Israel und Jordanien

Auf bessere Nachbarschaft

Gipfeltreffen: Benjamin Netanjahu im Gespräch mit König Abdullah II. in Amman Foto: dpa

Es kommt neuer Schwung in die israelisch-jordanische Zweckehe: Die beiden Länder, bisher vor allem durch Sicherheitsinteressen verbunden, planen eine Reihe gemeinsamer Wirtschaftsprojekte. Das ehrgeizigste Vorhaben ist eine 200 Kilometer lange Pipeline, ausgehend vom Roten Meer, die jährlich 300 Millionen Kubikmeter Wasser transportieren soll.

Ein Teil des Wassers soll gereinigt und als Trinkwasser weitergeleitet werden: 35 Millionen Kubikmeter an Israel, 30 Millionen an Jordanien und 20 Millionen an die Palästinensische Autonomiebehörde, berichtet Hashem Hussein, Generaldirektor des israelischen Ministeriums für regionale Entwicklung. Das übrige Wasser soll ins Tote Meer gepumpt werden, dem die Austrocknung droht. Auf 400 Millionen US-Dollar werden die Kosten für die erste Phase des Projekts geschätzt, die USA wollten ein Viertel davon beisteuern, sagt Hussein. Die Arbeiten sollen 2018 beginnen.

Zudem planen die beiden Länder eine gemeinsame grenzübergreifende Industriezone, deren israelische Hälfte südlich der Grenzstadt Bet Shean liegen soll. Eine Million Schekel (230.000 Euro) habe Israel schon investiert, um die Region von Minen zu befreien, berichtet Hussein, weitere 60 Millionen Schekel (14 Millionen Euro) seien für den Bau einer Brücke zur jordanischen Seite vorgesehen.

ressourcen Mehrere große Firmen hätten bereits Interesse angemeldet, eine Fabrik in der Zone zu errichten, darunter ein deutsches Unternehmen. Bereits Ende 2014 unterzeichneten die beiden Länder eine Einverständniserklärung über umfangreiche Erdgaslieferungen aus Israels Leviathan-Feld nach Jordanien. Die endgültige Einigung wurde von innerisraelischen Debatten um die Ausbeutung des Erdgasfelds verzögert, wird aber in der näheren Zukunft erwartet.

Nicht nur Wasser und Waren sollen bald leichter die Grenze überqueren, sondern auch Menschen. Seit Anfang des Jahres arbeiten bereits 1000 Jordanier in der israelischen Grenzstadt Eilat – ein Pilotprojekt, das wirtschaftliche Bedürfnisse beider Seiten abdeckt: Die israelischen Hotels können schwer zu besetzende Service-Stellen füllen, die Jordanier erhalten höhere Gehälter als in ihrem eigenen Land. »Eine große Erfolgsgeschichte«, nennt Hussein das Projekt. »Die Jordanier sind sehr gute Arbeiter.« Deshalb sollen bald noch mehr ihrer Landsleute die Seiten wechseln: Demnächst sollen 2000 Jordanier Arbeitsgenehmigungen für Betriebe im Norden Israels erhalten, später »mehrere Hundert« für israelische Hotels am Toten Meer.

Dass die beiden Länder, die 1994 Frieden schlossen, in puncto Sicherheit und Terrorbekämpfung kooperieren, ist bekannt. Die Belebung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist jedoch ein neues Phänomen, das sich zum Teil auf die aktuellen Nöte Jordaniens zurückführen lässt: Das rohstoffarme Land, ohnehin chronisch von ausländischer Hilfe abhängig, muss seit Ausbruch des Syrienkrieges zusätzliche Ressourcen aufbringen, um über eine Million syrischer Flüchtlinge zu versorgen.

Die geplante Pipeline kommt keinen Moment zu früh: Nach Angaben der Vereinten Nationen leiden nur drei Länder weltweit noch stärker unter Wasserarmut als Jordanien. Doch abseits schierer Notwendigkeit nimmt Hashem Hussein insgesamt eine neue Offenheit bei seinen jordanischen Gesprächspartnern wahr. »Wir spüren, dass sich ihre Haltung verändert hat«, sagt er. Ob die Wirtschaftsprojekte den Weg auch zu einer kulturellen Annäherung bahnen könnten, bleibt jedoch offen. »Wir hoffen es, aber wir wissen es noch nicht. Wir machen einen Schritt nach dem anderen.«

Konflikt Viele Jordanier sehen Israel weiterhin durch die Linse des israelisch-palästinensischen Konflikts, sagt Oded Eran, der früher als Israels Botschafter in Amman diente und heute am israelischen Institute for National Security Studies (INSS) forscht. »Solange der Konflikt nicht gelöst ist und sich auch keine Lösung abzeichnet, stellt er eine Hürde auf dem Weg zu umfassender Kooperation dar.«

Tatsächlich ist jedoch in jüngster Zeit Bewegung in die kulturellen Beziehungen geraten, abseits offizieller Kanäle: Seit 2014 operiert in der jordanischen Hauptstadt das »Center for Israel Studies Amman«, ein regierungsunabhängiger Think Tank, der der jordanischen Bevölkerung ein differenziertes Israelbild vermitteln will. Gründer dieser in der arabischen Welt einzigartigen Initiative ist der jordanische Politikwissenschaftler Abdullah Swalha. »In Jordanien hören wir ständig vom israelisch-palästinensischen Konflikt, aber wir wissen nichts über Israels Gesellschaft und sein politisches System«, sagt Swalha im Skype-Gespräch. »Wir wollen die Kluft zwischen den beiden Ländern schließen, indem wir Informationen über Israel bereitstellen.«

Zu diesem Zweck unterhält sein Center eine Facebook-Seite, ein arabischer YouTube-Kanal ist geplant, und im Mai dieses Jahres organisierte das Center in Kooperation mit der Universität Tel Aviv die Reise einer Delegation von fünf jordanischen Studenten nach Israel. Offenbar mit einschlägiger Wirkung. »Was mir über Israel erzählt wurde, hat nichts mit der Realität zu tun. Ich dachte, das Land sei eine einzige riesige Armee«, sagte eine Studentin in der abschließenden Feedback-Runde, wie sich eine der Organisatorinnen der Reise erinnert. In der Zukunft will Swalha noch mehr jordanische Studenten nach Israel schicken sowie israelische Studenten nach Jordanien einladen.

In die geplanten Infrastrukturprojekte setzt der Politikwissenschaftler große Hoffnung. »Wir könnten eine ähnliche Erfahrung wie Europa machen«, sagt er. »Auch dort begannen die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Krieg mit der Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Wären die Jordanier überzeugt, dass Kooperation mit Israel in ihrem wirtschaftlichen Interesse ist – beispielsweise, wenn der Gaspreis in Jordanien aufgrund des Abkommens mit Israel sinken würde –, dann würden die Menschen gute Beziehungen zu Israel begrüßen.«

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