Am 13. Mai wird Israel den schwersten Jom Hasikaron in der Geschichte des Landes begehen. Es ist der erste Gedenktag für gefallene Soldatinnen und Soldaten sowie Terroropfer nach dem 7. Oktober. Im ganzen Land sind Zeremonien geplant. Doch Angehörige und Opferverbände sorgen sich, dass die Anwesenheit von Ministern, vor allem Mitglieder der rechtsextremen Parteien Religiöser Zionismus und Otzma Jehudit, zu Protesten und Konfrontationen auf den Friedhöfen führen könnte.
In Israel hat es Tradition, dass am Jom Hasikaron Vertreter der Regierung bei den Gedenkveranstaltungen Reden halten. Im vergangenen Jahr, während der Justizreform der Regierung in Jerusalem, war es dabei zu Auseinandersetzungen und sogar gewalttätigen Zwischenfällen gekommen.
Die Entscheidung, Minister auch in diesem Jahr, nach dem schrecklichsten Massaker in Israels Geschichte, auf die Friedhöfe zu senden, hat für wütende Gegenreaktionen gesorgt. Am Mittwoch veröffentlichten Regierung und Knesset Listen von Ministern und Abgeordneten mit den Orten, wo sie den Staat vertreten werden.
Rechtsextreme Politiker haben sich gegen Deals ausgesprochen
Hunderte Familienangehörige von Opfern des Hamas-Massakers vom 7. Oktober baten daraufhin die Mitglieder der Knesset, nicht zu erscheinen und die Familien in Ruhe trauern zu lassen. Die Regierung wird von vielen beschuldigt, nicht genug getan zu haben, um die verheerenden Terroranschläge in den südlichen Gemeinden zu verhindern.
Rechtsextreme Politiker haben sich zudem wiederholt gegen Deals zur Befreiung der Geiseln ausgesprochen und abfällig über Angehörige gesprochen, die lautstark verlangen, dass ihre Liebsten nach Hause geholt werden. So sagte die Ministerin für Siedlungen und nationale Projekte, Orit Strock, ein Mitglied der Partei Religiöser Zionismus, dass ein Abkommen mit der Hamas alles, was Israels Truppen in Gaza getan haben, »zu Müll« machen würde. Sie unterstrich, dass »eine Regierung, die dies tut, um 22, 33 oder ich weiß nicht, wie viele Leute, zu retten, hat keine Legitimität«.
In einem Interview mit Kanal 12 News sagte Eli Ben-Shem, Vorsitzender der Vereinigung Yad Lebanim, die Hinterbliebene vertritt, er habe sich an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant gewandt und gebeten, sich vorher dem Gedenktag mit seiner Organisation zu beraten.
»Sie schicken Smotrich nach Kfar Saba und Ben Gvir nach Aschdod. Warum?«
vorsitzender yad lebanim, eli ben-shem
»Doch die Regierung traf ihre Entscheidungen, als ob sie provozieren und Feuer entfachen will. Ich verstehe es nicht. Sie schicken [Finanzminister Bezalel] Smotrich nach Kfar Saba und [den Nationalen Sicherheitsminister Itamar] Ben Gvir nach Aschdod. Warum?«, so Ben-Shem. Es gebe 54 staatliche Zeremonien auf Militärfriedhöfen. »Warum sendet man diese Leute nicht dorthin?« Er sorgt sich, dass das, »was wir im vergangenen Jahr sahen, nur ein Vorspiel dessen war, was in diesem Jahr kommen wird«. Das Büro des Premierministers habe einen Kommentar zu den Vorbehalten von Ben-Shemen abgelehnt.
Finanzminister Smotrich, Vorsitzender der ultranationalistischen Partei Religiöser Zionismus, soll in Kfar Saba reden. Bürgermeister Rafi Sa’ar forderte die Regierung auf, die Entscheidung, den umstrittenen Politiker in seine Stadt zu schicken, zu überprüfen. »Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit, die Atmosphäre im Land ist stürmisch, das Herz schmerzt und blutet immer noch wegen des Verlusts unserer besten Söhne und Töchter.« In Kfar Saba arbeite man daran, die Einheit aufrechtzuerhalten.
Bitten, keine Rede auf dem Friedhof zu halten
In der Kleinstadt nördlich von Tel Aviv lebt auch die Familie Eshel. Tochter Roni Eshel war eine sogannte »Späherin« der Armee. Die 19-Jährige wurde am 7. Oktober auf dem Militärstützpunkt Nachal Oz getötet und ist auf dem lokalen Friedhof beigesetzt. Der trauernde Vater, Eyal Eshel, sprach im Armeeradio. Er habe versucht, Smotrich zu kontaktieren und Fragen zu stellen. »Warum kommst du hierher?« »Sind wir Teil deines Wahlkampfs?« Er werde den Politiker nicht daran hindern, auf den Friedhof zu gehen, »aber ich kann ihn sehr wohl bitten, keine Rede zu halten«, so Eshel.
»Ich habe in jeder Hinsicht das Gefühl, dass sie absichtlich versuchen, einen Finger in unser Auge zu stechen und den bestehenden Schmerz zu verstärken. Ich kann nicht verstehen, warum sonst dieser und andere Politiker eingeladen wurden. Es ist ärgerlich, empörend und beleidigend für die Angehörigen der Hinterbliebenen und Geiseln.«
Andere Hinterbliebenen-Familien schlossen sich Eshels Aufruf an. Sie schrieben an Verteidigungsminister Yoav Gallant: »Gerade jetzt müssen wir alles tun, um die Rückkehr vergangener Bilder zu verhindern, auf denen Minister von Zeremonien vertrieben und trauernde Familien daran gehindert werden, zum Gedenken für ihre Angehörigen zu gehen.« Bis jetzt haben die Familien keine Antwort erhalten.