Ameer, Hazem, Alma, Milar, Vinees, Naji, Johnny, Yazan, Iseel, Fajer, Nathem und ein weiteres Opfer, das noch nicht öffentlich benannt wurde. Es sind nicht nur Namen. Es sind Töchter, Söhne, Freunde, Enkel, Neffen und Nichten. Das jüngste der Kinder war zehn, das älteste 16 Jahre alt. Sie alle hatten das Leben noch vor sich. Doch jetzt ist es vorbei: Die zwölf Kinder aus dem drusischen Dorf Majdal Schams in den Golanhöhen waren am frühen Samstagabend gekommen, um Fußball zu spielen – und wurden von einer Rakete der Hisbollah aus dem Libanon zerfetzt.
Am Sonntagmorgen sind in dem Dorf in den Golanhöhen herzzerreißende Szenen zu beobachten. Die kleinen weißen Särge werden alle hintereinander durch den Ort getragen. Verwandte, Freunde und Klassenkameraden der Kinder drängen sich neben den Särgen, viele tränenüberströmt. Sie tragen Blumenkränze und Fotos ihrer Liebsten.
Der Trauerzug umfasst Tausende von Menschen
Der Trauerzug umfasst Tausende Menschen, die den Angehörigen und der gesamten drusischen Gemeinde ihr Mitgefühl und ihre Solidarität aussprechen wollen. Einige der Angehörigen halten den unermesslichen Schmerz nicht aus, brechen zusammen, fallen in Ohnmacht. Krankenwagen bahnen sich ihren Weg durch die Menge, um Erste Hilfe zu leisten.
»Gestern war ein dunkler Samstag für die Drusen und die Bewohner des Nordens. Es ist ein Samstag, der als Tiefpunkt der Menschheit in Erinnerung bleiben wird: durch das Töten von Kindern. Die Szenen des Grauens werden wir niemals vergessen«, sagt der spirituelle Anführer der Drusen, Scheich Muafak Tarif, bei der Beerdigung. »Dieser tödliche Anschlag ist die schlimmste Katastrophe in der Geschichte der Drusen.«
Auf den Särgen liegen Fotos der Kinder, die darauf fröhlich in die Kamera lächeln: Ameer Rabeea Abu Saleh (16), Hazem Akram Abu Saleh (15), Alma Ayman Fakher Eldin (11), Milar Muadad Sha’ar (10), Vinees Adham Al-Safadi (11), Naji Taher Halabi (11), Johnny Wadeea Ibrahim (13), Yazan Nayeif Abu Saleh (12), Iseel Nasha’at Ayoub (12), Fajer Laith Abu Saleh (16), Nathem Fakher Saeb (16) und Jevara Ibrahim Ibrahim (11).
»Ich hatte meinen Schülern vor den Sommerferien gesagt, sie sollten ihre Zeit genießen, hinausgehen, spielen und Spaß haben – und auf sich aufpassen.«
Der elfjährige Jevara, der auch auf dem Fußballplatz in Majdal Schams gespielt hattte, als die mit 50 Kilogramm Sprengstoff beladene Rakete der Hisbollah einschlug, wurde zunächst von seiner Familie als vermisst gemeldet. Die Familie hatte die Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten und mit allen Krankenhäusern in der Gegend Kontakt aufgenommen. Am späten Sonntagabend dann kam die traurige Bestätigung: Das zwölfte Todesopfer war der erst elfjährige Junge.
Vier oder fünf der getöteten Kinder sind Mitglieder einer einzigen Familie. »Doch jede Familie hier in Majdal Shams ist heute von tiefster Trauer erfasst«, so Majd Abu Saleh, der bei der Trauerfeier sprach.
In das Entsetzen und den Schock mischt sich bei mehreren auch Wut. Einige Mitglieder der Regierungskoalition, die aus Jerusalem zur Beerdigung gekommen sind, werden angeschrien: »Neun Monate lang habt ihr uns im Stich gelassen, und jetzt kommt ihr?«, so die harsche Kritik an Wirtschaftsminister Nir Barkat und Umweltschutzministerin Idit Silman. »Schämt euch!«, schreit ein Mann die Likud-Minister an. »Die Kinder gingen Fußball spielen, und sie kommen nicht mehr nach Hause.«
Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich wird von Trauernden ausgebuht. »Bringt ihn weg, wir wollen ihn hier nicht«, rufen viele. Auch mehrere Abgeordnete der Opposition sind zu der Beerdigung gekommen, darunter der Vorsitzende der Partei Jesch Atid, Yair Lapid, und der Chef der Linkspartei Die Demokraten, Yair Golan.
19 verletzte Kinder und Jugendliche sind noch im Krankenhaus
Benny Gantz, ehemaliger Minister im Kriegskabinett, Stabschef Herzi Halevi und Verteidigungsminister Yoav Gallant waren noch am Samstag nach Majdal Shams gereist, um die Lage zu evaluieren und den Angehörigen ihr Beileid auszusprechen. Gallant nannte das Geschehen eine »schreckliche Tragödie« und versicherte der Gemeinde Majdal Shams: »Das ganze Land steht mit Ihnen, die ganze Armee hinter Ihnen.« Premierminister Benjamin Netanjahu kehrte von einem Besuch in den USA früher zurück und befand sich am Sonntagmittag nach Angaben seines Büros auf dem Weg ins Hauptquartier der Armee.
19 verletzte Kinder und Jugendliche, die auf dem Fußballplatz waren, werden derzeit noch in den Krankenhäusern des Nordens behandelt. Drei befinden sich in ernstem und einer in mäßigem Zustand. 15 Kinder sind leicht verletzt, so die Mediziner.
Die Direktorin der Al-Manahel-Grundschule von Majdal Schams, Jihan Safadi, auf die fünf der Mädchen und Jungen gingen, sagte der Nachrichtenagentur AP, die gesamte Gemeinde stehe unter Schock. »Die Situation hier ist extrem schwierig. Eltern weinen, draußen schreien die Leute. Niemand kann verstehen, was passiert ist.«
Auch sie selbst könne das Ausmaß der Tragödie nicht in Worte fassen, dass sie mehrere Schülerinnen und Schüler verloren habe und weitere Kinder im Krankenhaus liegen. »Ich hatte meinen Schülern vor den Sommerferien gesagt, sie sollten ihre Zeit genießen, hinausgehen, spielen und Spaß haben – und auf sich aufpassen.«