Jetzt fährt sie wirklich. Nach wiederholten Verzögerungen in den vergangenen Monaten düst die lang ersehnte Stadtbahn ab Freitag durch Tel Aviv und einige Vororte. Am Donnerstagnachmittag sollen auch Premierminister Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara einsteigen, um eine Runde mitzufahren.
Einen Tag zuvor war bereits Verkehrsministerin Miri Regev angekommen, um sich von der weißen Bahn beeindrucken zu lassen. Der Bürgermeister Tel Avivs, Ron Huldai, indes will die offizielle Jungernfahrt boykottieren. Der Grund: Das neue Verkehrsmittel darf nicht am Schabbat verkehren.
PROTEST Regev hatte ihn zur Eröffnungszeremonie in Petach Tikwa, wo die Rote Linie abfährt, eingeladen. Doch Huldai, der sich in den vergangenen Jahren wiederholt für einen Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs am jüdischen Ruhetag starkgemacht hatte, erklärte in einem Video: »Das ist mein Protest. Die Stadtbahn muss auch am Wochenende verkehren und die Öffentlichkeit bedienen, wie es sich für ein liberales und demokratisches Land gehört«.
Doch Regev hatte bei ihrem Besuch hervorgehoben, dass sie »den Status quo als jüdischer Staat auch in der Stadtbahn aufrechterhalten« werde. Obwohl die meisten öffentlichen Verkehrsmittel während des Schabbats nicht verkehren, hatten Huldai und die Verkehrsministerin der ehemaligen Regierung, Merav Michaeli von der Arbeitspartei, darauf gepocht, dass die Bahn an sieben Tagen in der Woche Passagierinnen und Passagiere befördert.
»Die Stadtbahn muss auch am Wochenende die Öffentlichkeit bedienen, wie es sich für ein liberales und demokratisches Land gehört«.
bürgermeister tel aviv, ron huldai
Sie hatten argumentiert, der Mangel an Transportmöglichkeiten von Freitag- bis Samstagabend benachteilige säkulare Israelis, die kein Fahrzeug besäßen. Die Rote Linie führt mit 34 Stationen von Petach Tikwa durch die hauptsächlich ultraorthodoxe Stadt Bnei Brak und Tel Aviv, wo sie als U-Bahn verkehrt, bis nach Bat Yam im Süden.
BALLUNGSRAUM Die staatliche Nahverkehrsbehörde NTA überwachte den Bau der 24 Kilometer langen Strecke. An der ersten Linie des Stadtbahnnetzes, das schließlich den gesamten Ballungsraum Gusch Dan verbinden soll, wurde seit 2015 gebaut.
In Tel Aviv und Umgebung gab es am Donnerstag nahezu im gesamten Stadtgebiet Sperrungen von Hauptverkehrsadern. Die Polizei gab an, sie habe vor der Ankunft des Ministerpräsidenten Straßen sperren müssen. Anführer der Protestbewegung gegen die Regierung behaupteten, Ziel dieser Bemühungen der Polizei sei es, Demonstranten daran zu hindern, die Bahnfahrt von Netanjahu und anderen Regierungsmitgliedern zu stören.
GERICHTSHOF Sie appellierten an die Polizei, »die Lähmung von ganz Tel Aviv zugunsten einer Fahrt des Diktators mit der Stadtbahn zu verhindern« und wandten sich in einer Petition an den Obersten Gerichtshof. Während des gesamten Tages werden Proteste gegen die Regierung erwartet.
Am Mittwoch bereits wurde Verkehrsministerin Regev mit regierungskritischen Demonstranten beim Besichtigen der Stadtbahn konfrontiert. Sie hielten Schilder in die Höhe, schrien und »Demokratia« und »Schande« und buhten die Ministerin lauthals aus.