Likud

Bibis Chanukka-Wunder

Zufrieden: Netanjahu zündet die achte Chanukkakerze. Foto: Flash 90

Das Lichterfest war in vollem Gange, als Premierminister Benjamin Netanjahu sein ganz persönliches Polit-Chanukka-Wunder erlebte. Denn deutlicher hätte die Bestätigung kaum ausfallen können. Mehr als 72 Prozent der Likud-Mitglieder sprachen ihm in der vergangenen Woche bei der internen Parteiwahl ihr Vertrauen aus. Damit ist er alter wie neuer Parteivorsitzender – trotz drei bevorstehenden Anklagen wegen Korruption und dem zweimaligen Versagen, eine Regierung zu bilden.

Vor Gericht allerdings will er sich dafür nicht verantworten. Als erster Premierminister in Israels Geschichte beantragte er in der Knesset Immunität vor Strafverfolgung. Somit wird es zunächst kein Verfahren gegen ihn geben.

Das Ergebnis der Parteiwahl hatte Netanjahu im Anschluss als »riesigen Sieg« bezeichnet. »Ich danke allen Likudmitgliedern für ihr Vertrauen, ihre Unterstützung und Liebe.« Sein Gegner, der einstige Bildungsminister Gideon Saar, erhielt 27,5 Prozent der Stimmen und musste sich von einigen Parteiaktivisten zudem als »Verräter« beschimpfen lassen. »König ist nur Bibi«, riefen sie ihm hinterher. Es war das erste Mal in mehr als einem Jahrzehnt, dass Netanjahu herausgefordert worden war.

Nach der überwältigenden Bestätigung seiner Anhänger wird sich Netanjahu am 2. März einer weitaus größeren Herausforderung stellen müssen.

Nach der überwältigenden Bestätigung seiner Anhänger jedoch wird sich Netanjahu am 2. März einer weitaus größeren Herausforderung stellen müssen: den dritten Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres – zwar vielleicht noch nicht mit einem Verfahren am Hals, aber doch sicher mit der dunklen Wolke der Korruption darüber.

Obwohl sein Parteivorsitz in Stein gemeißelt zu sein scheint, gibt die interne Abstimmung wenig Aufschluss über die Prognose für die allgemeinen Wahlen. Am vorvergangenen Donnerstag hatten lediglich 56.000 Menschen ihre Stimme abgegeben – allesamt überzeugte Likudniks und viele noch überzeugtere Netanjahu-Fans.

ANHÖRUNG Netanjahus Ego aber dürfte dieses Ergebnis ausgesprochen gutgetan haben. Ob er anschließend allerdings überhaupt den Versuch unternehmen darf, eine Koalition auf die Beine zu stellen oder nicht, darüber streiten die Rechtsexperten.

Eine erste Anhörung dazu hatte am vergangenen Dienstag vor dem Obersten Gericht stattgefunden. Staatsanwalt Avichai Mandelblit erklärte, dass er keine juristische Einschätzung abgeben will, solange das Gericht nicht entschieden hat, ob es die Petition überhaupt diskutieren wird, die in der Angelegenheit eingereicht wurde, oder sie direkt ablehnt. Netanjahus Kommentar auf die Frage, ob er unter Anklage eine Regierung bilden sollte, lautete, dass einzig das Volk das Sagen habe.

Lediglich 33 Prozent der Israelis wollen, dass Netanjahu sich dank einer Immunität nicht vor Gericht verantworten muss.

Schon bei der Parteiwahl hatte der Premier seine Einstellung durchblicken lassen: »Um Immunität zu bitten, ist nicht antidemokratisch, sondern einer der Eckpfeiler der Demokratie« und habe nichts damit zu tun, dass er ein Verfahren vermeiden wolle. Ob er die parlamentarische Mehrheit für das Ansinnen erhält und ihm der Schutz vor den Gerichten tatsächlich gewährt wird, ist indes nicht klar. Denn nicht nur die politischen Gegner aus den Zentrums- und Linksparteien, sondern sogar einige Verbündete sehen diese Möglichkeit mit einer großen Portion Skepsis.

Auch in der Bevölkerung ist die Maßnahme stark umstritten. In einer Umfrage des Fernsehkanals 12 sprachen sich 51 Prozent dagegen aus. Lediglich 33 Prozent der Israelis wollen, dass Netanjahu sich dank einer Immunität nicht vor Gericht verantworten muss. Weitere 16 Prozent haben keine Meinung dazu.

IMMUNITÄT Doch selbst wenn sie ihm nicht zugesprochen wird, wird allein die Bitte darum das Gerichtsverfahren gegen ihn um Monate verzögern. Denn die Entscheidung darüber obliegt dem Knessetkomitee. Jegliche gesetzgebende Gewalt ist derzeit aber durch den politischen Stillstand gänzlich lahmgelegt. So kann darüber erst nach dem Zustandekommen einer regierungsfähigen Koalition entschieden werden. Und das wird – wenn überhaupt – erst nach den Wahlen im März geschehen. Zudem machte Knessetsprecher Yuli Edelstein, auch er vom Likud, bereits klar, dass er eine Diskussion um die Zulässigkeit des Antrags verhindern will. Damit scheint die Verzögerungstaktik Netanjahus schon jetzt von Erfolg gekrönt.

Nach der Entscheidung des Generalstaatsanwaltes wird Netanjahu in drei Fällen wegen Korruption angeklagt werden. In allen wird ihm Betrug und Vertrauensbruch vorgeworfen, in einem sogar das schwerwiegendere Vergehen der Bestechlichkeit. Netanjahu beteuert nach wie vor seine Unschuld, bezeichnete das Verfahren als »Hexenjagd« und warf den Ermittlungsbehörden vor, »einen Putsch zu versuchen«.

Ob Netanjahus Sieg ihm bei den Knessetwahlen hilft, ist noch unklar.

Zwei hauptsächliche Lehren könnten aus dem zweimaligen und noch nie dagewesenen Versagen des israelischen Politsystems, der Auflösung der Knesset und den aufkommenden dritten Wahlen gezogen werden, meinen der Präsident des Israel Democracy Institute, Yohanan Pleser, sowie die beiden Vizepräsidenten, Karnit Flug und Yuval Shany: »Erstens ist es nötig, das Wahlsystem zu reformieren, damit die Entscheidungsfähigkeit wiedererlangt wird. Auch muss der Einfluss der Kleinparteien auf die Zusammensetzung der Regierung reduziert werden.«

REGELN Zweitens sind Plesner, Flug und Shany überzeugt, dass eindeutige und ausdrückliche Regeln eingeführt werden müssen, die sicherstellen, dass jeder Kandidat für den Premierministerposten, der wegen ernsthafter krimineller Vergehen angeklagt ist, vom Amt suspendiert wird, bis sein Fall vor Gericht entschieden ist.

»Beide Reformen müssen oberste Priorität haben – egal, wer die nächste Regierung formt. Damit sich ähnliche Krisen in der Zukunft nicht noch einmal wiederholen.« Es sei extrem bedauerlich, dass der politische Stillstand auf Kosten der nationalen Interessen und der Bürger weitergeht.

Doch auch die nächsten Wahlen bedeuten nicht unbedingt, dass sich etwas bewegt. Die nun bereits seit einem Jahr andauernde Regierungskrise in Jerusalem könnte im März unverändert fortbestehen. Jüngste Umfragen verschiedener Ins­titute ergeben, dass die Größen der beiden politischen Blöcke sich im März nicht wesentlich oder sogar gar nicht verändern würden. Auch die Arabische Liste und Israel Beiteinu, entscheidende Kräfte für die Bildung einer Koalition, würden nach den Umfragen genauso viele Sitze erhalten wie bei den zweiten Wahlen im September. Dann wird die politische Lähmung weitergehen.

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