Eine Frucht als Gegenmaßnahme zu den Boykottaufrufen der BDS-Aktivisten? Manche Israelis sind der Meinung, dass die Avocado dazu durchaus geeignet ist. Denn die israelischen Früchte erobern die deutschen Abendbrottische. Während man sie vor nicht allzu langer Zeit vor allem als Guacamole in mexikanischen Restaurants kannte, schwören die Westeuropäer jetzt auf die grüne Superfrucht. In Israel haben sich die Preise derweil so sehr erhöht, dass manche schon von einer »Avocadokrise« sprechen.
»In den letzten Jahren ist die Nachfrage jährlich um rund 20 Prozent und mehr gestiegen«, weiß Giora Marom, Avocado-Manager der Erzeugervereinigung. Vor allem der weltweite Trend zu gesunder Ernährung und die damit verbundene Propagierung von »Superfoods« ließen den Bedarf in die Höhe schießen.
bauern So sehr, dass Bauern weltweit mit diesem Appetit nicht mehr mithalten können. Ein Avocadobaum trägt erst nach drei Jahren, und so steigen die Preise stetig. Derzeit würden Avocados für 2500 bis 2600 Euro die Tonne verkauft. Innerhalb des Landes erreichen die Produzenten nur einen Bruchteil dessen, und so exportieren sie lieber.
In diesem Jahr spüren die Israelis zum ersten Mal deutlich die Auswirkungen dieser extrem gestiegenen Nachfrage. Während Avocados im vergangenen Jahr zwölf bis 15 Schekel (etwa 2,80 bis 3,50 Euro) pro Kilo kosteten, müssen die Kunden heute oft doppelt so viel auf die Ladentheke legen.
Und deswegen sind sie sauer. Denn die Avocado gehört hierzulande – fast wie Tomaten oder Gurken – regelmäßig auf den Esstisch und auf das Pausenbrot der Schulkinder. »Wir bekommen hier nur noch die Überreste«, beschwert sich Zehava Schein, Mutter von drei Söhnen, auf dem Tel Aviver Carmel-Markt. »Superfood – dass ich nicht lache. Wenn der Sommer vorbei ist, kommt bei uns Avocado auf die Sandwiches. Aber jetzt kann ich sie kaum noch bezahlen, obwohl gerade Saison ist. Die Bauern sollten sich schämen, die Situation so auszunutzen.« Schein zeigt auf ein Preisschild hinter einem aufgetürmten Berg von Avocados, auf dem eine fette 25 steht. »Leider ist denen ihre Geldbörse wichtiger als das gesunde Essen für unsere Kinder. Das sind doch Mondpreise.«
Auch Motti Dahan ärgert sich über den Preisanstieg. Aber der Standbesitzer kann die Bauern dennoch verstehen: »Ganz ehrlich, ich würde es genauso machen. Jeder will doch sehen, wo er bleibt.« Er bietet seine Früchte für 19 Schekel das Kilo an. »Damit mache ich den geringsten Gewinn von allem, was ich hier anbiete. Aber ich will nicht alles an meine Kunden weitergeben.«
sorten In Israel sind derzeit die beiden Sorten Hass und Ettinger auf dem Markt. Die in der ganzen Welt mit 80 Prozent der Gesamtmenge am meisten angebaute Sorte Hass ist an der dunkelgrünen buckligen Außenhaut und ihrer länglichen Form zu erkennen. Die Ettinger, in Israel entwickelt, hat eine glatte, glänzende, mittelgrüne Schale, ist runder und dicker als ihre Verwandte.
Derzeit gibt es rund 7000 Hektar Land, auf denen die grünen Früchte angebaut werden. 80 Prozent stammen aus den Obstplantagen der verschiedenen Kibbuzim, die von den extrem hohen Margen profitieren. Sie sind es auch, die entscheiden, ob exportiert wird oder nicht. 100.000 Tonnen sind allein 2016 ausgeführt worden. Derzeit kommt den israelischen Landwirten zudem zugute, dass sie auch im Winter Avocados ernten, während die Südamerikaner dies ausschließlich im Sommer tun.
Schimon Maimon, der seinen Gemüsestand schon seit mehr als 20 Jahren betreibt, hat von dem Trend gehört: »Man sagt, sie verkaufen die für einen Euro das Stück. Das ist unglaublich. Wenn ich meinen Kunden sagen würde, eine Avocado kostet ab sofort fünf Schekel, würden die mich schallend auslachen.« Nur Datteln aus Israel werden in Europa noch teurer verkauft als die Avocados, weiß er. »Aber«, sinniert der Händler dann und lässt den Blick über seine grünen Früchte schweifen, »Trends kommen und gehen. Wer weiß, vielleicht ist nächstes Jahr die Mango der Hit, oder grüne Bohnen, Gurken, Kartoffeln ...«
Sivan Tina aus Holon freut sich über den Trend und meint, man könne ihn als Gegenmaßnahme zu den Boykottaufrufen nutzen. »Ich liebe Avocados und esse sie ständig. Aber ich gebe gern ein paar Schekel mehr aus. Denn wenn die Europäer alle verrückt danach sind, können wir mit unseren Avocados den ganzen BDS-Typen ordentlich das Maul stopfen.«
Information
Früher galt sie als fette Kalorienbombe, mittlerweile hat sie sich als Superfood durchgesetzt. Die Avocado, deren botanischer Name Persea americana lautet, kennt die Menschheit schon lange. Ursprünglich stammt sie aus Mexiko, wo sie wahrscheinlich schon vor 10.000 Jahren angebaut wurde. Heute kommt sie neben Süd- und Lateinamerika auch in fast jedem Mittelmeerland vor. Sie ist extrem fettreich, doch die ungesättigten Fettsäuren gelten als äußerst wertvoll. Außerdem enthält sie Mineralien und Vitamine, unter anderem verschiedene B-Vitamine sowie K und C.