Jerusalem kommt nicht zur Ruhe. Am Mittwochabend schoss ein Mann auf offener Straße auf den Tempelberg-Aktivisten Yehuda Glick und verletzte ihn schwer. Der vermeintliche Attentäter, ein palästinensischer Ex-Häftling aus dem Ostjerusalemer Viertel Abu Tor, ist bei einem Schusswechsel mit der Polizei in den frühen Morgenstunden des Donnerstag getötet worden. Der Tempelberg wurde daraufhin abgeriegelt – zum ersten Mal seit dem Jahr 2000.
Glick, ein amerikanischer Einwanderer, ist bekannt dafür, jüdische Gruppen auf den Tempelberg zu führen, um dort zu beten. Dabei kommt es immer wieder zu Ausschreitungen, denn viele Moslems sehen das als Provokation und haben Sorge, dass Juden einen dritten Tempel an dieser Stelle errichten wollen.
Likud Glick und seine Anhänger wollten auf dem Platz der drittheiligsten Stätte des Islam ihre Fürbitten sprechen. Mit von der Partei ist –wie fast immer – der Knessetabgeordnete Mosche Feiglin des rechten Flügels im Likud.
Er war vor Ort, als der Angreifer auf Glick feuerte. Seiner Beschreibung zufolge habe sich der Mann »mit gebrochenem Hebräisch und starkem arabischen Akzent« sogar noch erkundigt, ob es sich tatsächlich um Glick handele. Der Zustand des Verletzten ist nach Angaben von Ärzten im Schaarei Zedek Krankenhaus »ernst aber stabil«.
Sicherheitsminister Yitzhak Aharonovitch erklärte, dass ein Mordversuch gegen einen solch bekannten Mann ein schwerwiegendes Verbrechen sei und verkündete anschließend, dass sich Jerusalem in Alarmbereitschaft befinde und Hunderte zusätzliche Sicherheitskräfte auf den Weg in die Stadt seien. Außerdem ist der Tempelberg für sämtliche Besucher – Juden und Moslems – seit der Nacht zum Donnerstag auf unbestimmte Zeit komplett geschlossen. Damit wurde das Gebiet zum ersten Mal seit dem Besuch es einstigen Regierungschefs Ariel Scharon im Jahr 2000 abgeriegelt.
Intifada Die Situation in Jerusalem scheint mehr und mehr zu eskalieren. Einige Kommentatoren sprechen davon, dass die »dritte Intifada« bereits da sei, andere beschuldigen der Regierung, nicht in der Lage zu sein, für Entspannung zu sorgen. Immer wieder bricht sich die Gewalt in den arabischen Viertel und auf dem Tempelberg Bahn, werfen junge Palästinenser Steine und Brandbomben auf öffentliche Verkehrsmittel, Autofahrer, die Polizei und sogar unbeteiligte Passanten. Schon mehrfach mussten Sicherheitskräfte den Zugang zum Tempelberg in den letzten Wochen beschränken.
Der jordanische Botschafter in Tel Aviv, Walid Obeidat, hatte daraufhin vor wenigen Tagen die Besorgis geäußert, dass »eine Änderung des Status Quo zu einer Explosion der Gewalt führen könnte«.
Netanjahu Jordanien hat eine besondere Überwacherrolle bei den moslemischen Heiligen Stätten in Jerusalem inne. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte jedoch immer, dass sich nichts am Stand der Dinge ändern werde.
Doch gerade das hätte manch einer gern anders. Wie Feiglin und seine Mitstreiter, die eine generelle Erlaubnis für Juden fordern, auf dem Tempelberg beten zu können. Sogar kurz nach dem Attentat auf Glick verkündete Feiglin gemeinsam mit der Parlamentarierin Schuli Mualem vom Jüdischen Haus, dass sie am Donnerstagmorgen gen Tempelberg ziehen wollen.
Das wird nun nicht geschehen. Denn, wie der Sicherheitsminister klar machte, »gibt es viele Seiten, die versuchen, die Situation eskalieren zu lassen. Unsere Bestrebung aber ist es, die Ruhe wieder herzustellen«.