Es soll wundervoll werden. Das zumindest verspricht die angehende First Lady Melania Trump Sara Netanjahu, der Ehefrau des israelischen Premierministers. In einem Telefonat hätten die beiden Damen »warm und herzlich« miteinander geplaudert, postete Benjamin Netanjahu am Dienstag auf seiner Facebook-Seite. Man werde »bei der nächstbesten Gelegenheit nach Washington eingeladen« und freue sich schon auf den Besuch. Doch wahrlich nicht alle frohlocken beim Gedanken an Donald Trump als nächster Präsident der USA.
Viele Israelis befürchten, dass Trumps impulsive und unberechenbare Art nun auch Einzug ins Oval Office halten wird. In einer Fernsehumfrage unmittelbar nach der Wahl wurden verschiedene Knessetabgeordnete um eine Stellungnahme gebeten, was sie von Trumps Politik erwarten. Einige gaben an, dass ihnen sein Mangel an Erfahrung und Besonnenheit Sorgen bereite. Die überwiegende Mehrheit aber zuckte mit den Schultern und meinte, dazu könne man noch gar nichts sagen, denn »nobody knows ...«.
Die meisten israelischen Politiker halten sich mit negativen Aussagen zurück, äußern sich höflich und vage. Vor allem in Hinblick auf Trumps hitziges Gemüt will es sich offenbar niemand von vornherein mit dem kommenden Präsidenten des wichtigsten Verbündeten verscherzen.
Eine nahm kein Blatt vor den Mund. Die Knessetabgeordnete der Arbeitspartei, Merav Michaeli, kann der Wahl Trumps nichts Positives abgewinnen: »Es ist ein schwerer Tag, an dem wir sehen müssen, wie ein Mann gewählt wird, der sich dazu bekannte, Frauen zu verletzen und zu beleidigen.« Michaeli hatte sich gewünscht, dass zum ersten Mal eine Frau zur Präsidentin der USA gewählt werden würde.
Stabilität Benjamin Netanjahu hatte sich nach dem Wahlsieg des ehemaligen Real-Estate-Moguls in einer offiziellen Erklärung geäußert: »Ich gratuliere Donald Trump zur Wahl zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist ein echter Freund Israels, und ich freue mich darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten, um Sicherheit, Stabilität und Frieden in der Region voranzubringen.« Er sei sicher, der angehende Präsident werde die besondere Beziehung der beiden Länder stärken und zu neuen Höhen bringen.
In Politikerkreisen wird gemunkelt, dass Netanjahu, der zum scheidenden Präsidenten Barack Obama ein äußerst unterkühltes Verhältnis pflegte, erwartungsvoll auf die Zusammenarbeit blickt. Die beiden Männer kennen sich seit Jahren. Anders als mit Obama verbindet die rechtsgerichteten Politiker Netanjahu und Trump eine ähnliche Weltsicht. Eine Gruppe, die auf Trump setzt, sind die Siedler. Ihr politischer Vertreter, Bildungsminister Naftali Bennett, meint, die Wahl in den USA sei ein Zeichen, dass man die hiesige Politik überdenken solle.
Bennetts religiös-nationale Partei Jüdisches Haus geht davon aus, dass Trump dem jüdischen Siedlungsbau im Westjordanland positiv gegenüber steht. »Die Ära eines palästinensischen Staates ist damit vorbei«, sagte er. »Die Mischung aus dem Wechsel in den USA, in Europa und unserer Region gibt uns eine außergewöhnliche Möglichkeit, alles zu überdenken und zurückzudrehen.«
Oft hatte Trump während des Wahlkampfes vollmundig verkündet, keiner würde es in Sachen Israel und Nahost besser machen als er. Er ging sogar so weit, zu prognostizieren, Israel werde zerstört, wenn er nicht gewählt werde. Mit ihm als Präsident aber werde der jüdische Staat »ganz in Ordnung sein«. Das hoffen die Israelis natürlich. Besonders zuversichtlich indes sind viele nicht.
Stephen Bannon Vor allem nach der aktuellen Benennung seines Chef-Strategen läuft vielen Israelis stattdessen eine Gänsehaut über den Rücken. Denn Stephen Bannon, ehemaliger Vorsitzender der ultrarechten Website »Breitbart News Network« und Trump-Berater während des Wahlkampfes, erhitzt die Gemüter der amerikanischen Juden und in Nahost. Denn der selbst erklärte Anti-Establishment-Rebell schockt gern mit frauenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Aussagen.
Seine Ex-Frau hatte vor Kurzem vor Gericht erklärt, Bannon wolle seine Töchter nicht auf eine Schule in Los Angeles schicken, damit sie nicht mit Juden zusammen zur Schule gehen. Bannon dementierte das zwar, doch seine Zugehörigkeit zur ultrarechten »Alt-Right-Bewegung«, die für Überzeugungen der Vorherrschaft der Weißen eintritt, und verschiedene Posts seiner Website zeichnen ein deutliches Bild. In einem Post wurde der Kommentator Bill Kristol als »abtrünniger Jude« bezeichnet, eine Journalistin als »polnische, jüdische, amerikanische verachtete Elitistin«. Der ehemalige Breitbart-Redakteur Ben Schapiro ist sicher: »Die Website hat sich einer Bewegung zugewandt, die von Rassismus und Antisemitismus durchzogen ist.«
In einer politischen Talkshow des Radiosenders Galei Zahal zeigten sich ausnahmslos alle Teilnehmer über die Wahl des künftigen hohen Beamten besorgt bis entsetzt. Und natürlich fühlen die Israelis mit den amerikanischen Juden, von denen sich viele geschockt über Bannons Wahl geäußert haben. »Damit ziehen Rassismus und Antisemitismus ins Weiße Haus ein.« In Anspielung auf das Buch Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson kommentierte der Haaretz-US-Korrespondent Chemi Shalev: »Trump ist Dr. Priebus und Mr. Bannon.«
Iran-Deal Auch nicht hilfreich bei der Vertrauensbildung ist die Tatsache, dass Donald Trump bei vielen seiner Versprechen in Bezug auf Israel bereits wieder zurückrudert. Seine Ankündigung, er wolle das Iran-Abkommen in kleine Stücke reißen, relativierte sein Berater Walid Phares in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN bereits mit den Worten, er wolle es zunächst einmal »überprüfen«.
Auch die Ankündigung, die amerikanische Botschaft »auf jeden Fall nach Jerusalem verlegen zu wollen«, scheint nach dem Grundsatz getätigt worden zu sein, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Denn angeblich gehe es Trump erst darum, einen »ultimativen Deal« zwischen Israelis und Palästinensern auszuarbeiten. Dem Wall Street Journal sagte er: »Als Deal-Macher will ich einen Deal machen, der nicht gemacht werden kann. Natürlich im Sinne der gesamten Menschheit.«
Die Angestellten der US-Botschaft an der Hajarkon-Straße in Tel Aviv packen also ganz sicher noch nicht ihre Koffer.