US-Außenminister Mike Pompeo hat Premierminister Benjamin Netanjahu versichert, dass Washington nach wie vor der Sicherheit Israels verpflichtet ist. Der angekündigte Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien würde daran nichts ändern. Pompeo und Netanjahu trafen sich in Brasilia zu Gesprächen, wohin beide zur Amtseinführung des neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gereist waren.
»Die Entscheidung des Präsidenten zu Syrien ändert in keinem Fall etwas daran, dass unsere Regierung an Israels Seite arbeitet«, betonte Pompeo anschließend in einer Pressekonferenz. »Die Maßnahmen gegen den Islamischen Staat gehen weiter, unsere Bemühungen, die iranische Aggression einzudämmen, gehen weiter, und unsere Verpflichtung in Sachen Stabilität in Nahost und der Schutz Israels gehen in dem gleichen Maße weiter wie vor dieser Entscheidung.«
SICHERHEIT Pompeo sicherte Netanjahu zudem die amerikanische Unterstützung bei der Operation »Nördliches Schutzschild« zu, bei der Israel die gefundenen Terrortunnel der Hisbollah zerstört. Bislang hat die IDF fünf unterirdische Gänge gefunden, die von libanesischem Territorium auf israelisches führen.
Zuvor war bekannt geworden, dass Netanjahu US-Präsident Donald Trump darum gebeten hatte, die Truppen aus dem Nachbarland nur nach und nach abzuziehen. Trump hatte zuvor gesagt, sie würden »sofort und komplett nach Hause geholt«. Inzwischen hat Trump erklärt, der Abzug solle nicht »über Nacht« erfolgen. Trump hatte auch betont, dass die Maßnahme »keine negative Auswirkung« auf Israels Sicherheit haben werde. »Wir geben Israel jährlich 4,5 Milliarden Dollar für Sicherheit. Also wird es Israel sehr gut gehen.«
Zuvor hatte Netanjahu in seiner offiziellen Erklärung lediglich sechs nüchterne Sätze abgegeben. Der von Trump angekündigte Abzug aus Syrien ist besonders für Israel keine leicht verdauliche Kost. »Es ist natürlich die Entscheidung der USA«, so Netanjahu. »Wir werden den Zeitplan prüfen und in jedem Fall dafür sorgen, die Sicherheit Israels zu gewährleisten, und uns in der Region selbst verteidigen.« Doch in Sicherheitskreisen in Jerusalem brodelt es gewaltig.
ALLEINGANG »Nach historischen Siegen über den Islamischen Staat ist es an der Zeit, unsere großartigen jungen Leute nach Hause zu holen«, hatte Trump im Dezember plötzlich getwittert. Der Alleingang fand nicht nur ohne Rücksprache mit seinen eigenen Leuten im Verteidigungsministerium statt, sondern auch im klaren Gegensatz zu deren Einschätzungen. Details oder einen Zeitplan des Abzugs gab der Präsident nicht bekannt. Er habe seine Mitarbeiter jedoch angewiesen, für einen »vollständigen und schnellen« Abzug zu sorgen.
Israel will verstärkt gegen die iranische Präsenz in Syrien vorgehen.
Die Aktion könnte das fragile Gleichgewicht in der Region völlig zerstören und die kurdische Unterstützung im Kampf gegen die noch immer aktive Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zerstören. Viele Experten warnen bereits, dass der IS ohne US-Unterstützung mit seinen Tausenden von Kämpfern in Syrien schnell aufholen und die großen territorialen Verluste wettmachen könnte. Die kurdischen Verbündeten wurden bisher von den US-Truppen aus der Luft bei ihrem Kampf gegen den IS unterstützt. Sogar Trump-Anhänger kritisierten, dass die Kurden ungeschützt der Aggression des türkischen Regimes ausgesetzt und in Lebensgefahr wären. Das Machtvakuum werde zudem dem Iran, Russland und der Türkei große Vorteile verschaffen. Und das sorgt Israel gewaltig.
Trump und Netanjahu besprachen nach Angaben aus dem Büro des Ministerpräsidenten »Wege, die Kooperation zwischen Israel und den USA gegen die iranische Aggression weiterzuführen«. Details wurden nicht bekannt gegeben. Netanjahu kündigte allerdings an, dass Israel seine Aktivitäten in Syrien verstärken werde, um gegen den Iran und die mit ihm verbündeten Milizen vorzugehen. Damit ist vor allem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah gemeint, die im Libanon stationiert, aber auch in Syrien aktiv ist.
EINFLUSS Der Fernsehkanal 10 berichtete, dass Netanjahu vergeblich versucht hatte, Trump umzustimmen. Außenminister Pompeo habe ihm zwar versichert, dass die USA auch weiterhin auf die Geschehnisse in Syrien Einfluss nehmen werden, doch wie genau, ist ungewiss. Es sei »ein Schlag ins Gesicht für Israel«, hieß es in dem TV-Bericht, denn die Präsenz der rund 2000 US-Soldaten sei das einzige Druckmittel gewesen, das Jerusalem in die Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einbringen konnte. Der soll verhindern, dass sich das Regime in Teheran noch weiter in Syrien eingräbt. Putin hatte die Neuigkeiten mit Freude aufgenommen. Auch er bediente sich der Plattform Twitter, um mitzuteilen, dass der Schritt »korrekt« sei, denn die amerikanischen Truppen würden nicht benötigt.
Für Israel heißt diese Entscheidung, dass der einzige Verbündete, auf den man sich im Kampf gegen Syrien und den Iran verlassen kann – die USA –, nicht mehr da ist. Die amerikanischen Truppen sind derzeit vor allem im Nordosten Syriens, an der Grenze zum Irak, stationiert. Der Abzug wird es Teheran erleichtern, seine angestrebte strategische Landbrücke vom Iran über den Irak und Syrien bis in den Libanon und zum Mittelmeer zu errichten. Bislang blockieren die Amerikaner einen derartigen Plan mit ihrer Präsenz vor Ort. Doch nach ihrem Fortgehen könnten hoch entwickelte Waffen vom Iran ohne große Umwege an die verbündeten Kämpfer, vor allem die Hisbollah, geliefert werden. Für Jerusalem ein Albtraumszenario.