Bei einem Großangriff des israelischen Militärs auf Dschabalia im Norden des Gazastreifens sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Bei dem Schlag wurden nach Angaben der Armee am Dienstag rund 50 Terroristen getötet, darunter ein Drahtzieher des Massakers der islamistischen Hamas in Israel vom 7. Oktober. Laut einem Arzt des Kamal-Adwan-Krankenhauses kamen mindestens 35 Menschen bei dem Angriff ums Leben, darunter auch Kinder und Frauen. Zudem seien mehr als 200 Verletzte in die Klinik eingeliefert worden, sagte Hussam Abu Safija der Deutschen Presse-Agentur. Auf die zivilen Opfer des Großangriffs angesprochen, sagte ein Sprecher der isrealischen Armee dem US-Fernsehsender CNN: »Das ist die Tragödie des Krieges.«
Angriff auf »Hamas-Hochburg«
Auf Aufnahmen aus der bombardierten Stadt sind große Krater und völlig zerstörte Häuser zu sehen. Palästinenser suchen in den Trümmerbergen nach Überlebenden und Leichen. Nach Darstellung des von den Terroristen der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen wurden bei dem Angriff auf Dschabalia »Hunderte Menschen« verletzt und getötet. Eine exakte Angabe zur Zahl der Toten machte die Behörde nicht. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Das israelische Militär sprach von einem »groß angelegten Angriff« auf eine »militärische Hochburg der Hamas« im Westen der Stadt. Dort seien unter anderem Terroristen ausgebildet worden. Neben Bodentruppen seien auch Kampflugzeuge an dem Angriff beteiligt gewesen. Infolge der Bombardierungen seien auch Tunnel eingestürzt.
Israel: Drahtzieher der Hamas-Massaker unter Toten
Bei dem Einsatz wurde demnach der Hamas-Kommandeur Ibrahim Biari getötet, der den Angaben nach unter anderem an den Massakern im israelischen Grenzgebiet von vor dreieinhalb Wochen beteiligt gewesen war. Dieser habe sich - wie für die Hamas üblich - zwischen Zivilisten versteckt. Die islamistische Organisation habe in der Gegend die Kontrolle über zivile Gebäude gehabt, hieß es weiter. Unterdessen kamen bei Kämpfen mit der Hamas auch zwei israelische Soldaten ums Leben. Die beiden 20 Jahre alten Männer seien am Dienstag im Norden des Küstengebiets ums Leben gekommen, hieß es.
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich »zutiefst beunruhigt« über die Verschärfung des Konflikts. Dazu gehörten die Ausweitung der Bodenoperationen der israelischen Streitkräfte genauso wie intensivierte Luftangriffe und der anhaltende Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel, teilten die Vereinten Nationen am Dienstag in New York mit. Guterres forderte erneut einen humanitären Waffenstillstand und ungehinderten Zugang von Hilfskräften in den Gazastreifen.
Südamerikanische Länder verurteilen Israels Vorgehen
Bolivien brach unterdessen die diplomatischen Beziehungen zu Israel wegen dessen Angriffen auf den Gazastreifen ab. Das südamerikanische Land habe die Entscheidung »in Ablehnung und Verurteilung der aggressiven und unverhältnismäßigen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen und der Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit« getroffen, erklärte das Außenministerium am Dienstag.
Gleichzeitig beorderten die südamerikanischen Länder Chile und Kolumbien ihre Botschafter für Konsultationen zurück. »Chile verurteilt die Militäroperation im Gazastreifen auf das Schärfste und stellt mit großer Besorgnis fest, dass dieser Einsatz, der eine kollektive Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung darstellt, die grundlegenden Normen des Völkerrechts nicht einhält«, hieß es in einer Mitteilung des chilenischen Außenministeriums.
Israel ruft erneut Zivilisten zur Flucht auf
Israels Armee hatte die Einwohner des nördlichen Gazastreifens mehrfach dazu aufgerufen, sich im Süden in Sicherheit zu bringen, da sie im Norden die Einrichtungen der islamistischen Hamas bekämpfen will. Doch auch im Süden kommt es zu israelischen Luftangriffen. Die Armee wiederholte derweil ihren Aufruf, in den Süden zu fliehen.
Dort trafen am Dienstag weitere 59 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfsgütern ein. Damit sind nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Beginn des Gaza-Krieges etwas mehr als 200 Lastwagen in dem von Israel abgeriegelten Küstengebiet eingetroffen. Laut UN werden jedoch täglich 100 Lkw-Ladungen benötigt, um die 2,2 Millionen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Vor Kriegsbeginn kamen nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA im Schnitt 500 Lkw in das Gebiet - jeden Tag.
Zusammenstöße auch im Westjordanland
Unterdessen kam es auch im Westjordanland wieder zu Zusammenstößen mit dem israelischen Militär, bei denen am Dienstag dem von der extremistischen Fatah kontrollierten Gesundheitsministerium zufolge zwei Menschen getötet wurden. Sechs weitere Menschen seien bei der Razzia verletzt worden, eine Person davon lebensgefährlich. Die Lage im israelisch besetzten Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas noch einmal erheblich verschärft.
USA verstärken Abschreckung in Nahost
Das US-Militär verlegt derweil weitere 300 Soldaten in den Nahen Osten, aber nicht nach Israel, teilte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Dienstag in Washington mit. Ziel sei, die Abschreckungsbemühungen in der Region zu unterstützen und den Schutz der US-Streitkräfte dort zu verstärken. Die USA verlegten zuvor bereits mehrere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region. Im Irak und in Syrien waren US-Kräfte in den vergangenen Tagen Ziel von Attacken proiranischer Milizen.
Was am Mittwoch wichtig wird
Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen könnte nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmondes geöffnet werden, um verwundete Palästinenser zur Behandlung nach Ägypten zu lassen. Die Mitarbeiter seien informiert worden, sich für Mittwoch bereitzuhalten, sagte der Generalsekretär des Roten Halbmonds im Nord-Sinai, Raed Abdel Nasser, der Deutschen Presse-Agentur. Rafah ist der einzige Übergang im Gazastreifen, der nicht von Israel kontrolliert wird. dpa