Es sollte ein entspanntes Wochenende werden, mit Sommer, Sonne und Strand. Doch es kam anders. Innerhalb weniger Stunden ertranken vor einigen Tagen sechs Menschen an der Küste von Israel. Acht weitere Badegäste wurden in teils kritischer Verfassung in die Krankenhäuser eingeliefert. Jetzt beschäftigt sich die Knesset mit der Sicherheit am Mittelmeer.
Noch dauern die Sommerferien an – und die Badesaison ist in vollem Gange. Es ist der heißeste Monat in Israel, die Schwimmbäder und Strände sind überfüllt. Gleichzeitig ist es die Zeit der tragischen Nachrichten: »Mann in Netanja kam vom Baden nicht mehr zurück«, »15-Jähriger am Tel Aviver Strand vor den Augen seiner Freunde ertrunken«. Fast täglich füllen Schlagzeilen dieser Art im Sommer die Tageszeitungen.
Ein Rettungsschwimmer am Strand von Tel Aviv, der aus Sorge vor Auswirkungen auf seinen Job seinen Namen nicht nennen will, gibt offen zu, dass es viel zu wenige seiner Zunft gibt. »Es ist ein großes Problem. Im Winter haben wir kaum etwas zu tun, doch in der Hochsaison müssten wir praktisch 24 Stunden im Einsatz sein. Zwar tun wir unser Bestes, doch wir sind einfach zu wenige.« Während er erzählt, sitzt er mit einem weiteren Kollegen im Wachhäuschen. Doch an vielen Abschnitten, die zum Schwimmen freigegeben seien, fehte nicht Rettungspersonal, sagter.
durchsagen Am Chof Hazuk nördlich von Tel Aviv tummeln sich jeden Tag die Menschenmassen. An diesem Donnerstag ist das Wasser besonders wild, die Wellen sind fast zwei Meter hoch. Dort, wo keine Strudel sind, haben die Verantwortlichen einen etwa 20 Meter breiten Bereich im Wasser mit roten Fahnen abgesteckt. Daneben flattern die Wimpel in Schwarz. Das bedeutet: kein Zugang.
Die Männer in der Rettungsstation sind in höchster Alarmbereitschaft. Zu dritt sitzen sie auf dem Balkon des Holzhauses, die Ferngläser ständig vor den Augen. Fast ohne Unterlass rufen sie den Badegästen per Megafon Anweisungen zu: »Das Mädchen im pinkfarbenen Bikini – sofort zurück hinter die Absperrung!« oder »Kommt aus den Wellen raus, sonst kommen wir zu euch rein!« Um Punkt 18 Uhr gibt es eine letzte Durchsage: »Bitte verlasst das Wasser. Wir gehen jetzt nach Hause und empfehlen euch dringend, nicht mehr ins Meer zu gehen.«
»Viel zu früh«, meint Riki Goren aus dem nahe gelegenen Ramat Hascharon. »Die meisten Leute kommen doch erst nach der Arbeit um fünf oder sechs an den Strand, um sich zu erfrischen. Dann aber machen die Rettungsschwimmer Feierabend. Dafür müssen wir auch noch Eintritt zahlen. Das passt doch nicht.« Tatsächlich tummeln sich auch nach dem Schließen des Wachhäuschens noch Hunderte Männer, Frauen und Kinder im Wasser. Viele wagen sich jetzt sogar weiter hinein, denn sie müssen nicht mehr befürchten, sofort zurückgepfiffen zu werden.
Schichtdienst Das Parlament bestätigte in einer einberufenen Dringlichkeitssitzung, dass es an Personal mangele. Der Knessetabgeordnete Dov Chanin von der Chadasch-Partei redete Tacheles: »Eine Menge der Stationen machen schon um 17 Uhr die Läden dicht. Doch es müsste in den Sommermonaten zumindest bis zum Sonnenuntergang jemand aufpassen.«
Dafür aber gibt es offensichtlich kein Geld. »Ich komme regelmäßig an den Strand von Tel Aviv«, so Chanin weiter, »und oft sind die Lebensretter-Häuser geschlossen, obwohl im Meer die roten Wimpel wehen, ein Zeichen, dass das Baden erlaubt ist.« Der Parlamentarier meint, dass dringend Geld für zusätzliche Leute zur Verfügung gestellt werden müsse.
Der Leiter der nationalen Lebensrettungsgesellschaft, Avi Affia, bestätigt, dass es nicht genügend Personal für die Hochsaison gibt. Das habe zur Folge, dass die Beschäftigten, die ständig hoch konzentriert sein müssen, überarbeitet seien. »Meist haben sie Zwölfstundenschichten, und nicht selten werden sie im Anschluss nochmal gerufen, weil es einen Engpass gibt.« Man könne auf diese Weise nicht alles leisten.
Das Komitee für Schutz und Sicherheit an den Stränden beschloss einstimmig, dass die Öffnungszeiten in der Badesaison auf jeden Fall ausgeweitet werden müssen. Wie das denn nun konkret umgesetzt werden kann, soll in einer der nächstenen Sitzung geklärt werden, hieß es aus dem Parlament.
Lösung Solange es keine Lösung gibt, raten alle Behörden, dem Meer fernzubleiben, wenn kein Bademeister seinen Dienst versieht. Der Rettungsdienst Magen David Adom, der zu sämtlichen Unfällen am Strand gerufen wird, bittet die Bevölkerung in wiederholten Botschaften, generell nur dort zu baden, wo für Sicherheit gesorgt ist.
Gabriela Liepmann findet die ganze Aufregung überflüssig. Die 23-Jährige kühlt sich gegen Abend mit Freundinnen am Banana-Beach von Tel Aviv ab und findet nichts dabei, dass keiner über ihre Sicherheit wacht. »Das hier ist das Meer, kein privater Swimmingpool. Da können die Leute doch nicht erwarten, dass man ständig geschützt wird. Man muss schon selbst für seine Sicherheit sorgen. Zum Beispiel, indem man einen Schwimmkurs belegt – oder eben draußen bleibt.«