Angeblich wolle Israel bei seinem Gegenangriff auf den Iran auf den Beschuss von Atom- und Ölanlagen verzichten, heißt es in einem Bericht der »Washington Post« vom Montag. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden in der vergangenen Woche klargemacht, dass es die Angriffe auf militärische Anlagen beschränken werde.
Der Iran hatte Israel am 1. Oktober mit fast 200 ballistischen Raketen angegriffen und zehn Millionen Menschen in die Sicherheitsräume geschickt. Vier Tage zuvor hatte Israel den Terrorchef der Hisbollah-Miliz im Libanon mit einem gezielten Luftangriff in Beirut getötet.
Befürchtung, dass Vergeltung weitere Eskalation nach sich zieht
In der Nacht zum Dienstag veröffentlichte das Büro des Ministerpräsidenten eine Klarstellung zu dem Zeitungsbericht, dass Israels Sicherheitsbedürfnisse alle anderen Überlegungen überwiegen würden: »Wir hören uns die Meinungen der US-Regierung an, unsere endgültigen Entscheidungen werden wir jedoch auf der Grundlage des nationalen Interesses Israels treffen.«
Das Weiße Haus und die Regierungen verschiedener europäischer Länder haben versucht, Jerusalem dazu zu bringen, von einem Beschuss der Öl- und Atomanlagen abzusehen. Die Länder befürchten, die Vergeltung Israels könnte zu einer weiteren Eskalation, einen umfassenden Krieg im gesamten Nahen Osten auslösen, der weitere Staaten hineinzieht. Golfstaaten üben zudem Druck auf Washington aus, Israel davon abzuhalten, iranische Ölfelder anzugreifen, weil sie befürchten, dass ihre eigenen Ölanlagen während einer Eskalation unter Beschuss von Teherans Stellvertretern kommen könnten.
»Dies wird nur die erste in einer Reihe von Reaktionen sein.«
Die Zeitung zitierte zwei Quellen, die bestätigten, dass Netanjahu geplante Gegenmaßnahmen einschränken werde, um die US-Wahl nicht zu beeinflussen. Angeblich wolle Israel so reagieren, dass es nicht den Anschein erwecke, sich in die Präsidentschaftswahlen am 5. November einzumischen.
Diese Haltung sei ein Faktor für die Entscheidung gewesen, ein fortschrittliches Luftabwehrsystem gegen ballistische Raketen (THAAD) an Israel zu senden, um es vor möglichen weiteren Angriffen des Iran zu schützen. Das Pentagon bestätigte am Sonntag, dass es eine THAAD-Batterie sowie rund 100 Soldaten zur Bedienung des Systems nach Israel schicke.
Das Weiße Haus ist besonders besorgt über eine israelische Reaktion, die kurz vor den Wahlen in den USA zu weltweit steigenden Energiepreisen führen könnte. Amerikaner könnten ihren Unmut darüber bei der Wahl ausdrücken und statt der demokratischen US-Vizepräsidentin Kamala Harris ihre Stimme für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump abgeben.
Verzögerung könnte vom Iran als »Schwäche« gedeutet werden
Allerdings habe Israel klargemacht, dass die Reaktion vor den Wahlen in den USA kommen werde, weil eine Verzögerung von der Islamischen Republik als »Schwäche« ausgelegt werden könne. »Und dies wird nur die erste in einer Reihe von Reaktionen sein«, so eine der Quellen weiter.
Angeblich habe Netanjahu dem US-Präsidenten in dem Gespräch auch mitgeteilt, dass er vorhabe, die »Operationen des israelischen Militärs im Libanon in den kommenden Wochen abzuschließen«.
Die Tötung von Nasrallah hat nicht nur im Libanon, sondern auch im Regime in Teheran für große Aufruhr gesorgt. Am Montag strahlte das iranische Staatsfernsehen Aufnahmen aus, auf denen offenbar Esmail Qaani zu sehen ist. Es handelt sich dabei um den obersten Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden. In der letzten Woche war berichtet worden, dass Qaani nach der Tötung des Hisbollah-Anführers Nasrallah in den Libanon gereist und kurz darauf verschwunden war.
Es war zunächst vermutet worden, dass er bei israelischen Angriffen auf die Hisbollah getötet worden war. Anschließend hieß es, dass im Iran gegen Qaani ermittelt werde. Angeblich werde ihm vorgeworfen, an der Unterwanderung der Hisbollah durch den israelischen Geheimdienst beteiligt gewesen und damit zur Tötung von Nasrallah beigetragen zu haben. Was der Iran mit der Ausstrahlung der Bilder von Qaani bezweckt, ist allerdings unklar.