Ein Kindertraum, der wahr wird» – so beschreibt der Skifahrer Itamar Biran seine Nominierung für die Olympischen Spiele von Pyeongchang. Dabei hat er die Staatsbürgerschaft von gleich zwei Nationen, die eins gemein haben: nämlich nicht unbedingt mit Wintersport verbunden zu werden – geboren in Großbritannien, startet er für Israel.
«Ich begann mit dem Skifahren so, wie es alle Israelis tun: in europäischen Club Meds», erinnert sich der 19-Jährige. «Mein Vater hat mich damals mitgenommen, und es hat mir von Anfang an gefallen, auch wenn Ski alpin ein ziemlich harter Sport ist.» Vor allem, wenn man noch ein Kind sei. «Ständig draußen zu sein, macht ziemlich müde, und oft möchte man lieber drinnen mit seinen Freunden spielen. Aber ich habe es eben auch immer geliebt, und je älter ich wurde, umso mehr wusste ich das Skifahren zu schätzen.»
Als Itamar sechs Jahre alt war, zog die Familie vorübergehend ins schweizerische Verbier. Dort sei die Sache mit dem Skifahren dann auch gleich «viel ernsthafter geworden», sagt der heutige Olympiateilnehmer.
Kuhglocken Der Rummel wird ihn nicht aus dem Konzept bringen, denn Aufmerksamkeit sind er und seine Teamkollegen durchaus gewohnt. 2015, als der Skizirkus im amerikanischen Wintersportgebiet Beaver Creek Station machte, wurde die vierköpfige Delegation (drei Israelis und ein nichtjüdischer Athlet aus Osttimor, den sie unter ihre Fittiche genommen hatten) mit ganz großem Bahnhof begrüßt. Die B‹Nai Vail Congregation kümmerte sich um Unterkunft und koschere Verpflegung, und als die vier zum Schabbat in einem interreligiösen Gotteshaus erschienen, wurden sie von 200 Menschen mit Jubel und Kuhglockengeläut empfangen.
«Wundervoll» sei es gewesen, sagt Biran heute über sein erstes Weltcuprennen, «auch wenn ich nach dem Wettbewerb praktisch tot war, weil ich noch nie eine so lange Strecke in einem Wettkampf gefahren bin». Damals war Itamar Biran mit 16 Jahren der jüngste Starter; er ging in London zur Schule, verbrachte allerdings auch viel Zeit in Frankreich, wo er vormittags trainierte und nachmittags jobbte.
Drei Jahre später hat sich seine finanzielle Situation deutlich entspannt. Mit einer Mischfinanzierung aus Crowdfunding, Sponsoring, Zuwendungen des israelischen Olympischen Komitees und des Skiverbandes sowie Unterstützung seiner Familie kann Biran seinen Sport ohne Geldsorgen betreiben. Von den Möglichkeiten der Starter großer Skinationen kann er allerdings nur träumen.
Gleichwohl hatte sich Biran vorgenommen, im Riesenslalom mindestens 30. zu werden. «Dann wäre ich völlig aus dem Häuschen.» Eine Medaille zu gewinnen, werde wohl zu schwierig sein, sagte er vor der Abreise nach Pyeongchang, «aber ich werde natürlich trotzdem Gold anstreben. Es gibt keinen anderen Weg: Entweder versucht man es richtig, oder man kann gleich zu Hause bleiben.»
Stolz Mit drei Jahren hatte Biran zum ersten Mal auf Skiern gestanden, mit zwölf nahm er das erste Mal an Wettbewerben teil. Und mit 13 musste er sich entscheiden, für welches Land er starten wollte. Ohne zu zögern, entschied er sich gegen Großbritannien und für Israel: «Mein Stolz auf dieses Land gab den Ausschlag.»
Itamar Biran trainiert derzeit acht Monate im Jahr drei bis vier Stunden täglich, zusammen mit einer Gruppe von Skifahrern aus Großbritannien, Spanien und Russland. «Wir entwickeln uns gemeinsam», freut er sich. Zunächst habe er es allein versucht, aber nun, mit dem S-Team, wie die Gruppe genannt wird, «pushen wir uns gegenseitig». Das wird sich auch nicht ändern, wenn er demnächst sein Studium aufnimmt. Biran hat sich in Mailand und in New Hampshire für das Wirtschaftsstudium an Universitäten beworben, die als sehr skifreundlich gelten, sodass er weiter trainieren könnte.
Mit der Abschlussfeier der Spiele von Pyeongchang soll das olympische Abenteuer für Biran schließlich noch lange nicht beendet sein. Biran plant, mindestens 2022, 2026 und 2030 wieder dabei zu sein. Denn sein Ziel ist es, irgendwann eine Medaille zu gewinnen. «Und bis ich das erreicht habe, werde ich nicht aufhören!»
Atmosphäre Neben der sportlichen Herausforderung genießt Biran besonders die Atmosphäre in Pyeongchang. «2016 hatte ich schon bei den Junior Olympics im norwegischen Lillehammer teilgenommen. Die Erfahrung dort war unglaublich schön. Aber nun in Pyeongchang starten zu dürfen, wird das alles noch einmal übertreffen, das wird einzigartig sein», freut er sich. Und fügt hinzu, dass er schon von frühester Kindheit an die Spiele im Fernsehen verfolgt hat. «Und dieses Mal werde ich einer der Teilnehmer sein, ist das nicht toll?»
Wann immer es geht, will er die anderen Israelis anfeuern, sagt Itamar Biran, und sich dazu auch noch Sportarten ansehen, die er noch nie live gesehen hat. Skispringen zum Beispiel. «Und es wird sehr aufregend sein, den Topstars nicht nur auf der Piste nahe zu sein, sondern zu sehen, was sie essen, wie sie trainieren und welche Übungen sie in den Fitnessräumen machen.» Er plant jedenfalls, sagte er vor den Spielen, «den maximalen Spaß aus dieser Zeit herauszuholen, das werden schließlich Erinnerungen fürs Leben sein».
Den Fotos nach zu urteilen, die er auf seiner Facebook-Seite aus Südkorea postet, gelingt ihm dies ziemlich gut. Itamar Biran zeigt begeistert das Olympische Dorf, posiert bereitwillig mit den freiwilligen Helfern, und immer strahlt er dabei. Obwohl es am letzten Wochenende im Riesenslalom für ihn nur für den 49. Platz, fast 16 Sekunden hinter dem Sieger Marcel Hirscher, gereicht hat.
Aber am heutigen Donnerstag hat Biran die Chance, beim Slalom-Wettbewerb der Männer so richtig anzugreifen.