Die Westmauer in Jerusalem ist religiöses Symbol von höchster Bedeutung. Oft aber wird sie zum Politikum. Vor allem, wenn es um die Gleichberechtigung von weiblichen und männlichen Gläubigen geht. Frauen ist es per Gerichtsentscheid verboten, an der Mauer einen Tallit zu tragen oder aus der Tora zu lesen. Ein Status Quo, der jüdische Gemeinden in der ganzen Welt erzürnt. Nun soll das Gesetz überprüft werden. Aktivistinnen sehen Licht am Horizont.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Vorsitzenden der Jewish Agency, Natan Sharansky, beauftragt, die »Angelegenheit zu untersuchen, um die Stätte für alle Juden zugänglicher zu machen«.
Seit zwei Jahrzehnten übt die Gruppe »Frauen der Mauer« unter Leitung von Anat Hoffman zivilen Ungehorsam. Die Frauen beten, wie es ihren Vorstellungen entspricht – trotz des Erlasses des Obersten Gerichts von 2003, der besagt, dass Frauen an der Klagemauer keinen traditionellen Gebetsschal tragen dürfen. Immer wieder sind Frauen daraufhin verhaftet worden. In den vergangenen drei Monaten war die Lage eskaliert, als Jüdinnen aus den USA während des Gebets vorläufig von der israelischen Polizei festgenommen wurden.
Petition Besonders laut beschwerten sich amerikanische Gemeinden reformierter und konservativer Juden. Sie meinen, dass die aggressive Umsetzung des Gesetzes das nationale Heiligtum in eine rein orthodoxe Synagoge verwandele. Offenbar ist die Kritik nicht auf taube Ohren gestoßen. Denn nun lässt Netanjahu durch einen Regierungssprecher verkünden: »Der Premierminister glaubt, dass die Klagemauer ein Symbol der Einheit des Judentums sein müsse.«
Die Jewish Agency hatte vor zwei Jahren Zeremonien an der Klagemauer gestoppt, weil Frauen und Männer getrennt sitzen müssen. In einem Interview erklärte Sharansky, dass er sich sehr wohl eine Situation vorstellen könne, in der jeder die Möglichkeit habe, an der Klagemauer seine Solidarität mit dem Judentum und Israel auf persönliche Weise darzustellen, ohne das Recht anderer zu untergraben.
Hoffman äußerte sich verhalten optimistisch, betonte jedoch, dass das Einlenken der Regierung sie nicht davon abhalte, beim Obersten Gericht eine Petition einzureichen. Doch meinte sie, die Überprüfung des Gesetzes sei immerhin etwas Bewegung an der Mauer.