Trotz Berichten, dass er den Besuch »um Wochen verschieben« wolle, besuchte der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir von der ultrarechten Otzma Jehudit, am Dienstagmorgen den Tempelberg in Jerusalem. Es ist sein erster Besuch seit Amtsantritt in der vergangenen Woche. Zuvor hatte es geheißen, er habe zugestimmt, die umstrittene Visite nach einer Bitte von Premierminister Benjamin Netanjahu nicht umzusetzen.
Doch am Dienstagmorgen, kurz nach seinem Besuch, will davon niemand mehr etwas wissen. Der Likud veröffentlichte ein Dementi. Es habe zwar ein Gespräch dazu gegeben, hieß es, doch habe es Netanjahu nach Unterredungen mit Sicherheitsbeamten vermieden, dem Minister zu empfehlen, von einem Besuch der Stätte abzusehen. Hardliner Ben-Gvir machte klar: »Unsere Regierung wird sich den Drohungen der Hamas nicht beugen«.
STATUS QUO Am Nachmittag erklärte das Büro des Ministerpräsidenten: »Benjamin Netanjahu hat sich verpflichtet, den Status quo auf dem Tempelberg strikt und unverändert beizubehalten. Wir lassen uns nicht von der Hamas diktieren. Unter dem Status quo sind in den vergangenen Jahren Minister auf den Tempelberg gestiegen, darunter der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan. Daher ist die Behauptung, dass eine Änderung des Status quo vorgenommen wurde, unbegründet.«
Ben-Gvirs Büro gab an, dass sich der Minister, der auch für die Polizei zuständig ist, zuvor mit mit Ronen Bar, dem Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, und Polizeichef Kobi Shabtai sowie dem Kommandanten des Bezirks Jerusalem getroffen hatte. »Sie stellten fest, dass es kein Hindernis für den Besuch gab«, so die Erklärung.
PROVOKATION Obwohl Ben-Gvir bereits mehrmals auf dem Tempelberg war, wird ein Besuch des rechtsextremen Politikers so kurz nach der Vereidigung der rechtesten Regierung aller Zeiten in Jerusalem von vielen als Provokation gesehen.
Die Gegend in Jerusalem ist mit dem Standort der Al Aksa Moschee die drittheiligste Stätte für Muslime. Unterhalb liegt das höchste Heiligtum für die Juden, die Kotel. Die Terrororganisation Hamas, die im Gazastreifen regiert, hatte am Montag gedroht, dass es Gewalt geben würde.
»Es ist eine absichtliche Provokation, die Leben in Gefahr bringt und Leben kostet.«
oppositionsführer yair lapid
Der Besuch auf dem Tempelberg würde »die Situation in die Luft jagen«, hieß es in einer Botschaft, die dem Sprecher der Hamas, Abd Al Latif Al, zugeschrieben und über ägyptische und Vermittler der Vereinten Nationen an die israelische Regierung weitergegeben wurde. »Er bedeutet, dass die faschistische Siedlerregierung mit ihrem Plan begonnen hat, unser Volk und die Al-Aqsa-Moschee anzugreifen und ihr den Krieg zu erklären.«
TEMPEL Ben-Gvir konterte: »Der Tempelberg ist der wichtigste Ort für das Volk Israel. Wir erhalten die Bewegungsfreiheit für Muslime und Christen aufrecht, aber auch Juden gehen hinauf. Diejenigen, die Drohungen aussprechen, müssen mit eiserner Faust behandelt werden.« Der Besuch fand am 10. Tevet statt, dem jüdischen Fastentag, an dem die Ereignisse betrauert werden, die zur Zerstörung des Jüdischen Tempels führten.
Auch Oppositionsführer Yair Lapid hatte vor den möglichen Folgen gewarnt: »Itamar Ben-Gvir darf nicht auf den Tempelberg steigen. Es ist eine absichtliche Provokation, die Leben in Gefahr bringt und Leben kostet«.
SCHWACH Im Anschluss an den Besuch schrieb er auf Twitter: »Das passiert, wenn ein schwacher Premierminister gezwungen ist, dem verantwortungslosesten Mann im Nahen Osten den explosivsten Ort im Nahen Osten anzuvertrauen«.
Der Abgeordnete der Arbeitspartei, Reformrabbiner Gilad Kariv, sagte, die Entscheidung von Ben-Gvir zeige, dass er der »Förderung einer extrem nationalistischen Weltanschauung Vorrang einräume und nicht der Sicherheit der israelischen Bürger und dem Funktionieren der Polizei«. Das Aufstehen dagegen sei wesentlich, um die Zukunft Israels zu garantieren.