei der Übergabe der Leichen sorgt weltweit für Empörung

von Sophie Albers Ben Chamo  21.02.2025 Aktualisiert

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Kommentar

Shiri, mein Herz bricht für dich

Sarah Cohen-Fantl will nicht verzeihen, dass Shiri, Kfir und Ariel Bibas nicht gerettet wurden

von Sarah Cohen-Fantl  21.02.2025

Israel

In der grausamen Wirklichkeit gibt es keine Wunder

Yarden Bibas wurde aus der Geiselhaft entlassen – seine Kinder Ariel und Kfir kamen in Särgen zurück, von seiner Frau Shiri fehlt noch immer jede Spur

von Sabine Brandes  21.02.2025