Und plötzlich stand sie im Konfettiregen. Nach ihrer Performance von »My Way« war es gänzlich um die Juroren geschehen. Sie konnten gar nicht anders, als die kleine Frau mit der großen Stimme zur Siegerin zu küren. Damit hatte die philippinische Altenpflegerin Rose Fostanes die Talentshow »X-Factor« im israelischen Fernsehen gewonnen. Und nachdem Innenminister Gideon Saar persönlich intervenierte, darf sie nun auch offiziell als Sängerin auftreten.
Dabei passt Fostanes so gar nicht in das Beuteschema der zahllosen Gesangs- und Castingshows, die in Israel noch immer für massive Einschaltquoten sorgen. Gerade einmal 1,50 Meter groß, mit fülliger Statur und schüchterner Zurückhaltung hat die 47-Jährige rein äußerlich wenig von einem aufsteigenden Star am Showbiz-Himmel. Schon gar nicht in einer Show, in der Top-Model Bar Refaeli über die Bühne hüpft.
Doch Fostanes trotzt allen Stereotypen. »Wen interessiert es, wie jemand aussieht, wenn er so eine Stimme hat?«, findet Michal Schani, die als Fan der Show ebenfalls für die Pflegerin gestimmt hat. »Als ich die Frau singen hörte, dachte ich, das ist ja der totale Wahnsinn. Jetzt hat Israel seine eigene Susan Boyle.« Auch die Jurorin Schiri Maimon ist hin und weg: »Sie ist einzigartig. Ich will, dass sich ihr Leben ändert. Denn sie ist eine herausragende Sängerin.«
Märchen Tatsächlich spricht auch Fostanes selbst im Anschluss an ihren Sieg von einem »Cinderella-Märchen« und freut sich, umzingelt von jubelnden Landsleuten, über ihren Erfolg. »Jetzt weiß die ganze Welt, dass auch Philippiner, sogar die, die als Putzkräfte arbeiten, Talent haben und bei so einem besonderen Ereignis mitmachen können.« Gleichzeitig möchte sie ihre derzeitige Medienwirksamkeit nutzen, um »auf die Situation der unterbezahlten Gastarbeiter in Israel aufmerksam zu machen«.
Derzeit leben rund 40.000 Philippiner im jüdischen Staat, die meisten von ihnen arbeiten als privates Pflegepersonal oder als Hausangestellte. Etwa zehn Prozent der philippinischen Bevölkerung gehen vorübergehend ins Ausland, um Geld für die Familie zu verdienen oder für ein besseres Leben zu sparen.
Fostanes kam vor sechs Jahren nach Israel und kümmert sich seitdem um eine schwerkranke Frau. Gemeinsam mit sieben Mitbewohnern lebt sie in einer völlig überfüllten Wohnung im Süden von Tel Aviv, wo sich die meisten der Gastarbeiter niedergelassen haben. Nicht wenige von ihnen haben hier mittlerweile Familien gegründet. Die Kinder gehen allesamt in israelische Kindergärten oder Schulen, sprechen Hebräisch und haben israelische Freunde.
In der Gemeinde der Philippiner im Ausland hält man zusammen. So stimmten sie alle in der Publikumsabstimmung bei »X-Factor« für ihre Kandidatin und freuen sich nun über ihren Erfolg.
Auch Benigno Aquino freut sich. Der Präsident der Philippinen erklärt: »Wir sind sehr stolz, dass Rose Fostanes durch ihr außergewöhnliches Talent den Philippinern ihren Stolz wiedergegeben hat.« Fostanes zeige, so Aquino, dass die Fähigkeiten seiner Landsleute sich überall sehen lassen könnten.
arbeitserlaubnis Es gehört mittlerweile fest zum Straßenbild einer jeden Stadt, dass Frauen und Männer von den Philippinen, aus Nepal oder Thailand neben den älteren Israelis, um die sie sich kümmern, auf der Parkbank sitzen. So macht es auch Camella tagein, tagaus. Die 33-jährige Frau aus einem Dorf in der Nähe von Manila ist seit drei Jahren in Tel Aviv. Wie fast alle kam auch sie über eine professionelle Agentur, die Pflegepersonal vermittelt.
Doch der Anfang war schwer. Ihre erste Arbeitsstelle fühlte sich für sie an »wie Sklaverei«. Sie musste gleich zwei ältere Damen pflegen, an den Nachmittagen kamen noch deren drei Enkel dazu, für die sie Babysitter spielen musste. Zudem wurden ihr die freien Tage mit der Aussage »Und wer soll sich dann kümmern?« verweigert.
»So steht das nicht in meinem Vertrag«, klagte sie nach einem halben Jahr. Doch die Arbeitgeberin habe nur gelacht und gesagt: »Wen interessiert das schon?« Auch die Agentur half nicht. Da diese zudem Camellas Reisepass konfisziert hatte – ein nicht unübliches Prozedere –, waren der Frau die Hände gebunden. Erst als eine Freundin Hilfe von der »Worker’s Hotline« erhalten hatte, wagte auch Camella, gegen die Ausbeutung anzugehen.
Menschenrechte Nachdem ein Anwalt der Menschenrechtsorganisation sowohl der Arbeitgeberin als auch der Agentur mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, willigten sie ein, Camella gehen zu lassen. Mittlerweile ist sie bei einer anderen Frau beschäftigt und ist zufrieden. »Sie behandelt mich wie einen Menschen.«
Rose Fostanes hatte da mehr Glück. Die Familie, für die sie arbeitet, »liebe ich sehr«, sagt sie. Dennoch möchte die sympathische Frau ihren künstlerischen Traum verwirklichen. Schon am Morgen nach ihrem Triumph bei »X-Factor« wurde Fostanes im Innenministerium vorstellig, um zu fragen, ob sie mit ihrer Arbeitserlaubnis auch als Sängerin auftreten darf. Sie durfte nicht, beschied man ihr. Wenig später jedoch sprach sich Gideon Saar höchstpersönlich für Fostanes aus und wies seine Beamten an, ihr eine Arbeitserlaubnis als Künstlerin auszustellen. Offenbar ist auch der Innenminister ein Fan von Gesangsshows.