Lag BaOmer

Brenzlige Frage

Vorbereitungen vor Schabbatende: In diesem Jahr wird eine massenhafte Entweihung des wöchentlichen Ruhetages befürchtet. Foto: Flash 90

Schwer ist die Luft vom schwarzen Qualm, wenn alle Jahre wieder die Lagerfeuer brennen. Auf jedem Stück Acker oder Feldweg werden Äste, Stöcke oder alte Latten gestapelt und am Abend des Feiertages unter großem Jubel angezündet. Im ganzen Land knistert es dann, zündelt und züngelt. In diesem Jahr fällt der jüdische Minifeiertag Lag BaOmer auf Sonntag, den 22. Mai. Um eine massenhafte Entweihung des Schabbats – vor allem durch nichtreligiöse Israelis – am Vorabend zu vermeiden, bemühen sich Rabbiner des Landes, das Zünden der Feuer einen Tag nach hinten zu verschieben.

Entscheidung Ob sich tatsächlich alle daran halten werden, ist fraglich, doch Oberrabbiner Schlomo Amar verkündete vorsorglich in der vergangenen Woche, dass das traditionelle Entzünden des »sefardischen Lagerfeuers« auf dem Berg Meron erst am Abend des Sonntags stattfinden werde. Der wöchentliche Ruhetag müsse in jedem Fall eingehalten werden. Amars Entscheidung war gefallen, nachdem er und sein aschkenasischer Amtskollege, Oberrabbiner Yona Metzger, die Bevölkerung in einem öffentlichen Brief aufgerufen hatten, die Zeremonien einen Kalendertag später abzuhalten. Auch das geistliche Oberhaupt der sefardischen Schass-Partei, Rabbi Ovadia Yosef, unterschrieb.

Sieben Wochen liegen zwischen Pessach und Schawuot – die Omer-Zeit. Gläubige feiern in dieser Zeit keine Feste oder Hochzeiten, hören keine Musik. Am 33. Tag des Omer (Lag BaOmer) jedoch gab es der Legende nach in antiker Zeit ein kleines Wunder. Von einem auf den nächsten Moment verschwand an jenem Tag eine Seuche unter jüdischen Gläubigen, die Tausende hingerafft hatte. Viele orthodoxe Juden gedenken zudem des Raschbis, des bedeutenden Kabbalisten Rabbi Schimon Bar Jochai. Der Raschbi soll seinem Gefolge auf dem Sterbebett aufgetragen haben, zu feiern, zu singen und zu musizieren.

Schulfrei Die Rabbiner-Organisation Zohar, die sich als Bindeglied zwischen säkularer und religiöser Gesellschaft versteht, hatte sogar Bildungsminister Gideon Saar gebeten, statt Sonntag einen Tag später schulfrei zu geben. Generell habe er nichts dagegen, antwortete der Minister, dieses Mal jedoch ginge es nicht, da am Montag die landesweiten Abiturprüfungen in Ma-
thematik stattfänden. Rabbiner David Staw, Direktor von Zohar, erklärte, dass das Gedenken an den Raschbi vielfach entehrt werde, wenn Lag BaOmer auf einen Sonntag falle. »Es passiert vor allem wegen der Lagerfeuer. Die Vorbereitungen der Sicherheitskräfte beginnen mitten am Schabbat. Nicht selten werden sogar die Feuer entfacht, bevor der Schabbat vorüber ist.«

Umweltschutz Seit dem zweiten Jahrhundert begehen Juden in aller Welt diesen Feiertag mit ausgelassenen Tänzen, Musik und den Feuern. Zwar ist es keine religiöse Pflicht, doch schon längst Tradition. Andere machen sich weniger um den Schabbat, denn um die Luft Sorgen. Seit Jahren beschweren sich Umweltschützer ob der immensen Verschmutzung, die die Abertausenden von Lagerfeuern mit sich bringen. Die wenigsten aber würden ernsthaft in Erwägung ziehen, die Feuer für immer zu löschen. Zu groß ist die Verzückung, die in ihren Seelen lodert, wenn sie um die Flammen tanzen.

Besonders ekstatisch geht es direkt am Grab von Rabbi Bar Jochai auf dem Meron zu. Hunderttausende strenggläubiger Juden pilgern jedes Jahr auf den Berg in Obergaliläa unweit der Stadt Safed. Im vergangenen Jahr sollen mehr als eine halbe Million da gewesen sein. Nicht nur ultraorthodoxe Juden, auch immer mehr Anhänger verschiedener esoterisch angehauchter Gruppierungen, Kabbalisten und Selbstfindungsjünger pilgern dort hin. Lag Baomer avancierte in den letzten Jahren zum größten jährlich wiederkehrenden Happening in Israel. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng und gut organisiert, um die Massen sicher auf den Berg und wieder hinunter zu geleiten. Polizei und Magen David Adom müssen Parkplätze einrichten, Straßen sperren, Fluchtwege markieren, Krankenstationen aufbauen – eine zeitraubende Arbeit. Doch eigentlich darf kein Fahrzeug bewegt, kein Papier geschnitten und schon gar kein Feuer entfacht werden.

Party Viele säkulare Israelis sehen Lag BaOmer heute rein als spaßige Party, sammeln Tage vorher Holz von den Straßenrändern und veranstalten Wettbewerbe, wer den höchsten Stapel zusammengeklaubt hat. Am Vorabend des Feiertages sitzen die Familien im Funkenflug. Obwohl nicht fromm, halten sich doch die meisten daran, die Streichhölzer nicht vor Mozei Schabbat auszupacken. »Wir bereiten schon alles vor, wir sind ja nicht strenggläubig«, erklärt der Tel Aviver Amir Schani beim Stöckersammeln mit seinen Kindern. »Aber das eigentliche Feuer wird erst angezündet, wenn drei Sterne am Himmel zu sehen sind.« Die Aufregung der religiösen Oberhäupter findet er heuchlerisch. »Säkulare halten den Schabbat das ganze Jahr über nicht ein. Da gibt es kein Geschrei, aber ausgerechnet an Lag BaOmer. Ich weiß nicht, was das soll.«

Auch anderen religiösen Anführern gefallen die Weisungen der Oberrabbiner nicht. Zwar haben die Boyaner Chassiden, eine der großen Gruppen auf dem Meron, angekündigt, ihre Feuer erst eine halbe Stunde nach Mitternacht zu entzünden. Diverse ultraorthodoxe Gruppen jedoch machten klar, sich nicht daran halten zu wollen. Unter anderem die extreme antizionistische Sekte Toldot Aharon, die die Autorität der Oberrabbiner nicht anerkennt. An diesem Lag BaOmer werden nicht nicht nur die lodernden Flammen die Gemüter erhitzen.

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