Der Gang des neuen rechtsextremen Ministers für nationale Sicherheit in Israel, Itamar Ben-Gvir, auf den Tempelberg zieht weltweit Verurteilung nach sich. Die Anhöhe in Jerusalem mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom gilt als umstrittenster Ort in ganz Nahost. Eine in der Nacht zum Mittwoch aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuerte Rakete wird als Reaktion der in der Enklave regierenden Terror-Organisation Hamas auf Ben-Gvirs Besuch auf dem Tempelberg gewertet.
Das Geschoss gelangte allerdings nicht bis nach Israel und explodierte noch auf einem Feld im Gaza-Streifen. Die israelische Armee teilte mit, dass die Luftschutzsirenen in Israel nicht aktiviert wurden.
DRINGLICHKEIT Um die Aktion von Ben-Gvir zu erörtern, wolle der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen jetzt eine Dringlichkeitssitzung einberufen, heißt es laut Medienberichten. Die Zusammenkunft sei von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und China im Namen der palästinensischen und jordanischen UN-Mission formell beantragt worden. Ein Termin stehe noch nicht fest, es könnte aber noch diese Woche geschehen.
Laut israelischen Medien sei auch die für die kommende Woche geplante Visite von Premierminister Benjamin Netanjahu in den Emiraten verschoben worden. Quellen aus Netanjahus Büro wurden zitiert, dass es sich um »logistische Erwägungen« handele und es keinen Zusammenhang zu dem Besuch von Ben-Gvir auf dem Tempelberg gebe, doch die Presse mutmaßt, dass genau das der eigentliche Grund sei. Israel und die VAE hatten mit den sogenannten Abraham-Abkommen Frieden geschlossen.
»Ben-Gvirs Besuch auf dem Tempelberg hat das Potenzial, Spannungen zu verschärfen und Gewalt zu provozieren.«
sprecher US-aussenministerium ned price
Netanjahu sagte am Dienstagnachmittag, dass der »Status quo auf dem Tempelberg strikt und unverändert bestehen bleibt und alles andere schlicht falsch« sei. Dennoch habe der Regierungschef (so er es vorhatte) seinen Minister nicht davon abhalten konnte, auf die Anhöhe zu steigen.
HEILIGE STÄTTEN Auf den provokativen Gang folgten Verurteilungen aus der ganzen Welt. Der Sprecher der US-Vertretung in Israel sagte: »Botschafter Tom Nides hat sich in Gesprächen mit der israelischen Regierung sehr deutlich zum Thema der Erhaltung des Status quo in Jerusalems heiligen Stätten geäußert. Aktionen, die dies verhindern, sind inakzeptabel.«
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, meinte: »Ben-Gvirs Besuch auf dem Tempelberg hat das Potenzial, Spannungen zu verschärfen und Gewalt zu provozieren.« Die USA seien zutiefst besorgt. Ähnlich äußerten sich die britische und französische Botschaft in Tel Aviv.
JORDANIEN Auch andere arabische Länder meldeten sich zu Wort: Jordanien, das die heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem verwaltet, ging so weit, zu erklären, dass »Ben-Gvirs Stürmung des Geländes nicht nur den Status quo an der Stätte verletze, sondern auch internationale Intervention« erfordere. Die VAE bezeichneten den Besuch als »Angriff auf den Komplex der Al-Aksa-Moschee«.
Ben-Gvir, der Vorsitzende der ultranationalistischen Partei Otzma Jehudit, gilt als hitzköpfiger Agitator. Er ist wegen Aufwiegelung zur Gewalt vorbestraft. Durch eine Gesetzesänderung ist er in seinem Ministeramt auch für die israelische Polizei zuständig – eine Entscheidung der neuen Regierung, die vom gesamten Sicherheitsestablishment scharf kritisiert worden war.