Die Lage im Nahen Osten hat sich nach dem heftigen militärischen Schlagabtausch zwischen der libanesischen Terrororganisation Hisbollah und der israelischen Armee (IDF) stabilisiert, bleibt aber angespannt. Das US-Verteidigungsministerium wies das amerikanische Militär an, zwei Flugzeugträger und deren Begleitschiffe in der Region zu belassen.
Am späten Abend feuerte die mit der Hisbollah verbündete Hamas (beide Terrorgruppen werden von Teheran finanziert und greifen Israel ständig an) nach Angaben der IDF aus dem Süden des Gazastreifens eine Rakete in Richtung Tel Aviv, die aber in offenem Gebiet südlich der israelischen Küstenmetropole eingeschlagen sei.
Nach Angaben von Sanitätern verletzte sich eine Frau, als sie in einen Schutzraum eilte. Zuvor waren in der ägyptischen Hauptstadt Kairo die Gespräche über eine Waffenruhe ergebnislos geblieben. Die israelische Delegation reiste schon nach wenigen Stunden wieder ab, wie aus Kreisen am Flughafen von Kairo verlautete.
Größerer Konflikt
Auch Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani und die Vertreter der Hamas-Terroristen verließen die Stadt wieder. Es gebe eine »schwierige Pattsituation«, wurde der Deutschen Presse-Agentur aus ägyptischen Sicherheitskreisen berichtet.
Die USA, Katar und Ägypten wollen mit einer Waffenruhe und der Freilassung von Geiseln auch erreichen, dass es zu keinem Flächenbrand in der Region kommt. Sie vermitteln im seit fast elf Monaten andauernden Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas, da beide Seiten direkte Gespräche miteinander verweigern.
Nach dem großangelegten Raketenangriff der Hisbollah auf Israel und den Gegenangriffen des israelischen Militärs im Libanon hätten die regionalen Militärmächte den Wunsch signalisiert, eine Gewaltspirale zu vermeiden, die zu einem größeren Konflikt in Nahost führen könnte, berichtete das »Wall Street Journal«.
Huthi und Iran
So schlug der Chef der Hisbollah, Hassan Nasrallah, im Anschluss an den Angriff vergleichsweise zurückhaltende Töne an: »Unser Ziel war von Anfang an, keine Zivilisten anzugreifen, sondern militärische Ziele.« In seiner wie üblich scharfen Rhetorik gegen Israel sagte Nasrallah zugleich, dass Angriffe des Iran und der Huthi-Miliz im Jemen auf Israel noch bevorstünden.
Auch die Hisbollah behalte sich die Option weiterer Angriffe vor. Die Reaktion auf die Tötung ihres Militärkommandeurs Fuad Schukr durch Israel Ende Juli sei aber vorerst beendet - und der Libanon könne »durchatmen«.
Vor dem Angriff am frühen Sonntagmorgen hatte Israels Armee nach eigenen Angaben eine »unmittelbare Gefahr für die Bürger des Staates Israel« erkannt und daraufhin begonnen, zahlreiche Ziele im Südlibanon anzugreifen. Die Armee habe Tausende Raketen zerstört, die auf den Norden Israels gerichtet gewesen seien, sowie »viele andere Bedrohungen entfernt«, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dies sei aber »nicht das Ende der Geschichte«.
»Schlag ins Gesicht«
Die Hisbollah wolle keinen größeren Krieg, sagte Danny Citrinowicz vom Institut für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv dem »Wall Street Journal«. Mohanad Hage Ali, stellvertretender Direktor für Forschung am Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center in Beirut, sagte der Zeitung, die begrenzten Verluste auf israelischer Seite machten deutlich, dass die Hisbollah den Konflikt in Grenzen halten wolle.
In Israel wurde nach Militärangaben ein Soldat getötet. Laut Medienberichten wurde der 21-Jährige auf einem Marineboot von herabstürzenden Teilen einer israelischen Abwehrrakete getroffen. Im Libanon starben drei Menschen.
Die Huthi lobten den »großen und mutigen Angriff« der Hisbollah. Die Hamas sprach von einem »Schlag ins Gesicht« der israelischen Regierung. Eine mögliche zweite Phase der Vergeltung dürfte maßgeblich vom Verlauf der Gaza-Verhandlungen abhängen.
»Eiserne Entschlossenheit«
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bekräftigte in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant Israels Recht, sich selbst zu verteidigen, wie das Pentagon mitteilte. Gleichzeitig habe er Galant der »eisernen Entschlossenheit« der USA versichert, Israel bei der Abwehr von Bedrohungen durch den Iran und dessen regionaler Partner zu unterstützen.
Unterdessen traf am Abend US-Generalstabschef Charles Brown in Israel ein. Er werde unter anderem den israelischen Generalstabschef Herzi Halevi treffen, teilte das israelische Militär mir. In Browns Gesprächen werde es um sicherheitspolitische und strategische Fragen angesichts der Bedrohungen im Nahen Osten gehen.
Das israelische Militär werde die Beziehungen zu den US-Streitkräften weiter vertiefen, um die regionale Stabilität und die Koordinierung zwischen den beiden Streitkräften zu stärken.
Zwei Flugzeugträger
Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Sie hatten zuletzt zusätzliche Kriegsschiffe, Flugzeuge und auch ein mit Raketen bestücktes U-Boot in die Region verlegt - wohl auch, um Israel im Fall eines Angriffs durch Kräfte im Libanon oder den Iran unterstützen zu können. In der Region befinden sich seit vergangener Woche neben dem bereits zuvor dort stationierten Flugzeugträger »USS Theodore Roosevelt« auch der Flugzeugträger »USS Abraham Lincoln« und dessen Begleitschiffe.
Unterdessen sind nach Warnungen vor einem massiven Polio-Ausbruch Impfstoffe gegen die Krankheit in den umkämpften Gazastreifen gebracht worden. Es seien Impfstoffe für 1,25 Millionen Menschen über den Grenzübergang Kerem Schalom in den Küstenstreifen transportiert worden, teilte die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat mit.
»In den kommenden Tagen werden internationale und örtliche medizinische Teams an verschiedenen Orten im Gazastreifen bisher ungeimpfte Kinder gegen Polio impfen«, hieß es in der Mitteilung. UN-Vertreter hatten gefordert, eine Feuerpause für Polio-Impfungen für Hunderttausende Kinder in dem Kriegsgebiet zu ermöglichen. dpa/ja