Manche glauben, es sei Gottes Hand gewesen. Wahlplakate des Likud lagen im Dreck, Benjamin Netanjahus Konterfei matschverschmiert. Die Winterstürme hatten mehrere Wahlkampfaufsteller mit der Aufschrift »Eine starke Regierung ist ein starkes Israel« einfach umgepustet. Linke Israelis freuten sich, als die Bilder durch Facebook geisterten: »Endlich ist Netanjahu gekippt!« Eine Woche vor den Wahlen aber weist alles darauf hin, dass der Premier so fest im Regierungssattel sitzt wie eh und je.
Die Prognosen geben der Union aus Likud und Israel Beiteinu nach wie vor die meisten Stimmen, gehen von 33 bis 36 Mandaten aus, die bei den Wahlen zur 19. Knesset am 22. Januar zusammenkommen würden. Mit einem derartigen Ergebnis müsste sie von Staatspräsident Schimon Peres mit der Regierungsbildung beauftragt werden und könnte sich ihre Partner aussuchen. Hinter verschlossenen Türen haben die Verhandlungen für die nächste Legislaturperiode bereits begonnen. Fast alle Parteien buhlen um die Beteiligung an der Macht im Heiligen Land.
Sparen Im Großen und Ganzen scheint der Wahlkampf abgeschlossen. Jetzt geht es eher darum, das jeweilige Parteiprogramm so zu schmieden, dass es in eine Regierungskoalition passt. Am vergangenen Wochenende hatte die Tageszeitung Maariv berichtet, Netanjahu bevorzuge eine Koalition mit Mitte-Links-Parteien. Bislang hatte es in sämtlichen Vorhersagen geheißen, dass der Premier auch nach diesen Wahlen die rechten und ultraorthodoxen Parteien wie Naftali Bennetts Jüdisches Haus und Schas zum Regieren aufrufen werde. Angeblich aber habe er gerade das nicht vor.
Denn es geht ums Geld. Mit den Ultras im Boot sei es für Netanjahu unmöglich, den nächsten Haushalt zu verabschieden, heißt es. Der war im Oktober 2012 der Grund für die Bekanntgabe der Neuwahlen gewesen. Weil es dem Likud nicht möglich war, die geplanten Kürzungen vor allem im sozialen Bereich bei den Koalitionspartnern durchzubringen, hatte Netanjahu auf Neuwahlen gesetzt, bevor seine Regierung an diesem Thema zerbrochen wäre.
»Netanjahu würde die ultraorthodoxen Partner aufgeben«, wird die anonyme Quelle in Maariv zitiert, »weil er extreme Einsparungen durchbringen muss, die die Religiösen niemals akzeptieren würden.« Vor allem die sefardische orthodoxe Partei Schas, ein traditioneller Partner des Likud, hatte verkündet, sich gegen die Einschnitte im sozialen Bereich zu wehren. Ihre Wählerschaft ist überproportional auf die finanzielle Hilfe des Staates angewiesen.
Rivalen Likud-Minister Mosche Yaalon bestätigte in einem Interview, dass die kommende Regierung »so breit gefächert wie möglich« sein solle und Netanjahu vorhabe, Partnerschaften mit Rivalen einzugehen. Dazu gehört in erster Linie Zipi Livni mit ihrer neu gegründeten Bewegung Hatnua. Livni hatte zugegeben – nachdem ihr Versuch, ein Mitte-Links-Bündnis zu gründen, kläglich gescheitert war –, dass sie für diese Möglichkeit offen sei. Allerdings nur, machte sie klar, wenn dem rechtsgerichteten Jüdischen Haus kein Einfluss in der Regierung zukommen würde. Auch Yair Lapid, Kopf von Jesch Atid, scheint einen Zusammenschluss mit Netanjahu in Erwägung zu ziehen.
In den jüngsten Prognosen von Yedioth Ahronoth bekommt Hatnua acht Sitze und Lapid elf. Generell schwanken die beiden zwischen neun bis zwölf Sitzen. Schas kann auf zehn Mandate zählen, das Jüdische Haus auf 14. Dennoch schreibt Maariv: »Es ist zu 99 Prozent klar, dass Livni, Lapid und auch Kadimas Schaul Mofaz auf Netanjahus Wunschliste ganz oben stehen.«
Land Schlechte Nachrichten für Bennett. Der nationalreligiöse Chef des Jüdischen Hauses scheint dem Likud viele Stimmen abzugraben, erklärt aber dennoch, dass er gern zusammen mit ihm regieren würde. Um das Wirklichkeit werden zu lassen, gibt er sich neuerdings ganz moderat.
»Wir werden verantwortliche Partner sein«, sagte er Anfang der Woche vor Journalisten. »Wir sind nicht hier, um eine rechtsgerichtete Regierung wegen jeder kleinen Sache auseinanderzubrechen.« In Bezug auf die Verhandlungen mit den Palästinensern betonte er, dass »solange kein Land aufgegeben wird, wir keinen Grund haben, die Regierung zu verlassen«. Was er tun würde, wenn große Teile der illegalen Siedlungen im Westjordanland geräumt werden müssten, ließ er jedoch offen.
Für Bennett aber geht es nicht nur ums Politische. Jahrelang war er strammes Likud-Mitglied und hatte eng mit Netanjahu als dessen Personalleiter zusammengearbeitet. Doch nicht nur Bibi war sein Chef. Auch dessen Frau Sara kümmert sich gern um die Geschäfte in den Jerusalemer Büros des Likud. Und sie war es auch, die letztendlich für Bennetts Entlassung gesorgt hatte. Es ist kein Geheimnis, dass »Sarale« eine der engsten Beraterinnen des Premierministers ist – und auch in Zukunft sein wird. Bennett meint, er wolle einen frischen Start. Doch will Sara das auch?
Wunder Nur eine scheint sich um keinerlei Allianzen zu bemühen: Schelly Jachimowitsch von der Awoda. Mit um die 20 anvisierten Mandaten und einer gänzlich linken Ausrichtung ist klar, dass es zwischen ihr und Netanjahu keinerlei Einigung geben wird. »Ich werde mich an keiner rechtsextremen Regierung aus Likud und Lieberman beteiligen«, sagte sie. »Punkt.«
Vielleicht hofft Jachimowitsch aber noch auf ein Wunder. In einem Interview sagte sie jetzt: »Wenn wir 25 Mandate bekommen, werden wir mit der Regierungsbildung beauftragt. Ich weiß, dass die Chancen nicht groß sind, doch es gibt sie.« Ohne die Beteiligung von Israel Beiteinu würden dem Likud nicht mehr als 21 Sitze zufallen, ist sie sicher. Leicht scheint ihr das Aufgeben des Traums von einer linken Regierung nicht zu fallen. Denn »ohne Netanjahu«, steht auf ihren Wahlplakaten, die den Winterwind unbeschadet überstanden haben, »könnte es hier viel besser sein«.