Noch vor wenigen Tagen lobte Israels Präsident Reuven Rivlin bei seinem Kurzbesuch in Berlin Deutschland – und sprach von einer »echten Freundschaft« zwischen den beiden Ländern, die in den letzten Jahren entstanden sei.
EMBARGO Doch diese Freundschaft erhielt am Dienstag einen kleinen Dämpfer. Mit Kopfschütteln wurde in Israel konstatiert, dass sich Deutschland – aktuell Mitglied des in Genf ansässigen Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen – für eine Entschließung stimmte, in der ein Waffenembargo gegenüber Israel gefordert wurde.
Der von Deutschland mitbeschlossene Antrag fordert in Punkt 16 »alle Staaten nachdrücklich auf«, von der Weitergabe von Kriegswaffen an die Konfliktparteien abzusehen, wenn sie »zu der Einschätzung gelangen, dass ein eindeutiges Risiko besteht, dass diese Waffen zur Begehung oder Erleichterung schwerer Verletzungen oder Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen oder schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht« dienten.
AGENDA Die Resolution des Rates ist wie so viele andere nicht bindend. Dennoch wurde mit Irritation vernommen, dass zwar Großbritannien, Österreich, Tschechien, Bulgarien und andere europäische Staaten dem Papier ihre Zustimmung verweigerten, die deutsche UN-Delegation im Menschenrechtsrat es aber abnickte.
Der israelfeindliche Antrag war fast schon traditionell von Pakistan, Venezuela, den Palästinensern und einigen anderen Staaten eingebracht worden. Dieses Mal beriet der Menschenrechtsrat die Sache unter dem Tagesordnungspunkt 2 - von einigen Diplomaten wurde das bereits als Fortschritt gewertet.
Denn normalerweise knöpft sich das UN-Gremium Israel in einem eigens geschaffenen sogenannten »Item 7« auf der Agenda vor. Dort werden dann ausführlich angebliche Verletzungen des jüdischen Staates in den im UN-Jargon OPT genannten, 1967 von Israel im Sechstagekrieg eroberten Gebieten angeprangert. Einige Länder, darunter Großbritannien, verweigern sich mittlerweile dem obligatorischen Israel-Bashing unter Item 7 und verlassen dann den Sitzungssaal.
Dies war dieses Mal nicht notwendig. Der britische UN-Vertreter Julian Braithwaite sprach in der Debatte ausdrücklich von einem positiven Signal der palästinensischen Seite, auch wenn sein Land trotz Kritik an Israel in einigen Punkten dem Antrag am Ende nicht zustimmte.
IMPFSTOFFVERSORGUNG Denn auch der dieses Mal beschlossene Resolutionstext sparte nicht mit scharfer Kritik an Israels Besatzung. Mehr als 20 problematische Einzelaspekte handelte das Papier ab. In fast jedem wurde Israel als »Besatzungsmacht« die Alleinverantwortung zugeschoben. Verfehlungen der palästinensischen Seite wurden dagegen praktisch mit keiner Silbe erwähnt.
Neben der üblichen Kritik an Israel verlangt der UN-Text in diesem Jahr auch, dass Israel den Palästinenser einen »diskriminierungsfreien Zugang zu Impfstoffen gegen das Coronavirus« in Zusammenarbeit mit der »Regierung des Staats Palästina« gewähren müsse. Dies sei eine »völkerrechtliche Verpflichtung«, behauptete der Rat in der mit 32 Ja- und sechs Neinstimmen verabschiedeten Erklärung. Auf die Osloer Verträge, in denen der Gesundheitsbereich der Palästinensischen Autonomiebehörde übertragen wurde, geht die Erklärung nicht ein.
Gleich als zweite Rednerin in der Aussprache ergriff Österreichs Botschafterin bei den Vereinten Nationen in Genf, Elisabeth Tichy-Fisslberger, das Wort. Sie gab für die EU eine gemeinsam ausgearbeitete Stellungnahme ab. Sie dankte den Palästinensern, der Zusammenlegung der Tagesordnungspunkte 2 und 7 zugestimmt zu haben, sagte dann aber nicht, wie die EU-Staaten im Rat sich zur Resolution verhalten würden.
Israels UN-Vertreterin Meirav Eilon Shahar sagte, die Resolution sei »einseitig und verzerrend« und trage nur zur Verhärtung des Konflikts vor Ort bei. Mit der Realität habe das alles nichts zu tun. Die Hamas werde noch nicht einmal erwähnt; die Palästinenser würden pauschal von jeglicher Verantwortung für Probleme freigesprochen, während Israel als der Buhmann da stehe. Länder, die einer solchen Resolution zustimmten, könnten nicht als ehrliche Vermittler im Nahostkonflikt auftreten, so Eilon Shahar.
EUROPÄER UNEINIG Doch das hielt Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, die Niederlande und Polen nicht davon hab, für das Papier die Hand zu heben. Österreich, Brasilien, Bulgarien, Kamerun, Malawi und Togo stimmten mit Nein, acht weitere Mitgliedsstaaten des Gremiums enthielten sich. Bahrain, dass vor einigen Monaten ein Friedensabkommen mit Israel geschlossen hatte, nahm an der Abstimmung nicht teil.
Hatten sich im vergangenen Jahr noch 17 Staaten bei der Abstimmung enthalten, war die Mehrheit am Dienstag für die scharfe Verurteilung Israels wieder deutlich größer. Auch Deutschland leistete wieder einen Beitrag dazu. Warum, war nicht unmittelbar klar. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen hieß es aus dem Auswärtigen Amt (AA), die Bundesregierung setze sich gegen eine unfaire Behandlung Israels in den Vereinten Nationen ein. Dies gelte ganz besonders für den Menschenrechtsrat.
AUSWÄRTIGES AMT Ziel sei es, die Anzahl der »Item 7-Resolutionen« zu reduzieren, was in diesem Jahr gelungen sei. Von ursprünglich vier Resolutionen hätten die Palästinenser nur noch zwei eingebracht. Laut Auswärtigem Amt sei dies das »Ergebnis intensiver Verhandlungen mit den Palästinensern« gewesen, die die EU gemeinsam geführt habe. Die Abstimmung sei nicht vorab im Bundeskabinett besprochen worden, Außenminister Maas sei aber mit der Sache betraut gewesen, hieß es.
Man bemühe sich um ein möglichst einheitliches Stimmverhalten der Europäer. Nur so könne man in den Verhandlungen Einfluss nehmen. Auch mit Israel stehe man im Austausch.
Ein Waffenembargo gegen Israel lasse sich, hieß es im AA weiter, aus der gestern verabschiedeten Resolution nicht ableiten. Die Aufforderung an die Staatengemeinschaft, im Kontext des Nahostkonflikts die Grundsätze des Völkerrechts zu beachten und dabei auch die potentiellen Auswirkungen von Waffenlieferungen auf den Konflikt zu berücksichtigen, finde sich auch in UN-Resolutionen zu anderen Regionen.
Am Mittwoch dankte Israels Botschafter in Wien, Mordechai Rodgold, auf Twitter der österreichischen Regierung für ihr Abstimmungsverhalten. Sein Kollege Jeremy Issacharoff in Berlin äußerte sich nicht.