Dieser Tage kursiert ein ungewöhnliches Foto in den sozialen Netzwerken des Landes. Zu sehen ist eine junge Sara Netanjahu im gestreiften Badeanzug. Gut sieht sie aus, wie sie so neckisch über die Schulter blickt. Darunter die Worte: »Sara – ein weiterer Beweis, dass Bibi alles zerstört, was er in die Hände nimmt«. Wenig charmant ist der Satz, der jedoch die Stimmung im Lande deutlich widerspiegelt. Höflichkeit tut sich in diesen Tagen kaum jemand an. Es gibt Neuwahlen – und da scheint alles erlaubt, was Stimmen bringt.
Mit jedem Tag, den die parteinternen Vorwahlen näherrücken, geht es auf dem Politparkett Israels turbulenter zu. Alte Verbündete werden zu erbitterten Gegnern, ungewöhnliche Allianzen geschmiedet, es wird getäuscht und geblufft. Bis zum Showdown am 17. März werden die Karten im Politpoker des Landes neu gemischt. Und alle machen mit.
vorwürfe Einer, der auf ein ganz neues Blatt setzt, ist Avigdor Lieberman. Der noch vor Kurzem als polternder Elefant im diplomatischen Porzellanladen bekannte Politiker gibt sich nun als Retter der außenpolitischen Etikette. Seinem Regierungspartner Benjamin Netanjahu wirft er vor, während der Regierungszeit keinerlei diplomatische Initiative gezeigt zu haben. Auch die Schuld an der Krise mit den USA schiebt Lieberman dem Likud zu: »Wenn man ein Veto von den USA für feindlich gesinnte UN-Resolutionen erwartet, sollte man sie nicht ständig abkanzeln. Wir müssen mit politischen Empfehlungen aufwarten, anstatt nur ständig Nein zu sagen.«
Dabei ist nicht klar, ob der eigentlich ultrarechte Chef der Israel-Beiteinu-Partei bei seinen Äußerungen ein Pokerface aufsetzt oder eine echte Kehrtwende vollzogen hat. Er könne sich vorstellen, sowohl mit einer vom Likud angeführten wie auch mit der neuen Avoda-Hatnua-Kooperation von Isaac Herzog und Zipi Livni zu koalieren, sagte Lieberman. Auf die Unkenrufe des Likud, dass Stimmen für ihn damit eine Links-Regierung heraufbeschwören, reagierte er völlig gelassen mit nur einem Satz: »Sie sind hysterisch. Genau wie die Leute vom Jüdischen Haus«.
Damit gemeint ist die Siedlerpartei von Naftali Bennett, der bei den Wahlen übrigens hohe Zuwächse prognostiziert werden. Warum, weiß niemand so genau, schließlich hat sich Bennet als Wirtschaftsminister während seiner fast zweijährigen Regierungszugehörigkeit nicht unbedingt durch Taten oder konstruktive Aussagen einen Namen gemacht. Vielleicht verhält er sich dieser Tage so ungewöhnlich still, weil er einfach nichts zu sagen hat.
Telefonsucht Ebenfalls recht wortkarg und vage gibt sich Mosche Kahlon. Der einstige Likud-Mann hat seine eigene Partei gegründet. »Kulanu« (Wir alle) soll Programm sein, doch außer den Schlagwörtern »soziale Gerechtigkeit« und »politische Abkommen mit den Nachbarn« ist nicht viel über seine Agenda bekannt. Dennoch kann Kahlon ganze Berge von Vorschusslorbeeren sein Eigen nennen. Schließlich schützte er eines der größten israelischen Heiligtümer: die Telefonsucht. Als Minister für Kommunikation senkte er die Preise der Anbieter durch die Öffnung des Marktes bis zu 90 Prozent. Und dafür lieben ihn seine Landsleute heiß und innig.
Zwei, die ebenfalls in Umfragen oben schwimmen, sind Zipi Livni und Isaac Herzog. Nach dem Zusammenschluss ihrer Parteien reiten sie auf einer Art Welle der Hoffnung. Die Netanjahu-Gegner in der Gesellschaft – von denen es zusehends mehr gibt – meinen, dass mit ihnen endlich eine realistische Alternative existiere. Zwar attestieren nicht nur Gegner dem Vorsitzenden der Avoda Mangel an Charisma, doch seine hehren Absichten, Israel in eine neue Ära führen und Frieden mit den Palästinensern schließen zu wollen, bezweifeln die wenigsten. Die von Livni indes schon eher. Sie sei nicht aus Überzeugung an Herzogs Seite, sondern nur, um nicht in der politischen Versenkung zu verschwinden, lästern Kommentatoren in liberalen und konservativen Medien gleichermaßen.
Die Frau, die einst für den Mossad arbeitete, lässt das alles an sich abprallen und versichert, als Regierungschefin – Herzog und sie haben ein Abkommen, als Premiers zu rotieren – es besser machen zu wollen. Dabei war sie selbst Bestandteil einer Regierung, die sie als »extremistisch, provokativ und paranoid« bezeichnete.
Rache Bei den Wahlen vor fünf Jahren gewann Livni als Kadima-Vorsitzende die meisten Sitze in der Knesset. Trotzdem war es Netanjahu, der den Job des Premiers bekam, nachdem sie nicht in der Lage gewesen war, eine Koalition auf die Beine zu stellen. Für Livni wäre ein Sieg im kommenden Jahr also nicht nur ein grandioses Comeback, sondern auch eine zuckersüße Rache.
Auch die Ultraorthodoxen mischen beim Politpoker mit. Interne Ränkespiele in der sefardischen Schas-Partei ließen den Ex-Vorsitzenden Eli Yishai nach 30 Jahren seinen Hut nehmen. Seine neue Partei »Maran« sei offen für Zusammenschlüsse, hieß es.
Zurückhaltung In eleganter Zurückhaltung übt sich derweil Gideon Sa’ar. Der beliebte Ex-Innenminister hatte sich vor einigen Monaten aus der Knesset zurückgezogen, um mehr Zeit für seinen neugeborenen Sohn zu haben. Trotzdem wollte Saar bei den partei-internen Wahl zum Likud-Chef kandidieren. Doch nach der Ankündigung Netanjahus, die Abstimmung um eine Woche vorzuverlegen, zog er seine Bewerbung zurück.
Sa’ar hat Geduld. Bei einem Hauen und Stechen mit Netanjahu zu diesem Zeitpunkt wäre er Gefahr gelaufen, sich politisch das Genick zu brechen. Doch darauf wollte es der Ehemann der Fernsehjournalistin Geula Even nicht ankommen lassen. Keine Frage, dass er Größeres im Visier hat. Sa’ar und Even werden schon eine Weile als Powerpaar Israels gehandelt. Werfen sie ihren sprichwörtlichen Hut in den Ring, könnte es für die Netanjahus an der Spitze eng werden – politisch wie optisch.