Nahost

Biden über Netanjahu: »Was er tut, ist ein Fehler«

Am Dienstag waren Palästinenser in Rafah mit Einkäufen beschäftigt. Vor der geplanten Offensive gegen den Terror sollen die Menschen evakuiert werden. Foto: picture alliance / Anadolu

Die weltweiten Hoffnungen, dass bis zum Ende des für Muslime heiligen Fastenmonats Ramadan eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zustande kommt, haben sich nicht erfüllt. Während Millionen Muslime in aller Welt an diesem Mittwoch das Fest des Fastenbrechens begehen, dauern die zähen indirekten Verhandlungen über eine Feuerpause und Freilassung von Geiseln in Gaza an - mit ungewissem Ausgang.

Derweil treibt Israel seine Pläne für eine Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden Gazas voran. Allerdings teilte Israels Verteidigungsminister Joav Galant Medienberichten zufolge seinem US-Kollegen Lloyd Austin mit, dass es noch keinen Termin für eine Offensive gebe. Damit habe Galant seinem Regierungschef Benjamin Netanjahu widersprochen, hieß es. Netanjahu hatte am Montag noch öffentlich erklärt, der Termin für eine Offensive in Rafah stehe fest.

Die palästinensische Terrororganisation Hamas hatte Israel am 7. Oktober attackiert, indem sie Massaker unter Zivilisten anrichtete, 1200 Menschen ermordete und 230 als Geiseln nahm. Ihr erklärtes Ziel ist eine Vernichtung Israels. Weitere Massaker hat sie bereits angekündigt. Israel geht es darum, seine Bevölkerung vor weiteren Terrorattacken zu schützen und die mehr als 100 Geiseln zu befreien, die weiterhin vom Terror-Mob festgehalten werden.

Scharfe Kritik

Unterdessen strahlte der spanischsprachige Sender Univision ein bereits vergangene Woche aufgezeichnetes Interview mit US-Präsident Joe Biden aus, in dem dieser das Vorgehen von Netanjahu in Gaza scharf kritisiert und auf einen Waffenstillstand drängt. »Ich denke, was er tut, ist ein Fehler«, sagte Biden.

Er antwortete auf die Frage, ob Netanjahu mehr um sein politisches Überleben als um die nationalen Interessen Israels besorgt sei. Biden sagte weiter: »Was ich also fordere, ist, dass die Israelis nun zu einem Waffenstillstand aufrufen, um die nächsten sechs, acht Wochen den vollständigen Zugang zu allen Nahrungsmitteln und Medikamenten (…) zu ermöglichen.«

Einige Medien deuteten diese Aussage als eine Art Kurswechsel, da Biden nicht betonte, die Verantwortung für eine Waffenruhe bei den Terroristen der Hamas zu sehen. Das Weiße Haus stellte klar, dass dies nicht der Fall sei.

Geplante Evakuierung

»Unsere Position ändert sich nicht. Der Präsident bekräftigte unsere Position: Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, der mindestens sechs Wochen im Rahmen eines Geiselabkommens dauern würde«, zitierte die »Times of Israel« einen Sprecher des Weißen Hauses.

Israels Verteidigungsminister Galant hat derweil Berichten zufolge in einem Telefonat mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärt, Israel sei noch dabei, Pläne für die Evakuierung der Zivilisten in Rafah fertigzustellen, berichteten israelischen Zeitungen wie »Haaretz«, »The Times of Israel« und das Nachrichtenportal »Axios« am Dienstagabend.

Die US-Regierung will Israel weiterhin von einem großangelegten Einsatz in Rafah abhalten. Dort verschanzen sich die letzten Bataillone der Hamas. Auch die Geiseln werden dort vermutet.

Zelte für Zivilisten

Als Vorbereitung der angekündigten Offensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen kauft Israel laut einem Medienbericht rund 40.000 Zelte für die Unterbringung evakuierter Zivilisten. Die »Jerusalem Post« berichtete am Dienstag, der Kauf diene dazu, den Weg für einen Militäreinsatz in der Stadt an der Grenze zu Ägypten »in der nahen Zukunft« zu ebnen.

Es gab keine offizielle Mitteilung über den Erwerb der Zelte. Ein israelischer Repräsentant bestätigte lediglich die Vorbereitung von Tausenden von »Unterkünften« für die Zivilisten in Rafah. Nach UN-Schätzungen drängen sich dort mehr als eine Million Flüchtlinge aus anderen Teilen des umkämpften Gazastreifens.

Israels Armee hatte angekündigt, für die Menschen aus Rafah weiter nördlich »humanitäre Inseln« zu schaffen. Außerdem haben nach Medienberichten nach dem Abzug israelischer Truppen aus der Stadt Chan Junis Einwohner begonnen, aus Rafah dorthin zurückzukehren.

»Nicht gerade ermutigend«

US-Außenminister Antony Blinken erwartet indessen von Israel vorerst Stillhalten. Für die kommende Woche sei ein Treffen mit einer israelischen Delegation geplant, um über die Bedenken der US-Seite gegen einen solchen Einsatz zu sprechen, sagte der Minister am Dienstag.

Mit Blick auf die laufenden Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln sagte Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von Biden, die öffentlichen Erklärungen der Hamas seien »nicht gerade ermutigend«. Allerdings gibt es ihm zufolge noch keine Antwort der Terroristen auf einen Vorschlag, der aktuell auf dem Tisch liegt.

Er habe mit den Verhandlungspartnern in Katar gesprochen und diese gedrängt, sich um eine Antwort der Hamas zu bemühen, so Sullivan. Offizielle Angaben zum Verhandlungsstand gibt es nicht. Nach Gesprächen in Kairo hatten Vertreter der Hamas die ägyptische Hauptstadt am Montag für Beratungen mit ihrer Spitze verlassen.

Terror-Ziele in Syrien

Das israelische Militär reagierte unterdessen erneut auf Attacken aus dem Libanon, indem es Stellungen der Hisbollah in Syrien angriff. Wie die Armee am Dienstagabend bekannt gab, wurde militärische Infrastruktur der Terrororganisation attackiert, die diese nach präzisen geheimdienstlichen Erkenntnissen »an der syrischen Front« genutzt habe. Man mache »das syrische Regime für alle Aktivitäten verantwortlich, die auf seinem Territorium stattfinden«, hieß es.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Terror-Ziele im benachbarten Syrien und will damit verhindern, dass der Iran und mit ihm verbündete Terroristen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben die Angriffe zugenommen.

Nach dem mutmaßlich israelischen Luftangriff vor wenigen Tagen auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syrien hatte die Hisbollah erklärt, der Angriff werde nicht ohne Folgen bleiben. Auch der Iran hat mit Vergeltung gedroht. Der Iran ist der größte Unterstützer der Hisbollah und der Hamas. dpa/ja

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