Kaum sind die Bulldozer um die Ecke, wehen die ersten Zeltplanen erneut im heißen Wüstenwind. Die einen reißen ein, die anderen bauen auf. Seit Tagen kommt es wieder und wieder zum Showdown in der Negevwüste. Viermal hintereinander demolierte die israelische Land- und Bodenverwaltung das Beduinendorf Al-Arakib in der Nähe der Stadt Rahat, nachdem es bereits vor sieben Jahren vom Gericht für illegal erklärt worden war. Das letzte Mal an diesem Dienstag, mitten im Ramadan.
Ansprüche Der Disput zwischen den Beduinen und der Regierung in Jerusalem schwelt bereits seit Jahren. Es geht um Teile der Wüste im Süden des Landes, die das Nomadenvolk für sich beansprucht. Angeblich gehören sie den Stämmen seit Generationen, obwohl nichts registriert ist. Nach Angaben der Verwaltung handelt es sich um eine Fläche von insgesamt 60.000 Hektar, einer Fläche, die zwölf Mal so groß ist wie die Stadt Tel Aviv. Derzeit baut die Regierung 13 neue Dörfer und Städte, »die alle derzeitigen und zukünftigen Bedürfnisse dieser Bevölkerung befriedigen sollten«, so die israelische Verwaltung. Angeblich wird für die Neubauten und die Verbesserung der bestehenden Infrastruktur des Nomadenvolkes eine Milliarde Dollar investiert.
Im Fall Al-Arakib erklärte die Regierung, dass die Menschen das Land illegal bevölkerten. Das Angebot, das Stück Wüste offiziell für fünf US-Dollar pro Hektar zu pachten, hätten die Bewohner abgelehnt. Der Oberste Gerichtshof entschied bereits 2003: Al-Arakib ist illegal und darf daher abgerissen werden. Am 27. Juli rückten nun zum ersten Mal schwere Geräte und 1.300 Polizisten an, um die 45 Bauten, meist Zelte und Wellblechhütten, einzureißen. Die 300 Bewohner, übrigens allesamt israelische Staatsangehörige, waren zuvor in Sicherheit gebracht worden. Doch schon kurze Zeit später bauten sie mit Hilfe von Aktivisten aus den Trümmern erneut einige behelfsmäßige Hütten, Zelte und Unterstände für ihre Tiere auf.
Bevölkerung Schätzungen gehen von etwa 160.000 Beduinen aus, die heute im Negev leben. Mehr als 60 Prozent haben sich in den sieben Städten niedergelassen, die Israel in den Jahren 1979 bis 82 künstlich für sie anlegte. Die anderen leben nach wie vor als Semi-Nomaden über die Wüste verteilt, überwiegend in vom Staat nicht anerkannten Dörfern aus zusammengezimmerten Hütten und Zelten, zum Großteil ohne Strom und fließendes Wasser.
Obwohl der gelbe Sand schier endlos scheint, ist auch hier Platz zum kargen Gut geworden. In modernen Zeiten müssen sich die Beduinen die Wüste mit militärischen Übungsplätzen, sich ausdehnenden Industriestädten und landwirtschaftlichen Nutzflächen teilen. Mehr als 250 Bauten von den etwa 40.000 als illegal angesehenen werden jährlich dem Erdboden gleichgemacht. Al-Arakib ist also nur ein Dorf von vielen. Und die Wut unter den Beduinen wächst. Der beduinische Knessetabgeordnete Talab El-Sana, der sich persönlich mit Händen und Füßen gegen die Demolierung wehrte, warnt, dass Aktionen dieser Art eine dritte Intifada im Negev einläuten könnten.
Beziehungen Ariel Dlumy ist überzeugt, dass Al-Arakib lediglich der Anfang war und viele weitere Demolierungen folgen werden. Der Projektleiter des Negev-Instituts für Strategien der Friedensentwicklung ist sicher, dass es ein Versuch gewesen sei, um festzustellen, wie die israelische Bevölkerung reagiere. »Viele jüdische Israelis wissen nicht viel über die historische Präsenz der Beduinen in diesem Land. Sie denken, es gibt Platz für alle – Juden und Araber – im Negev.« Die Anführer der Beduinen warnten die Regierung, dass sie mit derartigen Aktionen den Beziehungen schwerwiegenden Schaden zufügen. »Der Versuch, die beduinischen Bürger von ihren Ansiedlungen zu vertreiben, beleidigt uns alle. Jeglicher Versuch, uns aus unserem Dorf zu verjagen, wird am Ende scheitern«, lautet die Erklärung des Komitees von Al-Arakib.
Schlomo Ziser, Beauftragter der Land- und Bodenverwaltung, jedoch bleibt dabei, dass die Beduinen die Gegend schon vor langer Zeit hätten räumen müssen, denn das habe das Gericht so beschlossen. »Aber offenbar gilt Israels Recht für sie nicht. Wir sagten, wir würden das Dorf evakuieren – und genau das haben wir getan.«