Dass die Hamas im Gazastreifen die internationalen Hilfslieferungen plündert und in ihre Tunnel schleppt, Zivilisten verjagt oder sogar erschießt, wenn sie danach greifen, ist kein Geheimnis. Streng geheim indes war ein Plan, der nun enthüllt wurde und Palästinensern, die der Hamas entgegenstehen, angeblich die Verantwortung über die Verteilung von humanitärer Hilfe übertragen soll. Das berichtete das Wall Street Journal (WSJ) unter Berufung auf israelische und palästinensische Offizielle.
Dem Bericht zufolge hätten hochrangige israelische Verteidigungsbeamte dies mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Jordanien besprochen, »um regionale Unterstützung für einen aufkommenden Versuch aufzubauen, palästinensische Anführer und Geschäftsleute, die keine Verbindungen zur Hamas haben, für die Verteilung von Hilfsgütern zu gewinnen«.
Israelische Sicherheitskräfte aus der IDF und dem Inlandsgeheimdienst Schin Bet hatten bereits mehrfach die Bedeutung für Israel unterstrichen, mit Anti-Hamas-Kräften in Gaza zusammenzuarbeiten.
Angeblich soll die Hilfe nach israelischer Inspektion zunächst auf dem Land- und Seeweg in Lagerhäuser geleitet werden. Von dort aus soll sie von den eingesetzten Palästinensern verteilt werden. Es könnte sogar sein, dass diese Verantwortlichen in der Zeit nach dem Krieg für die Verwaltung der Enklave herangezogen werden, unterstützt von Sicherheitskräften, die von gemäßigten arabischen Regierungen, wie beispielsweise den VAE, finanziert werden, heißt es im WSJ.
VAE und Saudi-Arabien wollen nur bei Zweistaatenlösung mithelfen
Allerdings haben sowohl die Emirate als auch Saudi-Arabien bereits wiederholt deutlich gemacht, dass sie beim Wiederaufbau des Gazastreifens nur dann eine Rolle spielen würden, wenn es in der Zukunft eine Zweistaatenlösung für die Beendigung des Nahostkonfliktes gebe.
»Gaza wird von jenen regiert werden, die nicht versuchen, Israelis zu töten«, wird ein hochrangiger israelischer Beamter aus dem Büro des Premierministers im Hinblick auf den Geheimplan zitiert. Allerdings anonym. Denn gleichfalls heißt es, dass der Plan sowohl im israelischen Kriegskabinett als auch bei der Hamas bereits auf Gegenreaktionen gestoßen sei.
Einer der Gründe sei die Tatsache, dass einige der Clans in Gaza, die für die Verteilung in Erwägung gezogen werden könnten, der Fatah nahestehen, die auch die Palästinensische Autonmiebehörde in Ramallah stellt. Die Fatah jedoch unterstütze nach Meinung der israelischen Regierung den Terrorismus.
»Die USA sollten den Menschen in Gaza öffentliche Unterstützung zukommen lassen, um den Bedrohungen durch die Hamas zu widerstehen.«
Richard Goldberg (FDD)
Bereits kurz nach dem Beginn des Krieges begannen die USA, darauf zu drängen, dass eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde statt der Hamas die Regierung von Gaza übernimmt. Jerusalem aber lehnt das kategorisch ab. Zudem äußern sich weder Netanjahu noch andere Regierungsvertreter über irgendeine Möglichkeit für den »Tag nach dem Krieg«.
Auch die Hamas kommt in dem Artikel des WSJ zu Wort. »Wir werden mit eiserner Hand gegen jeden vorgehen, der die interne Front im Gazastreifen manipuliert, und werden die Einführung neuer Regeln nicht zulassen.« Auf der mit der Hamas verbundenen Website »Hamas Al-Majd« werden palästinensische Einzelpersonen und Gruppen davor gewarnt, mit Israel zusammenzuarbeiten, um die Sicherheit von Hilfskonvois in Gaza zu gewährleisten.
Vielleicht um dies zu unterstreichen, habe die Hamas vor einigen Tagen in Mafia-Manier das Oberhaupt des mächtigen Doghmush-Clans in Gaza-Stadt hingerichtet, heißt es in (unbestätigten) Berichten aus dem Gebiet. Angeblich habe der Clan humanitäre Hilfe gestohlen und zudem im Verdacht gestanden, Kontakte zu Israel zu haben.
Doghmush ist ein großer Clan in Gaza, der bereits in der Vergangenheit mit der Hamas aneinandergeraten sein soll. Er soll vor allem in der organisierten Kriminalität, darunter im Waffenhandel, tätig sein.
US-Außenminister Antony Blinken reist wieder durch Nahost
»Dass sich Palästinenser für eine verbesserte Hilfsverteilung einsetzen, stellt eine Bedrohung für die Hamas in zweierlei Hinsicht dar: Es baut Institutionen und Systeme auf, die von der Hamas unabhängig sind, und es untergräbt das Narrativ der Hamas-Medien von hungernden Zivilisten«, erklärt Richard Goldberg des US-amerikanischen Think-Tanks »Foundation for Defence of Democracies« (FDD). »Die Vereinigten Staaten sollten den Menschen in Gaza starke öffentliche Unterstützung zukommen lassen, um diesen Bedrohungen durch die Hamas zu widerstehen und zivile Führungspersönlichkeiten außerhalb der Hamas zu stärken.«
Angesichts der sich verschärfenden humanitären Krise nach mehr als fünf Monaten Krieg steht Jerusalem zunehmend unter dem Druck, mehr Lieferungen nach Gaza zu lassen. Dies und die Freilassung der Geiseln stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, bei denen auch US-Außenminister Antony Blinken aktiv ist. Er bereist derzeit wieder einmal Nahost. Eine Einigung sei »gut möglich«, sagte er vor Abflug. Forderungen richtete der Außenminister an beide Seiten: die Hamas, die größeren Pragmatismus zeigen, und Israel, dass von der angekündigten Bodenoperation in Rafah im Süden des Streifens Abstand nehmen soll.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas wurde am 7. Oktober entfacht, als Hamas-Terroristen bei einem schockierenden Massaker mehr als 1200 Menschen töteten, überwiegend israelische Zivilisten. Außerdem wurden 253 Menschen jeden Alters nach Gaza entführt. Etwa 130 Geiseln befinden sich noch immer in der Gefangenschaft der Hamas - seit mehr als 160 Tagen.