Tausende Israelis haben am Samstagabend in Tel Aviv und in Jerusalem erneut die Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas gefordert. Die Familienangehörigen der Verschleppten drängten auf die Umsetzung der zweiten Phase der Waffenruhe-Vereinbarung. Diese sieht ein dauerhaftes Ende des Krieges und Freilassung aller verbliebenen Geiseln vor.
Familienmitglieder hielten Bilder von Verschleppten in die Höhe. Sie haben die Sorge, die zweite Phase der Waffenruhe-Vereinbarung könnte gar nicht erst umgesetzt werden.
Nach der Freilassung von Yarden Bibas, Ofer Kalderon und Keith Siegel am Samstagmorgen werden noch 79 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, 35 von ihnen sind israelischen Angaben zufolge tot. Die nächsten Geiseln sollen am kommenden Wochenende freikommen. Das Abkommen war am 19. Januar in Kraft getreten. Es sieht vor, dass in der ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln gegen 1904 palästinensische Häftlinge freikommen. Die Hamas teilte zuletzt mit, dass acht der 33 tot seien. Um wen genau es sich dabei handelt, ist unklar. 18 Geiseln sind inzwischen frei.
Doron Steinbrecher, die mit zwei weiteren Frauen am 19. Januar freigelassen worden war, meldete sich erstmals in einer Videobotschaft zu Wort. »Ich bin nicht mehr in der Geiselhaft der Hamas, ich bin zu Hause«, sagte die 31-Jährige den Demonstranten auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. »Ich werde alles tun, damit alle zurückkommen und ihr den Kreis schließen könnt.«
»Historisches Treffen« mit US-Präsident Donald Trump
Indessen sollen die Verhandlungen über die nächste Phase der Waffenruhe im Gazastreifen am Sonntag in Washington beginnen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werde sich dort mit dem US-Nahost-Gesandten Steve Witkoff treffen und über Israels Verhandlungspositionen sprechen, teilte das Büro des Regierungschefs mit. Am Tag darauf werde Netanjahu im Weißen Haus zu seinem »historischen Treffen« mit US-Präsident Donald Trump zusammenkommen und mit ihm unter anderem über die Zukunft des Gazastreifens reden, hieß es.
Trumps Sondergesandter Witkoff werde sich außerdem im Verlauf der Woche mit Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie ranghohen Vertretern Ägyptens beraten und anschließend erneut mit Netanjahu sprechen. Und zwar »über Schritte, die Verhandlungen voranzubringen, einschließlich von Daten für die Abreise von Delegationen zu den Gesprächen«.
Die USA, Katar und Ägypten fungieren als Vermittler zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas.
Die USA, Katar und Ägypten fungieren als Vermittler zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Mit ihrer Hilfe war die gegenwärtige sechswöchige Waffenruhe in Gaza zustande gekommen.
Israel und die Hamas hatten sich bei den indirekten Gesprächen darauf geeinigt, dass sie am 16. Tag der Waffenruhe, also am Montag, Verhandlungen über ein dauerhaftes Ende des Krieges und die Freilassung aller noch lebenden Geiseln aufnehmen werden. Rechtsextreme israelische Politiker haben damit gedroht, die Regierung zu verlassen, sollte Netanjahu diese zweite Phase des Waffenruhe-Abkommens durchziehen und den Kollaps seiner Koalition riskieren.
Man werde sich weiterhin entschlossen für eine Freilassung aller verbliebenen Geiseln einsetzen, sowie für »die Erreichung aller Kriegsziele«, sagte Netanjahu. Eines der Kriegsziele Israels ist die vollständige Zerstörung der Hamas. Werde bei den nun anstehenden weiteren Verhandlungen keine Einigung erzielt, könnten die Kämpfe weitergehen, hatte der Regierungschef unlängst angekündigt. Netanjahu will mit Trump auch über den Iran sprechen
Bei seinem Treffen mit Trump stünden am Dienstag »die Geiseln, der Umgang mit allen Elementen der iranischen Achse und weitere zentrale Themen« auf der Tagesordnung, teilte Netanjahus Büro weiter mit. Zu Irans Verbündeten zählen neben der Hamas in Gaza die von Israel ebenfalls militärisch geschwächte Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Miliz im Jemen.
Netanjahu dürfte der erste Regierungschef aus dem Ausland sein, den Trump als Präsident empfängt. Das stellte auch Netanjahus Büro heraus. Dies wird als eine starke Geste der Unterstützung für Israels Ministerpräsidenten gesehen, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international in die Kritik geraten ist. Trump ist als ein enger Verbündeter Netanjahus bekannt.
Der US-Präsident hatte kürzlich vorgeschlagen, dass Ägypten und Jordanien die Palästinenser aus Gaza aufnehmen sollten. Das könne vorübergehend oder langfristig sein. Trump argumentiert, der Gazastreifen sei buchstäblich eine Abrissbrache. Außenminister mehrerer einflussreicher arabischer Staaten wiesen eine solche Umsiedlung von Palästinensern aus Gaza jedoch zurück.
Arabische Länder lehnen Trump-Vorschlag zu Gaza ab
Eine Umsiedlung gefährde die Stabilität der Region und verlängere den Konflikt, erklärten die Außenminister Ägyptens, Jordaniens, Katars, Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate sowie Spitzenvertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Arabischen Liga. Die Rechte der Palästinenser dürften nicht verletzt werden, »ob durch Siedlungs-Aktivitäten, Ausweisung oder die Zerstörung von Häusern oder Annexion«, hieß es weiter.
In den vergangenen Tagen hatte sich Trump mehrfach optimistisch gezeigt, dass Ägypten und Jordanien seinem Vorschlag folgen würden. Am Samstag telefonierte er mit Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al-Sisi, wie das Weiße Haus mitteilte. Die Frage der Umsiedlung von Palästinensern wurde in der Mitteilung nicht erwähnt. Vielmehr hieß es, al-Sisi habe Zuversicht geäußert, dass Trumps Führung ein »goldenes Zeitalter des Friedens im Nahen Osten« einleiten könnte. dpa/ja