Die Spannungen zwischen Damaskus und Jerusalem nehmen zu. Zwar gibt es nach wie vor keine offizielle Bestätigung, dass Israel für den Angriff auf einen Waffenkonvoi in Syrien verantwortlich ist. Doch das, was Noch-Verteidigungsminister Ehud Barak am Sonntag auf der Münchner Sicherheitskonferenz äußerte, ist eher ein- als zweideutig: Der Zwischenfall sei der Beweis, »dass wir etwas meinen, wenn wir es sagen«. Syriens Präsident Baschar al-Assad bat daraufhin den Iran um Hilfe bei einem Angriff auf Israel.
Nach Angaben des israelischen Fernsehsenders Channel 1 lehnte Teheran diese Bitte jedoch mit der Begründung ab, dass sich das syrische Regime um »seine Angelegenheiten selbst kümmern« solle. Der TV-Bericht erklärte, dass Assad jene iranischen Offiziellen, die Israel wegen des vermeintlichen Angriffs verbal attackiert hatten, aufgefordert habe, den Worten nun Taten folgen zu lassen. Nur kurz zuvor hatte Said Jalili, der Leiter des nationalen Sicherheitsrates im Iran, getönt, dass »Israel die Aggression gegen Syrien bereuen« werde.
Barak hatte zwar nicht offiziell bestätigt, dass Israel den Konvoi angegriffen habe, meinte jedoch: »Ich kann dem, was Sie über die Sache in Syrien in den Zeitungen gelesen haben, nichts hinzufügen. Aber ich sage dennoch geradeheraus, dass wir es ernst meinen mit der Aussage: Es darf nicht erlaubt sein, hochentwickelte Waffensysteme in den Libanon zu bringen.«
Angekündigt In der vergangenen Woche hatten arabische Zeitungen begonnen, über den besagten Luftangriff auf den Waffenkonvoi mit russischen SA-17-Raketen zu berichten. Die Geschosse hätten offenbar von Syrien an die Hisbollah geliefert werden sollen. In amerikanischen Zeitungen wurde zudem berichtet, dass die Regierung in Jerusalem Washington angeblich über den bevorstehenden Angriff informiert habe.
Nachdem sich das syrische Regime zunächst in Schweigen gehüllt hatte, erklärte es später, dass nicht ein Konvoi, sondern eine wissenschaftliche Forschungsanlage im Nordwesten von Damaskus aus der Luft angegriffen worden sei. Im staatlichen Fernsehen wurden Bilder von einem beschädigten Gebäude und verbrannten Fahrzeugen gezeigt.
Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien fürchten sich Israel und die westliche Welt, dass die riesigen Arsenale an Chemiewaffen, die Assad hortet, in die Hände von Terroristen fallen könnten, allen voran der Hisbollah. Die soll sich bereits in Stellung gebracht haben, um die willkommenen Lieferungen abfangen zu können. Doch auch, dass der syrische Despot bis zum Äußersten gehen würde und die Waffen gegen seine eigenen Leute einsetzt, ist nicht undenkbar.
vorsorge Die Menschen in Israel nehmen die Entwicklungen beim Nachbarn im Norden mit großer Sorge auf. Allein in der vergangenen Woche holten sich mehr als 4000 Bürger ihre Gasmasken von den nationalen Verteilstellen ab. Normalerweise werden wöchentlich um die 1400 Masken ausgegeben. Seit 1990 werden die ABC-Schutzpakete an die Zivilbevölkerung verteilt. Derzeit haben nach offiziellen Angaben um die 50 Prozent der fast acht Millionen Einwohner solche Gasmasken bei sich zu Hause liegen. Nach einem bestimmten Zeitraum müssen sie jedoch ausgetauscht werden, da manche Zubehörteile ein Verfallsdatum haben.
Auch Ari Weizmann steht am Dienstagvormittag im Postamt Schlange, um die hellbraunen Pakete mit dem schwarzen Trageriemen für seine Familie abzuholen. »In Syrien kann doch niemand mehr genau sagen, wo sich die gefährlichen Waffen befinden oder wie lange sie noch an einem sicheren Ort lagern – falls sie überhaupt je sicher waren. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Assad abhaut oder von den Rebellen aufgeknüpft wird. Und dann wird es erst richtig brennen.« Man müsse nur nach Ägypten schauen, um zu erkennen, was in der Region los sei, meint Weizmann. »Stabilität war einmal. Jetzt folgt das totale Chaos.« Der Vater von drei Söhnen hat Angst vor dem, was auf sein Land zukommen könnte. »Syrien und der Iran sind wie die Tore zur Hölle. Und Israel steht direkt davor.«
Alltag Panik herrscht jedoch weder in Jerusalem noch in Tel Aviv, selbst nicht bei denjenigen, die sich auf der israelischen Seite der Golanhöhen niedergelassen haben. Obwohl die Kämpfe beim Nachbarn im Norden praktisch vor der Haustür stattfinden, geben sich die meisten Anwohner eher ihren alltäglichen Sorgen hin als der latenten Bedrohung durch Assads brandgefährliche Waffen.
Wobei die besorgniserregenden Entwicklungen durchaus kommuniziert werden: So erklärte Ehud Jaari, Experte für arabische Angelegenheiten von Channel 2, im israelischen Fernsehen kürzlich, dass er dieser Tage ganz neue Töne aus Syrien vernehme. Offen würden die Menschen dort jetzt sagen, man solle »die Golan-Front öffnen«. 35 Jahre lang sei es den Bürgern offiziell verboten gewesen, solche Worte in den Mund zu nehmen, erklärte Jaari, als er Videos von Syrern zeigte, die verlangen, Israel über das Plateau anzugreifen. Doch jetzt sprächen sie es ganz offen aus. »Und das gefällt mir ganz und gar nicht.«