Tel Aviv

Betreuung für Flüchtlingskinder

Die Stadt unterstützt jetzt das Kita-Projekt »Unitaf«

von Sabine Brandes  13.04.2015 21:03 Uhr

Braucht altersgemäße Unterbringung: Tochter afrikanischer Flüchtlinge Foto: Thinkstock

Die Stadt unterstützt jetzt das Kita-Projekt »Unitaf«

von Sabine Brandes  13.04.2015 21:03 Uhr

Fünf Babys sind innerhalb von zwei Monaten in nicht anerkannten Kinderkrippen inmitten von Tel Aviv gestorben. Sie waren in den sogenannten »Baby-Lagerhäusern« untergebracht, in denen oft totale Überfüllung und Vernachlässigung herrschen. Die tragischen Geschehnisse innerhalb der afrikanischen Flüchtlingsgemeinde rütteln die Israelis auf. Ehrenamtliche eilen zur Hilfe, und nach jahrelanger Apathie will nun auch die Regierung Gelder zur Verfügung stellen.

Für gewöhnlich zahlen israelische Familien für einen Krippenplatz für Kinder unter drei Jahren rund 600 bis 700 Euro im Monat. Eine horrende Summe, die für die Menschen aus Eritrea, Äthiopien, dem Sudan oder der Elfenbeinküste nicht aufzubringen ist. Doch auch sie haben kleine Kinder, die betreut werden müssen, während sie ihren schlecht bezahlten Jobs nachgehen.

Unterbringung Also bringen sie ihren Nachwuchs zu privaten Babysittern, die ihre Dienste innerhalb der Gemeinde anbieten. Dafür zahlen sie einen Bruchteil, rund 100 Euro monatlich im Durchschnitt. Die Krippen, die ihren Namen meist nicht verdienen, bieten dafür die Unterbringung von morgens bis oft spätabends. Doch nicht viel mehr.

Nach den schrecklichen Unfällen erklärte das Wirtschaftsministerium, ein »rechtliches Vakuum« würde ein Eingreifen der Regierung verhindern. Was genau damit gemeint ist, erklärten die Politiker nicht. Ein Bericht des staatlichen Kontrolleurs machte bereits im vergangenen Jahr auf die fehlende staatliche Kontrolle aufmerksam und schlug Alternativen vor. Man solle sämtliche lebensbedrohlichen Stätten schließen, das Personal ausbilden und sich an den Kosten für staatlich anerkannte Kinderkrippen beteiligen.

Die jüngsten Todesfälle scheinen Jerusalem nun tatsächlich aufzurütteln. Die Regierung sagte zu, innerhalb der kommenden vier Jahre rund zehn Millionen Euro für die Gründung von kontrollierten Einrichtungen bereitzustellen. Das Geld soll in die Initiative Unitaf fließen, ein Projekt, das von der Stadtverwaltung Tel Aviv unterstützt wird.

Krippe Gegründet 2005, bietet Unitaf offizielle Kinderkrippen und -gärten auf hohem Niveau für die Sprösslinge von Flüchtlingen und Gastarbeitern, die jedoch für die Eltern bezahlbar sind. Das Personal stammt aus der Gemeinde, ist speziell geschult und ausreichend vorhanden. Bei Unitaf werden heute etwa 160 Kleinkinder zwischen null und drei Jahren betreut, dazu 140 Kinder bis zu sechs Jahren.

»Doch leider ist das nicht genug für die etwa 2200 Kinder, die noch immer in den 70 bis 80 unkontrollierten Krippen untergebracht sind«, erklärt Unitaf-Leiterin Maja Peleg. »Meist werden die in Privatwohnungen gegründet, oft mit unhaltbaren sanitären Zuständen, schlechtem Essen und wenig angemessenem Material für die Kinder. Es geht allein um wirtschaftliche Faktoren. Diese Babysitter haben wenig Personal und viele Kinder.«

Nicht selten werden Dutzende von Babys und Kleinkindern – in einigen Fällen bis zu 50 – von einer einzigen und oft nicht ausgebildeten Frau betreut, die sich natürlich nicht um alle Bedürfnisse der Kleinen kümmern kann. Babys werden Trinkflaschen an den Kopf gebunden, um sie ruhig zu halten. In einem Fall starb durch diese Praxis ein fünf Monate altes Mädchen, in einem anderen erhängte sich ein kleiner Junge aus Versehen am Band seines Schnullers. Die jüngsten Todesfälle stehen in einer Reihe mit den Dutzenden anderen Babys, die innerhalb der Flüchtlingsgemeinde in den vergangenen Jahren ums Leben kamen.

Selbst wenn die Sicherheit der Kinder nicht direkt in Gefahr ist, wird doch in den von der Regierung in keiner Weise beaufsichtigten oder finanziell unterstützten Einrichtungen wenig für die kindliche Entwicklung getan. Der Mangel an Platz, adäquatem Spielzeug und in erster Linie ausgebildetem Personal kann schwerwiegende Folgen für die geistige Gesundheit der Mädchen und Jungen haben.

Hoffnung Esmea ist vor einigen Jahren aus Eritrea nach Israel geflüchtet. Sie hat zwei Kinder: eine Tochter im Grundschulalter und einen 18 Monate alten Sohn. Esmea hat keine andere Wahl, als den Kleinen in einer privaten Krippe in der Nachbarschaft unterzubringen. Sie kann nichts anderes bezahlen. »Ich weiß, dass es nicht gut für ihn ist, dass er praktisch nur aufbewahrt wird, bis ich wiederkomme. Die Kinder spielen kaum, sitzen oder liegen die meiste Zeit vor dem Fernseher. Niemand geht mit ihnen raus, niemand spielt mit ihnen. Die Babysitterin ist die ganze Zeit mit Füttern und Windelwechseln beschäftigt«, erzählt die verzweifelte Mutter.

Auf dem Weg zur Arbeit weine sie die ganze Zeit und bete, dass ihr Kind noch gesund ist, wenn sie es abholt. Seit Esmea von den jüngsten Geschehnissen gehört hat, schläft sie aus Sorge um ihren Sohn kaum noch. Die 30-Jährige ist, wie viele Flüchtlingseltern in Israel, in einem Teufelskreis gefangen. Sie müssen arbeiten, oft unterbezahlt und überdurchschnittlich lange, um den teuren Alltag in ihrer neuen Heimat bezahlen und ihren Familien ein besseres Leben bieten zu können, als das in ihren Ursprungsländern, in denen bittere Armut, Krieg und Verfolgung herrschen.

Esmea hat ihren Sohn auf die Warteliste von Unitaf gesetzt. Und hofft nun jeden Tag, dass er bald einen Platz bekommt. »Damit ich endlich ruhig schlafen – und mein Baby wieder lachen kann.«

Nahost

Moskau erörtert Lage in Syrien mit Teheran und Ankara

Der Vormarsch der Rebellen in Syrien ruft Moskau auf den Plan. Israel greift derweil Hisbollah-Ziele in Syrien an

 30.11.2024

Amerika

US-Senator: Trump will Waffenruhe in Gaza vor Amtsantritt erreichen

Lindsey Graham sagt, der designierte Präsident mache Tempo bei den Bemühungen um einen Deal in Gaza

 30.11.2024

Naim Kasim

Neuer Hisbollah-Chef bekennt sich zu Waffenruhe

Der Nachfolger des getöteten Hisbollah-Chefs Nasrallah verspricht eine enge Zusammenarbeit mit der libanesischen Armee

 30.11.2024

Nahost

Trotz Waffenruhe weiter Zwischenfälle im Libanon

Die Feuerpause zwischen Israel und der Hisbollah ist seit mehreren Tagen in Kraft

 30.11.2024

Genf

IAEA: Iran plant deutlichen Ausbau der Uran-Anreicherung

Deutschland und seine europäischen Partner führen Gespräche mit dem Iran. Das Treffen soll zur Deeskalation beitragen

 29.11.2024

Westjordanland

Viele Verletzte bei Anschlag in der Nähe von Ariel

Aus Jerusalem wird ein weiterer Vorfall gemeldet

 29.11.2024

Krieg

»Wir sind noch immer in den Tunneln«

Ein Jahr nach ihrer Befreiung drängen Angehörige auf einen Deal für die restlichen 101 Geiseln in der Gewalt der Hamas in Gaza

von Sabine Brandes  29.11.2024

Israel

»Wir bluten, aber wir singen«

David Broza ist Israels Hoffnungsmaschine. Der 69-Jährige spielt seit dem 7. Oktober fast täglich vor ausverkauften Hallen, auf Armeebasen und in Flugzeugen. Ein Gespräch über die Kraft der Musik

von Sophie Albers Ben Chamo  29.11.2024

Nahost

Trotz Waffenruhe: Verletzte im Süd-Libanon

Trotz des Waffenstillstandes kommt es noch immer zu Spannungen

 28.11.2024