Viel wird gemunkelt. Wird es Massendemonstrationen geben? Werden sie friedlich sein? Gibt es wieder Terror? Der 20. September, der Tag, an dem die Palästinenser vor den Vereinten Nationen die Anerkennung ihres eigenen Staates durchsetzen wollen, steht vor der Tür.
Derweil bemühen sich alle Seiten angestrengt, ein äußerst entspanntes Bild abzugeben und der Bevölkerung auf allen Seiten »business as usual« zu präsentieren. Die israelische Armee will sich nicht konkret äußern, inwieweit sie die jüdischen Siedlungen im Westjordanland vorbereitet. Das einzige offizielle Statement lautet: »Wir treffen immer irgendwelche Vorbereitungen.« Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas fährt die friedliche Tour: Eine dritte Intifada gegen Israel schließt er kategorisch aus.
Armee Die Tageszeitung Haaretz jedoch berichtete vor einigen Tagen, dass ihr ein Papier vorliege, welches die IDF-Aktion – genannt »Samen des Sommers« – detailliert beschreibt. Monatelang seien die für die Sicherheit innerhalb der Siedlerbewegung Verantwortlichen von der Armee trainiert worden, um mit allen Eventualitäten vertraut gemacht zu werden.
Entsprechend des Dokuments, schreibt Haaretz, werden nach einer Erklärung der Unabhängigkeit »hauptsächlich Massenunruhen« erwartet. Das könnten Märsche auf wichtige Straßenkreuzungen, jüdische Gemeinden und Bildungseinrichtungen sein, auch könnte versucht werden, Symbole des israelischen Staates zu beschädigen. Eine weitere Möglichkeit seien gewalttätige Szenen, etwa Schüsse innerhalb palästinensischer Massendemonstrationen.
rote linie Angeblich seien in Zusammenarbeit mit der Armee präventiv »zwei Linien für jede Siedlung« bestimmt worden. Werde die Erste von palästinensischen Protestanten überquert, seien die Soldaten und Sicherheitsleute angehalten, Tränengas einzusetzen. Würde die Zweite, die sogenannte Rote durchbrochen, solle auf die Füße der Demonstranten gezielt werden.
In den vergangenen Wochen seien die Siedlungen auf »Schwachstellen in der Verteidigung« untersucht worden. Nach Auskunft von Roni Arzi, Pressesprecher des Jescha-Rates, der die jüdischen Siedlungen im Jordanvorland vertritt, seien die Vorbereitungen in der Tat hauptsächlich militärischer Natur. »Seit zwei Monaten gibt es eine sehr intensive Kooperation zwischen uns und der israelischen Armee, um jegliche Szenarien durchzuspielen«, sagte er im Interview. Es gäbe tatsächlich »so etwas wie zwei Linien für jede einzelne Siedlung«, Details dazu dürfe er jedoch nicht preisgeben. Sicherheitsmaßnahmen ziviler Einrichtungen bestünden nicht, insistierte er.
Arzi betont, dass die Botschaft der palästinensischen Führung bislang eine friedliche war. »Sie sagen, sie wollen ausschließlich Paraden ohne Gewalt veranstalten. Wenn es tatsächlich so ablaufen wird, werden wir Bonbons an die Palästinenser verteilen. Wir wollen keine Gewalt. Dennoch müssen wir vorbereitet sein.«
Ganz so friedfertig soll es aber doch nicht zugehen – zumindest in Sachen Propaganda: »Wir werden versuchen, die palästinensische Beeinflussung der Welt zu unseren Gunsten zu wenden.« Die arabischen Nachbarn, meint Arzi, wollten zeigen, wie schrecklich Israel sei, und mit Bildern wie »palästinensische Schulkinder gegen Soldaten« Stimmung gegen den jüdischen Staat machen. Hier will die Organisation »MyIsrael« als Gegenmaßnahme friedliche Paraden von Zivilisten veranstalten, die den Palästinensern »mit Ölzweigen in der Hand« gegenübertreten. Auch sollten alle »jüdischen Häuser in der Westbank in ein blau-weißes Flaggenmeer« verwandelt werden.
terror Der Beauftragte der israelischen Polizei, Yochanan Danino, sprach am Montag auf einer Konferenz zu Maßnahmen gegen Terrorismus über die Vorbereitungen. »Das Wichtigste ist, dass wir auf alles vorbereitet sind. Der September birgt eine neue Herausforderung für die israelischen Sicherheitskräfte, derartige Events haben immer explosives Potenzial.« Am Tag zuvor hatten Armee und Polizei gemeinsame Übungen abgehalten, die sämtliche Szenarios durchspielten, von harmlosen bis zu extrem bedrohlichen.
»Wir erwarten Demonstrationen, und ich werde meine Leute anweisen, auf dieselbe Art umzugehen wie mit den Zeltprotesten – geduldig und sensibel.« Der Sicherheitsexperte sagte, die Polizei habe ihre Vorräte an nicht-scharfen Mitteln zur Auflösung von Massendemonstrationen um 50 Prozent aufgestockt, um die Verluste so gering wie möglich zu halten. »Sollte es dennoch Gewalt geben, wird unmittelbar und kompromisslos dagegen vorgegangen.«