Der schönste Tag im Leben ist für viele Menschen ihre Hochzeit. So war es auch bei Daniel und Liron Levy. Die beiden säkularen Israelis hatten sich spät kennengelernt, er war schon 47, sie 35 Jahre alt. Dann aber wussten sie sofort: »Wir wollen für immer zusammenbleiben und das mit einer Traumhochzeit feiern.«
Allerdings sollte die Zeremonie ihren eigenen Träumen entsprechen und nicht denen eines »stockkonservativen Oberrabbinats«. Genau dafür wirbt eine neue Kampagne der Organisation »Be Free Israel«, die sich für religiöse Freiheit und Pluralismus im Judentum einsetzt. Doch sie wendet sich damit nicht direkt an die Verliebten – sondern an deren Eltern und Großeltern.
»Denn wir haben festgestellt, dass es große Unterschiede zwischen den Generationen gibt, wenn es ums Heiraten geht. Während die jungen Leute zusehends bereit sind, Alternativen zum Oberrabbinat in Betracht zu ziehen, ist es die ältere Generation, die oft am Status quo festhält und sich schwertut«, erläutert Micki Gitzin, Direktor von Be Free Israel. »Und die wollen wir mit unserer Initiative überzeugen.« Diese Initiative heißt »Chatuna Schawa« und ist eine Kooperation von Be Free mit den konservativen und Reformbewegungen des Landes.
Stempel Nach der alternativen Zeremonie von Daniel und Liron sind die beiden zwar entsprechend dem jüdischen Religionsgesetz verheiratet, können jedoch in Israel nicht standesamtlich registriert werden und gelten damit weltweit als unverheiratet. Denn für den Eintrag beim Innenministerium braucht es den Stempel des Oberrabbinats. Das hält in Israel das Monopol über sämtliche jüdischen Eheschließungen. Vertreter des Rabbinats verheiraten keine gleichgeschlechtlichen Paare, keine mit unterschiedlichen Religionen und keine, bei denen ein Partner nicht-orthodox zum Judentum übergetreten ist. Oft haben jedoch auch jüdische Israelis Schwierigkeiten, die Dokumente vorzulegen, die besagen, dass der Kandidat wirklich jüdisch ist.
Bei der »Chatuna Schawa«, was übersetzt sowohl »egalitäre Heirat« als auch »wertvolle Heirat« bedeutet, wird das Oberrabbinat nicht mit unter die Chuppe geladen. Die Werbung dafür läuft in diesen Tagen im israelischen Radio auf der Station, die die ältere israelische Generation mit Vorliebe hört: Kol Israel. In dem Spot erzählen zwei Mütter und ein Großvater von jungen Paaren, die kürzlich geheiratet haben, wie wundervoll die alternativen Zeremonien gewesen seien.
Doch Gitzin betont, dass er die Israelis nicht generell dazu drängen wolle, das Oberrabbinat zu ignorieren. Wer mit der Institution heiraten wolle, der solle das ruhig tun. Stattdessen gehe es ihm um die anderen, die das eben nicht möchten, und darum, die verschiedenen Möglichkeiten einer jüdischen Heirat publik zu machen, »von denen viele gar nichts wissen«. Allein in diesem Jahr verheiratete Be Free schon mehr als 500 Paare bei einer »Chatuna Schawa«.
Die Aktion von Be Free ist nur ein kleiner Teil des seit Jahren andauernden Kampfes vor allem säkularer Israelis, eine zivile Heiratsregelung in Israel durchzusetzen. »Letztendlich ist natürlich auch unser Ziel, dass das Gesetz geändert wird und künftig auch standesamtliche Trauungen möglich sind«, so Gitzin, »damit endlich heiraten kann, wer will.«
Sechs Monate nach dem ersten Treffen war Liron schwanger. »Und wir wollten unbedingt Ja sagen, bevor das Baby auf die Welt kommt«, erzählt die frisch gebackene Mutter eines Mädchens. »Aber wir konnten uns nicht mit den Zwängen des Oberrabbinats anfreunden«, wie Daniel betont. »Wir wollten unsere Liebe mit Familie und Freunden feiern und eine Zeremonie haben, die unserem Geschmack und nicht ultraorthodoxen Vorgaben entspricht.« Daniel und Liron traten in einem Musikclub unter eine Chuppe, die an jeder Ecke von einem Freund gehalten wurde. Sie tauschten Ringe, ein Rabbiner sprach und segnete die beiden. Allerdings kam der nicht vom Oberrabbinat, sondern aus der Reformgemeinde, deren Mitglied Liron ist.
Zypern Die Frage, ob die etwas andere Hochzeitszeremonie ihrer Kinder für die Eltern weniger wertvoll war, beantwortet Daniels Vater Avi: »Der einzige Unterschied ist, dass sich die Kinder ausgesucht haben, wie sie es gern haben – und unserer Meinung nach soll es genau so sein.« Denn bei einer Vermählung gehe es um das Paar, das im Mittelpunkt stehen soll, und um niemanden sonst.
Unfair findet Avi Levy, dass Daniel und Liron damit nicht offiziell verheiratet sind und ins Ausland fliegen müssen. »Unsere jungen Leute, die in Israel geboren sind, in der Armee gedient haben und hier ihr ganzes Leben lang gelebt haben, müssen in ein fremdes Land reisen, um von ihrem Grundrecht – zu heiraten – Gebrauch zu machen. Nur weil sie eine andere Auffassung haben als das orthodoxe Oberrabbinat. Das ist eine Schande.«
Das Ehepaar sieht das genauso. Im Moment stört sie diese Tatsache allerdings recht wenig. Außerdem hat Daniel ohnehin bereits alles arrangiert: »Um es amtlich zu machen, müssen wir in den nächsten Wochen dann eben für einige Tage nach Zypern fliegen und dort standesamtlich heiraten. Das nehmen wir gern in Kauf – denn dadurch war unsere Hochzeit in Israel so, wie wir sie uns erträumt haben.«