Für israelische Touristen und Konsumenten auf ausländischen Plattformen wie Amazon oder Alibaba herrschen gerade goldene Zeiten. Selten waren Auslandsaufenthalte so günstig wie in diesen Wochen und das Online-Shopping derart verlockend – einziger Wermutstropfen: Die Coronavirus-Pandemie macht Urlaubsreisen im Moment eher zum Vabanquespiel, und der Service der Paketdienste in Israel ist legendär unzuverlässig.
Der Grund für die niedrigen Preise: die ungewöhnlich starke Landeswährung. Israelis bekommen für ihre Schekel derzeit so viele US-Dollar oder Euro wie schon lange nicht mehr. So musste man für einen US-Dollar dieser Tage nur 3,11 Schekel hinlegen.
Zwar sind es aktuell wieder etwas mehr als 3,20 Schekel. Aber generell legte der Schekel seit Beginn des Jahres 2020 gegenüber dem US-Dollar um satte zehn Prozent zu. Ähnliches lässt sich bei der europäischen Gemeinschaftswährung beobachten. Ein Euro war in diesem Monat kurzzeitig für bereits weniger als 3,80 Schekel zu haben. Zur Erinnerung: Im August 2011 stand der Kurs einmal bei über 5,23 Schekel.
KRISE »Für uns aber wird das alles zu einer existenziellen Krise«, kommentierte kürzlich Marian Cohen, stellvertretend für viele israelische Unternehmer mit einem starken Exportgeschäft, gegenüber der »Times of Israel« diese Entwicklung. »Im ersten Libanonkrieg wussten wir, dass man die Zähne zusammenbeißen und weitermachen muss«, so der Vorstandsvorsitzende der Mer Group, eines weltweit agierenden Anbieters von Sicherheitstechnologien und Smart-City-Lösungen.
»Ähnlich sah es 2014 während der Operation ›Protective Edge‹ aus, als Raketen über Aschkelon flogen.« All das waren schwierige Situationen wie auch die Finanzkrise 2008. »Aber wir wussten, dass sie eines Tages vorbei sein würden.« Wann dagegen der Höhenflug des Schekels ein Ende nimmt, das kann niemand mit Gewissheit sagen. »Viele Firmen werden das einfach nicht überleben.«
Israelische Firmen bekommen im Ausland weniger Dollar für ihre Produkte.
Denn Unternehmen wie die Mer Group haben ein handfestes Problem. Sie müssen ihre Mitarbeiter und ihre Steuern in Schekel bezahlen. Für ihre im Ausland abgesetzten Waren und Dienstleitungen aber erhalten sie zumeist Dollar. Wenn sie beispielsweise ein Produkt für 1000 US-Dollar im März 2020 verkauft hatten, gab es dafür umgerechnet rund 3700 Schekel. Aktuell aber sind es nur etwa 3200.
Solche Schwankungen bringen viele in Schwierigkeiten. Denn israelische Firmen sind oftmals dazu verdammt, einen Großteil ihrer Geschäfte international zu betreiben, weil der Markt in Israel selbst viel zu klein ist. Und so einfach mal eben die Preise erhöhen, weil der Wechselkurs für sie ungünstig ist, geht nicht. Dann ist man nicht mehr wettbewerbsfähig, und die Konkurrenz sticht einen aus.
EXPORT »Hightech-Unternehmen benötigen auch in Zeiten von Corona eigentlich keine staatlichen Hilfen«, ergänzt Aaron Mankovski. »Was aber die gesamte israelische Industrie dringend braucht, ist eine Währungspolitik, die mehr exportorientiert ist«, fordert der Geschäftsführer der Venture-Capital-Firma Pitango. »Bei einem Wechselkurs wie jetzt werden die Personalkosten in Israel zum Problem. Das kann dazu führen, dass auch viele Hightech-Unternehmen sich an anderen Orten umsehen müssen, wo sie dann ihre Mitarbeiter beschäftigen.«
Gerade für junge Start-ups, in die Investoren im Regelfall US-Dollars hineinpumpen, können die aktuellen Wechselkurse zum Stolperstein werden. »Einen Programmierer in Israel einzustellen, ist derzeit rund zehn Prozent teurer als noch vor über einem Jahr«, skizziert Gal Gitter die Situation. »Also sucht man sich talentierte Software-Entwickler eher im Ausland, weil es dort günstiger ist«, so der Manager bei Ibex Investors. »Wenn zum Beispiel eine Firma nur 30 Angestellte in Israel anstellen kann statt vielleicht 50 im Ausland, dann hat das Auswirkungen auf das gesamte Hightech-Ökosystem hierzulande.«
Doch die Ursachen sind nicht unbedingt alle hausgemacht. So schwächelte der US-Dollar im Vergleich zu anderen Währungen schon seit Längerem.
INTERVENTIONEN Israels Zentralbank hat diese Probleme mittlerweile auf dem Radar und versucht, durch Interventionen gegenzusteuern. So will man in diesem Jahr mehr ausländische Devisen dazukaufen als sonst. Von zusätzlichen 30 Milliarden US-Dollar ist die Rede. Das wäre knapp ein Drittel mehr als 2020.
Bei Bedarf könnte man sogar noch aufstocken, wie Andrew Abir, stellvertretender Direktor der Zentralbank, dieser Tage andeutete: »Wir versuchen so, kurzfristig eine weitere übermäßige Aufwertung der Währung zu verhindern.« Die Rechnung dahinter lautet, dass US-Dollars wieder mehr Schekel wert sind, sobald reichlich davon aufgekauft wird. Sofort nach seiner Ankündigung stieg der Wert des US-Dollar auch wieder von 3,11 auf 3,19 Schekel. Doch das reicht noch nicht, um von einer Trendwende zu sprechen.
In Jerusalem setzt man aber auch auf den neuen US-Präsidenten Joe Biden und sein versprochenes Konjunkturprogramm, das ein Volumen von 1,9 Billionen US-Dollar haben soll. Damit wäre es 50 Prozent größer als das der Obama-Regierung im Jahr 2009 nach der Finanzkrise. Damals gewann der US-Dollar schnell wieder an Stärke gegenüber dem Schekel zurück. Darüber freuten sich die israelischen Exporteure. Nun hofft man auf eine Wiederholung dieses Effekts. Also stoßen sie ihre US-Dollars nicht gleich ab, wie Abir anmerkte. Vielleicht ist der Höhenflug des Schekels ja doch bald vorbei.